“Fußball in Verruf” gebracht: UEFA sperrt Daku

Albanien muss gegen Spanien und einem möglichen Achtelfinale auf Mirlind Daku verzichten. Die UEFA belegte den 26-Jährigen für seine nationalistischen und diffamierenden Gesänge nach dem Remis gegen Kroatien mit einer Zwei-Spiele-Sperre.

Fehlt Albanien gegen Spanien: Mirlind Daku.

Fehlt Albanien gegen Spanien: Mirlind Daku.

IMAGO/SOPA Images

Am vergangenen Mittwoch kochten bei den Albanern die Emotionen hoch: In der fünften Minute der Nachspielzeit rettete Klaus Gjasula mit seinem 2:2 gegen Kroatien noch einen Punkt. Wie sich spätestens nach dem zweiten Gruppenspiel (Spanien gewann 1:0 gegen Italien) herausstellen sollte, war das Tor goldwert. Denn ansonsten wären die Rot-Schwarzen bereits ausgeschieden.

Den Punktgewinn feierten einige Spieler dementsprechend ausgelassen im Hamburger Volksparkstadion. So schnappte sich unter anderem Mirlind Daku sogar das Megafon und heizte den Anhang an. Allerdings tat er dies mit nationalistischen und diffamierenden Sprechchören gegenüber Nordmazedoniern und Serben.

Sorry, wenn ich jemanden beleidigt habe.

Mirlind Daku

Als die UEFA auf Forderung des nordmazedonischen Verbands bekanntgab, Ermittlungen aufzunehmen, bezog der Angreifer auf Facebook Stellung. “Sorry, wenn ich jemanden beleidigt habe. Wie bei jedem Fußballer sind die Emotionen in diesen Momenten auf einem anderen Level, was nur auf dem Spielfeld verstanden werden kann”, schrieb der im Kosovo geborene Daku und fügte hinzu: “Es ist schwierig, das Gefühl für dieses Nationalteam zu spielen, zu beschreiben, für diese wunderbaren Fans, die uns uneingeschränkte Liebe geben.”

Vor einer Strafe bewahrte seine Entschuldigung ihn aber nicht. Wie die UEFA am Sonntag mitteilte, belegte die Spruchkammer den 26-Jährigen “wegen Nichtbeachtung der allgemeinen Verhaltensgrundsätze, wegen Verstoßes gegen die Grundregeln guten Benehmens, wegen Nutzung von Sportveranstaltungen für Bekundungen nichtsportlicher Art und wegen Verunglimpfung des Fußballsports” mit einer Zwei-Spiele-Sperre. Er habe den “Fußball in Verruf” gebracht.

UEFA bittet Albanien wegen drei Vergehen zur Kasse

Zusätzlich muss der albanische Verband eine Geldstrafe in Höhe von 25.000 Euro bezahlen. Neben Dakus Fehlverhalten bittet die UEFA die Albaner auch wegen zwei weiterer Vergehen ihrer Fans zur Kasse: Für das Zünden von Feuerwerkskörper und das unerlaubte Betreten des Spielfelds werden 22.500 Euro fällig. Wegen ähnlicher Vergehen wurde auch der kroatische Verband belangt, er muss insgesamt 28.000 Euro bezahlen, 17.500 Euro für das Zünden von Pyrotechnik und 10.500 Euro für das Werfen von Gegenständen.

Sportlich dürften die Rot-Schwarzen das Fehlen von Daku im letzten Gruppenspiel gegen Spanien durchaus verschmerzen können. Denn der Stürmer von Rubin Kasan gehört nicht zur Startelf und kam gegen lediglich gegen die Kroaten zu einem Kurzeinsatz. Sollten die Albaner am Montag (21 Uhr, LIVE! bei kicker) mit einer Überraschung tatsächlich den Achtelfinal-Einzug festzurren, würde Daku das erste K.-o.-Spiel seines Landes bei einem Großereignis verpassen.

Nach “15 Minuten Hölle” der Held: Gjasulas wilde Achterbahnfahrt

Mit einem 2:2 gegen Kroatien wahrte Albanien seine kleine Restchance auf die K.-o.-Phase der Europameisterschaft. Die prägende Figur der Albaner war am Mittwochnachmittag Klaus Gjasula, der bei seinem ersten EM-Einsatz eine Achterbahnfahrt der besonderen Sorte erlebte.

Klaus Gjasula (Mitte) erlebte einen Nachmittag voller Höhen und Tiefen.

Klaus Gjasula (Mitte) erlebte einen Nachmittag voller Höhen und Tiefen.

IMAGO/Matthias Koch

Als wäre die Geschichte, mit 34 Jahren erstmals bei einer Europameisterschaft auf dem Platz zu stehen, noch nicht genug, um von einem unvergesslichen Erlebnis zu sprechen. Nein, die rund 25-minütige Achterbahnfahrt, die Klaus Gjasula am Mittwochnachmittag erlebte, hätte wohl getrost für mehrere Spiele gereicht – doch von vorne.

“Ich bin reingekommen, um das Spiel zu beruhigen – das ist mir überhaupt nicht gelungen”

Im zweiten EM-Gruppenspiel hatten Gjasulas albanischen Landsmänner einen starken Auftritt hingelegt und zur Halbzeit verdient mit 1:0 geführt. Nach Wiederanpfiff allerdings kamen die Kroaten mehr und mehr auf, der Ausgleich lag in der Luft. Also, so dachte sich Albanien-Coach Sylvinho, war es Zeit, den abgebrühten Defensivmann in die Partie zu werfen. “Ich bin reingekommen, um das Spiel so ein bisschen zu beruhigen”, erklärte der Darmstädter bei RTL.

Aber, musste Gjasula wenig später feststellen, “das ist mir persönlich überhaupt nicht gelungen. Ich bin da erstmal die ersten 15 Minuten durch die Hölle gegangen.” Wie diese Hölle aussah? Nach Gjasulas Einwechslung in der 72. Minute dauerte es gerade einmal zwei Minuten, ehe Andrej Kramaric den Bann für die Kroaten brach und zum Ausgleich traf. Und noch einmal zwei weitere Minuten, ehe die Kroaten das Spiel gänzlich zu ihren Gunsten gedreht hatten. Weil Gjasula bei einer Klärungstat von Kapitän Berat Djimsiti im Weg stand und den Ball unglücklich mit dem Schienbein ins eigene Netz bugsierte.

Erstes EM-Spiel, erstes Länderspieltor – und der gefeierte Held

Damit war die Geschichte allerdings noch nicht auserzählt, Stichwort Achterbahnfahrt. Die sollte nämlich trotz Gjasulas Horror-Auftakt doch noch einen positiven Ausgang nehmen. Dass ihm der Ball in der fünften Minute der Nachspielzeit vor die Füße fiel, er ihn satt mit links traf, der Schuss links unten einschlug und er letztlich dank seines ersten Tores im albanischen Dress als gefeierter Held der vielen angereisten Fans zum Jubel abdrehte, war für Gjasula klassisch “eine Geschichte, wie sie der Fußball so schreibt. Nach dem Eigentor und ein, zwei nicht so guten, gelungenen Aktionen, dann das Tor – da brechen dann natürlich alle Emotionen aus.”

Emotionen, die die Albaner nun ins dritte und alles entscheidende Gruppenspiel gegen Spanien (Montag, 21 Uhr, LIVE! bei kicker) mitnehmen wollen. Gegen den Mit-Favoriten braucht es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen Sieg, um die Segel bei der zweiten EM-Teilnahme der Verbandsgeschichte nicht schon streichen zu müssen. “Wir wissen, dass es gegen Spanien natürlich nochmal eine Mammut-Aufgabe wird. Wir werden alles einwerfen, wie auch heute, und probieren das Maximale rauszuholen”, versichert Gjasula. “Wir wissen, dass wir eigentlich einen Dreier brauchen, um die Gruppe zu überstehen und wir werden alles daran setzen, unser Bestmögliches abzurufen. Dann werden wir sehen – aber die Unterstützung ist unglaublich.”

Djimsiti: “Man hatte das Gefühl, man ist in Albanien – nicht in Deutschland”

Der Turnierauftakt ist misslungen. Beim 1:2 gegen Italien ging Albanien zwar mit einem historischen Tor in Führung, doch am Ende jubelte der Titelverteidiger. Hinterher fand Kapitän Berat Djimsiti einen Erklärungsansatz, der aufhorchen ließ.

In die Knie gezwungen: Berat Djimsiti und Albanien hatten am Samstagabend gegen Italien das Nachsehen.

In die Knie gezwungen: Berat Djimsiti und Albanien hatten am Samstagabend gegen Italien das Nachsehen.

UEFA via Getty Images

Am Ende erkannte auch Berat Djimsiti an, dass es verdient war, dieses 2:1 der Italiener, die bei ihrem EM-Auftakt am Samstagabend zwar ein historisches Gegentor kassiert hatten, dann aber sehr wohl zu verstehen gaben, wie es um die tatsächlichen Kräfteverhältnisse bestellt ist zwischen dem Titelverteidiger und den Albanern, die erst zum zweiten Mal überhaupt an einem großen Turnier teilnehmen.

Bei der EM 2016 schieden sie nach der Vorrunde aus, jetzt droht ihnen dieses Schicksal erneut, auch wenn Kapitän Djimsiti nach der Auftaktniederlage am ARD-Mikrofon meinte: “Wir glauben daran, dass wir etwas reißen können. Mit diesen Fans im Rücken kann alles passieren.”

Ich habe das Gefühl, es war nicht so gut, dass wir so früh in Führung gegangen sind.

Berat Djimsiti

Tatsächlich hatten die Albaner in Dortmund für gehörig Stimmung gesorgt. “Man hatte das Gefühl, man ist in Albanien – nicht in Deutschland”, sagte Djimsiti, musste aber auch gestehen, dass die Mannschaft ihren Fans in einigem nachstand. Italiens Sieg sei verdient, räumte der Verteidiger von Atalanta Bergamo offen ein und sagte dann zum 22-Sekunden-Führungstor, dem schnellsten Treffer der EM-Historie: “Ich habe das Gefühl, es war nicht so gut, dass wir so früh in Führung gegangen sind, weil wir ein bisschen am Feiern waren oder überrascht von der frühen Führung. Und danach haben wir direkt zwei Gegentreffer kassiert.”

Das Positive: “dass wir nicht den Kopf verloren haben”

Nach dem 1:2, lediglich eine Viertelstunde nach dem albanischen Treffer, konnte sich der Außenseiter in der Offensive kaum noch in Szene setzen. Erst kurz vor Schluss schnupperte Djimsiti Team nochmal am 2:2, ließ die letzten beiden Chancen aber liegen.

Und so blieb Djimsiti nicht viel mehr, als das Wenige herauszustellen, auf dem sich aufbauen lässt. “Das Positive am heutigen Spiel ist, dass wir immer im Spiel geblieben und nicht den Kopf verloren haben”, meinte der 31-Jährige. Das änderte allerdings nichts daran, dass Italien am Ende zu Recht gewonnen hatte. Das wusste auch Berat Djimsiti.

Zwei Deutschland-Legionäre, ein Europa-League-Sieger: Albaniens EM-Aufgebot

Als frischgebackener Europa-League-Sieger geht Berat Djimsiti mit Albanien in die EM. In der Hammergruppe B wird der Verteidiger sicherlich gefordert werden.

Frischgebackener Europa-League-Sieger mit Atalanta: Berat Djimsiti.

Frischgebackener Europa-League-Sieger mit Atalanta: Berat Djimsiti.

IMAGO/Sportimage

Bei der Auslosung der EM-Gruppenphase erwischte Albanien eine Hammergruppe: Die Rot-Schwarzen treffen in der Gruppe B auf Titelverteidiger Italien, Spanien sowie Kroatien. Nun steht auch fest, welcher Kader die schweren Aufgaben angeht. Trainer Sylvinho nominierte 27 Spieler in sein vorläufiges Aufgebot.

Darunter befinden sich vier Torhüter: Einer aus dem Quartett ist ein Deutschland-Legionär. Simon Simoni hütete in der abgelaufenen Saison 14-mal das Tor von Eintracht Frankfurt II. Zum Bundesliga-Kader der Adlerträger gehörte Simoni ein einziges Mal: Beim 1:1 gegen Bochum im Februar nahm er auf der Bank Platz.

Auf Abstieg mit Darmstadt folgt für Gjasula die EM

Deutlich mehr Erfahrung weist der zweite Deutschland-Legionär auf. Darmstadts Routinier Klaus Gjasula (34) kommt bereits auf 51 Bundesliga- und 79 Zweitliga-Partien. Anders als Gjasula, der mit den Lilien aus der Bundesliga abstieg, geht Verteidiger Berat Djimsiti mit einem Erfolgserlebnis in die Europameisterschaft. Der 31-Jährige gewann am vergangenen Mittwoch mit Atalanta Bergamo die Europa League – außer im sportlich nicht mehr relevanten letzten Gruppenspiel stand der Kapitän der Bergamasken in jedem Spiel des Wettbewerbs in der Startelf.