Gunners: Kein Futter für die Kanonen

Gunners: Kein Futter für die Kanonen

Der FC Arsenal leckt nach dem 0:1 in München seine Wunden. Unterm Strich war das Ausscheiden gegen den FC Bayern im Champions-League-Viertelfinale verdient. Die Gründe – und woran man schrauben muss.

Hängengeblieben: Bukayo Saka verabschiedet sich mit den Gunners aus der Königsklasse.

Hängengeblieben: Bukayo Saka verabschiedet sich mit den Gunners aus der Königsklasse.

IMAGO/Oryk HAIST

Bukayo Saka wollte nichts sagen, so wie die meisten seiner Kollegen. Mit hängendem Kopf und leerem Blick verließ der englische Nationalspieler die Mixed-Zone der Münchner Arena. Immerhin: Den Selfie-Wunsch eines Fans erfüllte er dann doch noch und zwang sich zu einem halbwegs schiefen Lächeln.

Dann schlich er weiter in Richtung Ausgang, und dabei werden ihm, wie vielen Arsenal-Profis in dieser Nacht, vielleicht ähnliche Gedanken durch den Kopf gegangen sein: Warum sind wir ausgeschieden, warum blieben wir fast alle unter unseren Möglichkeiten? Wie geht’s weiter?

CL-VIERTELFINALE – RÜCKSPIELE

Ob er nun wirklich darüber reflektiert hat oder nicht, wird sein Geheimnis bleiben. Naheliegend wäre es, und da begeben wir uns doch dann mal mit auf Antwortsuche.

Arsenal schied aus, weil es seine Stärken nicht auf den Platz bekam

Was oft als die banalste aller Erklärungen angebracht wird, gilt auch diesmal, und doch ist die Erkenntnis dahinter, dass der Gegner ein Tor mehr schoss, in dem Fall aussagekräftig. Denn Bayern erzielte ja auch nur eines, das von Joshua Kimmich, per Kopf. Arsenal also blieb ohne Treffer, im zweiten Durchgang quasi ohne echte Torchance und verkörperte vor allem nicht das Team, das in der Premier League als Tabellenzweiter noch im Meisterrennen mitwirkt.

Arsenal schied aus, weil es seine Stärken nicht auf den Platz bekam: Das Gegenpressing war nur halbherzig, Eins-gegen-eins-Situationen wurden nicht mutig genug umgesetzt, Angriffsmuster, wie sie schon x-mal zum Erfolg geführt haben, zum Beispiel mit Quer- oder Rückpässen in den Strafraum und Richtung Elfmeterpunkt als finale Vorlage, fanden kaum statt und wenn, dann vergab man kläglich (Gabriel Martinelli). Hinsichtlich ihrer Angriffsleistung hatten die Gunners nur Kanönchen auf dem Platz, mit denen sie aber nicht mal Spatzen erschreckt hätten.

Und weil quasi jeder Einzelne nicht an seine Bestform heranreichte, fand man gegen die leidenschaftlich verteidigenden Bayern keine Lösungen und wirkte überrumpelt, als die Gastgeber nach der Pause forscher wurden und ihre beste Phase mit dem Tor des Tages krönten.

Saka wird von Mazraoui und Guerreiro abgemeldet

Saka selbst hatte am Mittwoch keine Torschussbeteiligung – das passierte ihm, wenn er durchspielte, in der Champions oder Europa League zuvor nie und in der Premier League zuletzt vor dreieinhalb Jahren beim 0:3 gegen Aston Villa. Der Linksfüßer wurde vom Rechtsfüßer Noussair Mazraoui zugestellt, dem wiederum Raphael Guerreiro zum Doppeln zu Hilfe eilte, was mit Ausnahme eines Schnittstellenpasses in der Anfangsphase auch gut klappte.

Gabriel Martinellis Fehler-Hattrick

Arsenals Coach Mikel Arteta war nach dem Spiel natürlich bitter enttäuscht, sprach davon, dass “Fehler in der Champions League bestraft werden”, und wird dabei vor allem an Gabriel Martinelli gedacht haben, der vor dem entscheidenden Gegentreffer gleich einen Fehler-Hattrick hinlegte. Zunächst übte er keinen Druck auf den ballführenden Kimmich aus, stand aber gleichzeitig so schlecht, dass er Leroy Sané entwischen lassen musste, um dann abzuschalten und den Laufweg Kimmichs erst wieder aufzunehmen respektive zu registrieren, als es zu spät war. Die Ironie an der Sache: Tempo ist einer der Gründe, warum der Brasilianer meistens in der Startelf steht, hier ließ er es gedanklich und physisch vermissen.

Dass der FC Arsenal ausgeschieden ist, zum fünften Mal übrigens gegen Bayern, ist weder eine Schande noch ein Drama. Schließlich stand der Klub zuletzt vor 15 Jahren in einem Halbfinale, das er auch diesmal verpasste. Doch Arteta hat die Londoner überhaupt erst wieder in den internationalen Fokus geführt. Allerdings wird er auch registriert haben, welch wechselhafte Saison der FC Bayern spielte, insofern weiß man nicht, wann die Chance auf die Runde der letzten vier wieder so groß sein wird. In der Entwicklung dürfte das Ausscheiden den Klub und das Team nicht umwerfen. Der Champions-League-Sieg war keine Pflicht, doch man muss auch Erkenntnisse ziehen: dass es auswärts so nicht reicht, schon in Porto verlor man. Dass es Verstärkungen im Tor, auf den Außenverteidigerpositionen und auf der Sechs braucht – auch ein klasse Spieler wie Jorginho wird nicht jünger, hatte öfter Mühe, Jamal Musiala zu folgen.

Und dann ist da noch die Frage nach dem Gesamtkonstrukt. Declan Rice wird (in Deutschland) als super Holding Six gefeiert, spielt aber Achter, wozu ihm eigentlich Esprit fehlt. Kai Havertz ist ein laufstarker, spielstarker und torgefährlicher Achter, spielt aber Mittelstürmer. Das klappt zuweilen, ja, aber er ist kein Neuner wie Harry Kane oder Niclas Füllkrug. Und so ging auch der deutsche Nationalspieler in München mit unter. Gabriel Jesus ist ein spielender Neuner, zuweilen zu verschnörkelt, kein konstant starker Torjäger.

Schon drei Titelchancen verspielt

Arsenal hat drei Titelchancen verspielt, im League Cup früh bei West Ham, im FA Cup gegen Liverpool daheim und nun in der Königsklasse in München. In der Premier League sind Manchester City und der FC Liverpool zwei Rivalen um den Titel, die nicht nur mit Blick auf die laufende Europacuprunde schwächeln. Im Gegensatz zu City haben es die Gunners nicht selbst in der Hand, Meister zu werden, aber die Chancen sind noch da.

Im Vorjahr vergaben sie einen großen Vorsprung und eine riesige Möglichkeit, diesmal hielten sie sich erneut nicht ganz oben. Ist Arsenal also kein Team, kein Klub mehr für den Punch, das Aufblühen, wenn es um Pokale geht? Ein Team, dem es nicht an spielerischer Klasse, aber an mentaler Robustheit fehlt? Der Gedanke konnte einem schon kommen am Mittwoch in der Arena. Vielleicht spukte er ja auch durch Sakas Kopf.

Thomas Böker