Ancelotti offen: “Dieses Spiel ist das gefährlichste”

Ancelotti offen: “Dieses Spiel ist das gefährlichste”

Menschenkenner und Menschenfänger: Real Madrids Trainer Carlo Ancelotti gibt vor dem Finale gegen Borussia Dortmund Einblick in die Fußballerseele.

Voller Fokus auf den BVB: Real-Coach Carlo Ancelotti.

Voller Fokus auf den BVB: Real-Coach Carlo Ancelotti.

imago images

Aus Wembley berichtet Jörg Wolfrum

Gleich mit einer Klarstellung rund um eine Personalie begann Carlo Ancelotti die Pressekonferenz am Vortag des Finales der Champions League gegen Borussia Dortmund. “Courtois spielt.” Thibaut Courtois also, der sich im Sommer einen Kreuzbandriss zugezogen hatte und im März eine Meniskusverletzung.

Nun aber steht der Belgier im Tor, nach nur vier Pflichtspielen in dieser Saison. Nummer 1 ist eben Nummer 1, aber der Coach hatte Courtois in diesen Wochen ja auch weiterhin als den “weltbesten Torhüter” gelobt. Aber dass Courtois spielen würde, hatte sich ohnehin in den vergangenen Wochen abgezeichnet – der Infekt von Andriy Lunin beseitigte letzte Restzweifel.

Ancelotti gab sich gewohnt cool vor dem Finale, er hat ja auch schon einige erlebt, zweimal als Spieler mit Milan gewonnen, viermal als Trainer gesiegt, je zweimal mit Milan und Real Madrid, mit den Königlichen 2014 und 2022. Wobei das Spiel gegen den BVB dennoch auch für ihn etwas Besonderes ist, das gab er zu: “Aus zwei Gründen. Der erste ist, weil dieses Spiel das wichtigste der Saison ist. Und der zweite, weil es an einem historischen Ort gespielt wird.” Keine Scherze wie man das so oft hört von ihm, volle Konzentration, das gab der Coach vor.

Wir sind davon besessen, uns zu messen.

Carlo Ancelotti

“Ein Finale ist das wichtigste Spiel, aber auch das gefährlichste. Man muss es genießen, hier zu sein, und das werden wir auch tun. Wir sind davon besessen, uns zu messen.” Auf die Frage, inwieweit der Ausgang des Spiels das Saisonfazit beeinflusst, Real wurde ja schließlich Meister, mit zehn Punkten Vorsprung auf den FC Barcelona, ließ Ancelotti keine Zweifel aufkommen: “Die Saison war bereits sehr erfolgreich, egal, was passiert.”

Seine Aufgabe dabei, dass es klappt: “Den Spielern klare Vorstellungen zu vermitteln. Ich werde so direkt wie möglich sein. Je direkter ich bin, desto weniger nervös wird die Mannschaft sein.” Das sei das Wichtigste. “Die Emotionen werden später kommen.”

“Auf dem Weg hierher aufgeopfert”

Die berühmte Anspannung, Lampenfieber, Angst gar, die man auch nach zig großen Spielen nicht verlieren sollte: “Sie ist ein wichtiger Bestandteil einer guten Leistung, das müssen wir wissen. Wir haben die Qualität und haben uns als Mannschaft auf dem Weg hierher aufgeopfert. Beides wird auch im Finale der Schlüssel zum Erfolg sein.”

Der Italiener zeigte sich in Wembley als Menschenkenner und Menschenfänger zugleich. Beides essenziell, Erfolg zu haben, gerade über so viele Jahre hinweg. Der 64-Jährige erklärte: “Da ist auch die Sorge, dass etwas schief gehen könnte. Man spürt, dass der Sieg zum Greifen nahe ist, und man hat Angst, dass er einem entgleitet. Jeder von uns lebt das auf seine Art. Wenn man ein Finale erreicht, hat man das Gefühl, dass der Erfolg sehr nahe ist, und man beginnt sich Sorgen zu machen. Man macht sich viele Sorgen und hat Angst. Aber wenn man diese Angst überwindet und gewinnt, ist man umso glücklicher.”

Madrids späte Tore: “Kann kein Zufall sein”

Oft hat ja gerade sein Real Madrid Spiele sehr spät entschieden, zuletzt im Halbfinale gegen Bayern München, davor gegen Manchester City im Elfmeterschießen, 2022 in magischen Nächten gegen Paris, Chelsea und ebenfalls City. Oder, natürlich, 2014 im Finale gegen Atletico Madrid. Zufall alles? “Dieser Klub hat etwas Besonderes, so viele Male kann das kein Zufall sein. Vielleicht ist es die Geschichte, die Tradition, die Qualität … Ich weiß es auch nicht, aber es ist schon so oft passiert und das bedeutet, dass es kein Zufall sein kann.”

Ein bisschen lustig war er dann aber trotz aller Anspannung doch noch. Auf die Frage, was der Unterschied zu dem Ancelotti vor zehn Jahren sei, scherzte der Ancelotti des Jahres 2024: “Ich bin zehn Jahre älter. Aber ich fühle mich immer noch jung.”

Und falls es einer nicht glauben mochte, denn der Coach wird in gut einer Woche ja 65: “Das ist wahr.” Er habe viel hinzugelernt seit 2014, seinem ersten Finale mit den Königlichen. Daher ist er sich auch sicher: “Diese Generation ist in der Lage, Großes zu leisten … und es gibt immer noch Spieler, die vor zehn Jahren dabei waren. Es ist unglaublich, wenn man darüber nachdenkt.” Einer der damals dabei war: Luka Modric, der Kroate, der im Herbst 39 Jahre alt wird und offenbar doch noch ein weiteres Jahr bei den Madrilenen anhängen wird. Aber das ist eine andere Geschichte.