Gesperrter Calhanoglu: “Ich war sprachlos in dem Moment”

Gesperrter Calhanoglu: “Ich war sprachlos in dem Moment”

Zehn Jahre nach seinem HSV-Abgang bringt Hakan Calhanoglu in Hamburg den türkischen EM-Achtelfinaleinzug auf den Weg. Die alte Wirkungsstätte verließ er trotzdem enttäuscht.

Fehlt den Türken im Achtelfinale gegen Österreich: Hakan Calhanoglu.

Fehlt den Türken im Achtelfinale gegen Österreich: Hakan Calhanoglu.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Der Abpfiff im Hamburger Volksparkstadion lag am späten Mittwochabend schon fast zwei Stunden zurück, als Hakan Calhanoglu als einer der letzten türkischen Spieler durch die Katakomben schritt. Mehrfach machte er Halt bei den Reportern, stand Rede und Antwort – erst auf Türkisch, dann auch auf Deutsch.

Für den in Mannheim geborenen Kapitän der türkischen Nationalmannschaft wurde das dritte Gruppenspiel gegen Tschechien auch zu einer Rückkehr zu den eigenen Wurzeln einer mittlerweile famosen Fußballkarriere – in Hamburg, dort, wo Calhanoglu im Jahr 2013 seine ersten Bundesliga-Spiele bestritt. Und wo er nun beim 2:1-Sieg, der den Achtelfinaleinzug bedeutete, mit perfekter Schusstechnik die 1:0-Führung erzielt hatte.

Calhanoglus Hamburg-Eingebung

Ein ganz “besonderer” Moment für ihn, berichtete der 30-Jährige: “Ich erinnere mich noch an die alte Zeit und an mein Freistoßtor aus 40 Metern.” Damals, im Februar 2014, hatte er gegen Borussia Dortmund spektakulär getroffen. Rund zehn Jahre später hatte der Profi von Inter Mailand im Vorfeld nun sogar offenbar eine Eingebung: “Wir haben gestern noch darüber gesprochen: Ich habe den Jungs gesagt, dass ich das Gefühl habe, hier einen Treffer zu erzielen.”

Und doch äußerte Calhanoglu in der Mixed Zone ebenfalls seine Enttäuschung – darüber, dass er seiner Mannschaft im Achtelfinale gegen Österreich gesperrt fehlen wird: “Ich bin nicht dabei.” Im Anschluss an den tschechischen Ausgleichstreffer, der so einige Diskussionen auf dem Platz nach sich zog, sah der türkische Kapitän Gelb – es war seine zweite Verwarnung im Turnier.

Calhanoglu: “Ganz katastrophal”

“Die UEFA hat uns ja vorher gewarnt, dass nur die Spielführer mit dem Schiedsrichter sprechen dürfen. Und ich wollte meine Spieler wegtreiben, habe versucht, mit ihm zu reden. Dann hat er mir direkt Gelb gezeigt – warum, wusste ich selbst nicht. Ich war sprachlos in dem Moment. Ganz katastrophal”, so Calhanoglu, der wie eigentlich alle Akteure kein gutes Haar an der Leistung von Referee Istvan Kovacs ließ: “Er war arrogant, hat uns sehr oft ignoriert. Man konnte gar nicht mit ihm sprechen.”

Nun müsse er sein Team beim Spiel am Dienstagabend in Leipzig eben “neben dem Platz” unterstützen, befand der 88-malige Nationalspieler, zumal die Türken gegen Österreich noch eine Rechnung aus jüngerer Vergangenheit offen haben: Erst im vergangenen März setzte es eine 1:6-Klatsche gegen einen “Geheimfavoriten in dem Turnier”, wie Calhanoglu nun betonte: “Dieses Spiel haben wir noch nicht vergessen und wollen das natürlich wieder gutmachen.”

Türkei-Support: “Wir sind überall”

Der Inter-Profi setzt dabei, wie bei allen bisherigen Partien dieser EM, auch weiterhin auf den enormen Support der türkischen Fans: Als “unbeschreiblich” empfand Calhanoglu die Kulisse in Hamburg einmal mehr: “Wir sind überall. Wir haben die besten Fans, die bei der EM Stimmung machen.” Und die zugleich auch eine gewisse Erwartungshaltung mit sich bringen: “Klar spürt man einen Druck”, erklärte der 30-Jährige: “Uns verfolgen über 80 Millionen Türken – das darf man nicht vergessen.“

Tim Lüddecke