Warum Möller gegen Spanien optimistisch ist: “Ich halte es mit Assauer”

Warum Möller gegen Spanien optimistisch ist: “Ich halte es mit Assauer”

Für den kicker schreibt Andreas Möller die EM-Kolumne. Diesmal erklärt er, was ihm für Deutschlands Viertelfinale gegen Spanien Hoffnung macht – und warum er immer noch an seinen Geheimfavoriten glaubt.

Ein unvergessener Moment - der das WM-Aus trotzdem nicht verhindern konnte: Niclas Füllkrug trifft in Katar zum 1:1 gegen Spanien.

Ein unvergessener Moment – der das WM-Aus trotzdem nicht verhindern konnte: Niclas Füllkrug trifft in Katar zum 1:1 gegen Spanien.

IMAGO/BSR Agency

Einen Tag vor dem Pokal-Finale in Berlin fragte ich unseren Manager Rudi Assauer: “Wie können wir denn dieses Spiel gewinnen?” Seine kurze Antwort: “Form schlägt Klasse!”, zog an der Zigarre und ging weiter. 24 Stunden danach verteidigte der FC Schalke 04 den DFB-Pokal als Außenseiter durch einen 4:2-Sieg gegen Bayer Leverkusen, das in der Saison 2001/02 das Maß aller Dinge schien und am Ende in allen drei Wettbewerben (Pokal, Champions League, Meisterschaft) mit leeren Händen dastand.

Spanien ist bei dieser Europameisterschaft zumindest aktuell das Maß aller Dinge. Doch ich blicke dem Kracher gegen unsere Nationalelf am Freitag in Stuttgart mit gesundem Optimismus entgegen, halte es mit dem legendären Assauer: Form schlägt Klasse! Natürlich muss man dafür eine Menge investieren. Deutsche Tugenden, die uns so oft stark gemacht haben, wie: Laufbereitschaft, Zweikampfstärke und viel Teamspirit. Ich bin überzeugt davon, dass dieses Motto “das Glück hat nur der Tüchtige” uns bei kniffligen Situationen und bei strittigen Entscheidungen unter diesen Voraussetzungen beisteht. Und ein großer Vorteil ist, dass uns in Stuttgart ein fantastisches Publikum vollends unterstützen wird.

Auf Statistik habe ich noch nie viel gegeben. Ginge es nach den Zahlen, sähe es nicht gut aus. Der letzte Sieg bei einer WM oder EM datiert mit einem 2:0 aus dem Jahr 1988 bei der Europameisterschaft in Deutschland. Wir sollten uns besser das letzte Spiel gegen Spanien vor Augen halten. Dieses 1:1 im Gruppenspiel bei der für Deutschland mit dem Aus nach der Gruppenphase völlig in den Sand gesetzten WM 2022 in Katar. Ich habe die Bilder dieses großen Spiels noch vor Augen. Die fulminante Aktion von Leroy Sané, den Knaller von Niclas Füllkrug zum 1:1 knapp zehn Minuten vor dem Abpfiff. Viele Spieler der heutigen Mannschaft waren vor zwei Jahren dabei, als wir die Spanier fast besiegt hätten. Und dass Deutschland gegen starke Gegner ganz überwiegend auch besondere Spiele zeigt, hat die Mannschaft vor dieser EM bewiesen mit den Siegen gegen Frankreich und die Niederlande.

Die Holländer bleiben mein Geheimfavorit

Übrigens: Wie beim Start in das Turnier von mir erwähnt, bleiben die Holländer mein Geheimfavorit. Sie scheinen jetzt richtig Fahrt aufgenommen zu haben mit dem 3:0 gegen Rumänien. Sie sind auch Favorit im Viertelfinale gegen die Türkei. Ein Satz zu den Engländern. Mehr schlecht als recht sind sie in dieses Viertelfinale gestolpert, mit allem Glück dieser Welt auch beim 2:1 in der Verlängerung gegen die Slowakei. Nicht gut, aber erfolgreich – was beweist, dass in einem solchen Turnier nichts planbar und vorhersehbar ist.

Form schlägt Klasse: Zu dieser Feststellung habe ich noch zwei weitere Beispiele (neben dem eingangs erwähnten) aus meiner Karriere. 1989 gewannen wir mit Borussia Dortmund das Pokal-Finale gegen den klaren Favoriten Werder Bremen mit 4:1. Werder war ein Jahr zuvor Meister geworden und auch in der Saison 1988/89 in der Bundesliga als Dritter vier Plätze vor dem BVB eingelaufen. Für den BVB war es der erste Titelgewinn seit dem Triumph im Europapokal der Pokalsieger im Jahr 1966. Und im Finale der Champions League im Mai 1997 besiegten wir Juventus Turin dank einer perfekten Mannschaftsleistung mit 3:1. Durchaus mit einem Heimvorteil für Borussia Dortmund, fand das Endspiel doch in München statt. Diese drei Beispiele sind mir durch den Kopf geschossen, als klar war, dass es im Viertelfinale gegen die bärenstarken Spanier geht. Man sieht also: Der Glaube kann Berge versetzen …

Andreas Möller

Europameister 1996: Andreas Möller mit der Trophäe.

Andreas Möller (56) bestritt 85 Länderspiele, war Weltmeister 1990 und gehörte 1996 dem deutschen Team an, das zum bisher letzten Mal den Europameistertitel holte. Im Halbfinale verwandelte er im Elfmeterstechen gegen England den letzten, entscheidenden Elfmeter für den Einzug ins Endspiel. Im Finale durfte er aber wegen einer Gelbsperre nicht mitwirken. Andreas Möller wird bis zum Abpfiff dieser EM als kicker-Kolumnist im Einsatz sein.