“Die ständigen Hinweise auf das Sommermärchen 2006 langweilen”

Andreas Möller wurde 1996 mit der DFB-Auswahl Europameister in England. Für den kicker schreibt er die EM-Kolumne. Der 56-Jährige ist hoffnungsvoll, jedoch bereiten ihm die zahlreichen vergebenen Chancen noch Kopfschmerzen.

Europameister 1996: Andreas Möller mit der Trophäe.

Europameister 1996: Andreas Möller mit der Trophäe.

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Von Andreas Möller

Wir sollten optimistisch und selbstbewusst in die Heim-EM gehen. Die ständigen Hinweise auf das “Sommermärchen 2006” langweilen. 18 Jahre später ist die Welt eine andere. Und jedes Turnier schreibt ohnehin seine eigene Geschichte. Die Art und Weise der Spiele in diesem Jahr gibt mir die Hoffnung, dass der Funke überspringen wird. Klar, dafür muss der Start gegen Schottland in einer Woche erfolgreich sein, dann werden die Fans voll abgehen. Auch wenn die drei letzten Turniere von der Nationalelf in den Sand gesetzt worden sind: Deutschland steht immer im Kreis der Favoriten, besonders bei dieser EM im eigenen Land. Natürlich muss die Mannschaft alles erspielen und erkämpfen, da sind wir auf einem guten Weg.

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EP03: Sete a um

32:29 Minuten

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Julian Nagelsmann hat aus den Erkenntnissen der ersten Länderspiele nach seinem Amtsantritt im September 2023 noch rechtzeitig die richtigen Entscheidungen getroffen. Die Aufgabenverteilung ist klar geregelt und von den Spielern akzeptiert, die Tendenz zu einer nunmehr gewollten Hierarchie ist mehr und mehr erkennbar. Auf diesem Weg hat er nicht stur an einer Idee festgehalten, war hellhörig und hat sich mit Sicherheit selbst reflektiert. Und erkannt, dass die Mannschaft ein anderes Gesicht benötigt.

Mit dem Comeback von Toni Kroos hat er genau den richtigen Nerv getroffen. Er hat diesem Weltklasse-Mittelfeldspieler schmackhaft gemacht, bei dieser EM vorbehaltlos die Führungspersönlichkeit der Mannschaft zu sein, auch Kapitän Ilkay Gündogan zähle ich als verlängerten Arm des Trainers dazu. Diese beiden Leader dürfen nicht ausgewechselt werden, auch schwächere Phasen im Spiel müssen zugestanden werden.

“Mittelstädt hat voll eingeschlagen”

Antonio Rüdiger, Jonathan Tah und Robert Andrich können jedem Top-Spieler den Zahn ziehen. Mit Maximilian Mittelstädt hat er einen klassischen Linksverteidiger dazugenommen – zur Überraschung vieler Experten. Der Junge hat voll eingeschlagen. Joshua Kimmich, Leroy Sané und Kai Havertz bringen geballte internationale Erfahrung ein, Florian Wirtz kann nach seiner fantastischen Saison mit Meister und Pokalsieger Bayer Leverkusen einer der ganz großen Stars dieser EM werden. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass wir in den Gruppenspielen gegen Schottland, Ungarn und die Schweiz spielbestimmend sein werden und uns letztendlich durchsetzen.

“Die zahlreichen vergebenen Chancen bereiten mir noch Kopfschmerzen”

Leichte Kopfschmerzen bereiten mir noch die zahlreichen Chancen, die wir für einen Torerfolg benötigen. Eben auch nach dem 0:0 gegen die Ukraine am Montag. Da waren Tore überfällig – und wurden nicht erzielt. Das weckte Erinnerungen an das erste deutsche Spiel gegen Japan bei der WM in Katar, das wir lange Zeit dominiert hatten. Aber wir vergaben Torchancen en masse, verloren 1:2. Das war der Anfang vom Ende beim Aus nach der Gruppenphase. Trotz leichter Kopfschmerzen glaube ich: Geschichte wiederholt sich nicht!