Cans On-Off-Beziehung: “Hoffe, der Freitag war erst der Anfang”

Cans On-Off-Beziehung: “Hoffe, der Freitag war erst der Anfang”

Ein wenig Verblüffung war Emre Can selbst am Sonntagmittag auf dem Podium im Pressekonferenzraum im “Home Ground” noch anzumerken, als er über die letzten Tage referierte. Aus dem Urlaub in die Torschützenliste bei der Heim-EM – für den 30-jährigen BVB-Kapitän “eine echt krasse Story”.

EM statt Urlaub: Emre Can.

EM statt Urlaub: Emre Can.

picture alliance/dpa

Der Traum vom Heimturnier war für Emre Can eigentlich ausgeträumt. In der Endphase unter Ex-Bundestrainer Hansi Flick war er eine feste Größe im Nationalteam, in Julian Nagelsmanns erstem Kader im Oktober des vergangenen Jahres aber nicht mehr vertreten. Und bis zum Mittwoch gar nicht mehr dabei.

Da saß er mit seiner Frau zu Hause am Frühstückstisch, “als Julian anrief. Erst hab ich den Anruf verpasst, dann hat er eine WhatsApp geschickt, ich hab sofort zurückgerufen, dann ging er nicht ran. Als er dann wieder zurückrief, hat er mich gefragt, ob ich Bock habe.” Can hatte Bock, natürlich. Und kann das Grinsen nicht verbergen, während er über das Zustandekommen seiner Nachnominierung nach dem Ausfall von Aleksandar Pavlovic spricht.

Vergessen ist der Ärger über die Nichtnominierung des Bundestrainers in den Monaten zuvor (“Julian hatte halt eine andere Idee, aber ich muss ehrlich sein, ich habe im ersten Halbjahr in Dortmund auch nicht so performt”) und der Frust über das verlorene Champions-League-Finale vor zwei Wochen gegen Real Madrid (0:2). “Das war ein harter Schlag, ich hatte danach zehn Tage Urlaub und wirklich keinen Sport gemacht und viel gegessen.” Der Effekt: “Das hat mir richtig gut getan, ich habe komplett abgeschaltet.”

Mental tat es mir total gut, mal so richtig runterzufahren.

Als Dänemark 1992 wegen des damaligen Krieges in Jugoslawien aus dem Urlaub für die Europameisterschaft in Schweden “nachnominiert” wurde und ohne Vorbereitung zum Titel gestürmt ist, war Can noch nicht auf der Welt. Als er Sonntag damit konfrontiert wurde, gestand er: “Die Story kenne ich nicht.”

Parallelen erkennt er sehr wohl: “Mental tat es mir total gut, mal so richtig runterzufahren.” Probleme, wieder hochzufahren, offenbart er keine. Nach einem lockeren Training am Donnerstag, dem Kurzeinsatz samt Torerfolg beim 5:1 gegen Schottland folgte am Samstag eine erste intensive Einheit, und auch nach dieser sagt der Mittelfeldabräumer: “Ich habe mich gut gefühlt.”

Seine DFB-Karriere, die in der U 14 begann und ihn durch alle Nachwuchsteams bis hoch in die A-Mannschaft führte, nennt er “eine On-Off-Beziehung. Ich weiß, dass ich oft abgeschrieben wurde. Aber ich bin ein Typ, der immer an sich glaubt. Auch, als Julian mich im Oktober nicht eingeladen hatte, habe ich gedacht, ich werde zurückkommen und es allen beweisen.”

Nur die Heim-EM hatte Can zumindest zuletzt nicht mehr in seinen Planungen vorgesehen. Am Samstag hatte seine Frau Geburtstag. Ursprünglich sollte es zu diesem Anlass nochmal auf Reisen gehen. “Wir wollten eigentlich in Spanien sein, der Plan war komplett anders.” Der Familienfrieden indes ist nicht in Gefahr durch die veränderte Reiseroute des gebürtigen Frankfurters, der zum Gruppenfinale gegen die Schweiz sogar in seiner Heimatstadt ran darf. “Es war alles anders gedacht, aber meine Frau ist sehr, sehr glücklich.” Can selbst auch: “Statt im Urlaub bin ich jetzt bei der Heim-EM – ich bin unbeschreiblich dankbar. Und ich hoffe, der Freitag war erst der Anfang.”

Sebastian Wolff