Der Spieler, den England nicht hat – aber haben könnte

Der Spieler, den England nicht hat – aber haben könnte

England liegt bei der EM auf Kurs, ist spielerisch bisher aber die Enttäuschung des Turniers. Womöglich hat Trainer Gareth Southgate eine Lösung auf der Bank sitzen.

Declan Rice vorschieben, Adam Wharton (re.) reinwerfen - ist Southgate ein solches Experiment zuzutrauen?

Declan Rice vorschieben, Adam Wharton (re.) reinwerfen – ist Southgate ein solches Experiment zuzutrauen?

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Gareth Southgate muss sich gerade einiges vorwerfen lassen, was durchaus seine Richtigkeit hat. Er gibt seiner Mannschaft augenscheinlich kaum taktische Hilfsmittel an die Hand, lässt sie viel zu vorsichtig spielen, einzelne Personalien und Aus- beziehungsweise Einwechslungen werden sowieso diskutiert.

Doch was kann er tun, also realistisch betrachtet, damit EM-Mitfavorit England nicht nur etwas ansehnlicher, sondern auch besser spielt? Ein großer Taktiker wird aus dem einstigen Innenverteidiger nämlich nicht mehr werden, zumindest nicht von heute auf morgen. Ein entscheidender Punkt, an dem er ansetzen könnte, ist vielmehr die Zusammenstellung der Spieler.

Arteta setzt Rice anders ein

Dass sich unter Southgate die Tradition fortzusetzen scheint, dass überragende englische Einzelspieler ihre Vereinsleistungen in der Nationalmannschaft nicht bestätigen können, hängt vermutlich damit zusammen, dass sie in falscher Anordnung auf dem Feld stehen. Was schon deutlich hinter Phil Foden beginnt.

Declan Rice hat bei Englands mühsamem, aber erfolgreichem EM-Auftakt gegen Serbien phasenweise alles abgeräumt, was vor der englischen Abwehr abzuräumen war. Dass die Three Lions aber mit Ball kaum dauerhafte Kontrolle bekamen – daran hat sich gegen Dänemark nichts geändert -, hat auch mit Arsenals Rekordtransfer zu tun.

Dass Rice, der das für Southgate in erster Linie spielen soll, kein Toni Kroos oder Rodri ist, die das Spiel ihrer Mannschaften mit Geduld und Übersicht orchestrieren und organisieren, hat sein Vereinstrainer Mikel Arteta längst erkannt. Dieser hatte Rice während der abgelaufenen Saison von der Sechs auf die Acht gestellt, wo er dynamischer und vertikaler spielen, auch mehr die Tiefe attackieren konnte. Wo er also das tun konnte, was ihm bei eigenem Ballbesitz deutlich besser liegt als eine kontrollierende Funktion im Sechserraum.

Ein Experiment gegen Slowenien?

Auch wenn der anvisierte Gruppensieg noch nicht sicher ist – im letzten Gruppenspiel am Dienstag (21 Uhr, LIVE! bei kicker) geht es gegen Slowenien -, sollte Southgate dieses womöglich dafür nutzen, zwei Spieler auszuprobieren, die natürlich noch lange nicht die Erfahrung von Kroos oder Rodri haben. Aber eher deren Organisationstalente als Rice.

Kobbie Mainoo von Manchester United ist erst 19, kann nur 24 Premier-League-Einsätze und vier Länderspiele vorweisen. Er hat schon vielversprechende Ansätze gezeigt, jedoch auch die Tendenz, mit Ball am Fuß manchmal zu sehr das Risiko zu suchen, den sehr direkten Weg nach vorne. Geeigneter könnte Adam Wharton von Crystal Palace sein. Ein Linksfuß, immerhin schon 20, aber sogar nur mit 16 Liga-Partien und einem Länderspiel. Doch mit genau den Fähigkeiten, die die Three Lions aktuell so gut gebrauchen können.

Es wäre etwas Neues, Frisches, sicherlich auch Gewagtes, was sich Southgate trauen müsste, um die Spiele auf dem Weg zum geforderten Titel für England ein bisschen entspannter, ein bisschen kontrollierter werden zu lassen. Weshalb einem momentan die Fantasie fehlen kann, dass der 53-Jährige das auch wirklich ausprobiert. Wobei er noch am Donnerstag offen von “Experimenten” im Mittelfeld sprach – und zugab, dass dort noch nicht alles so läuft, wie sich Englands Nationaltrainer das vorstellt.

Rice müsste Southgate – das würde wohl Trent Alexander-Arnold treffen – nicht mal absägen. Dieser könnte, wie bei Arsenal mit Jorginho, einfach neben einem Wharton spielen. Eben etwas offensiver und vertikaler ausgerichtet. “Win-win”, würde der Engländer sagen – sollte sich Southgate ein bisschen von “not lose” distanzieren können.