Gabriels Hand-Aufnahme, Saka gegen Neuer, Kanes Ellenbogen: Wagner ordnet ein

Gabriels Hand-Aufnahme, Saka gegen Neuer, Kanes Ellenbogen: Wagner ordnet ein

Gabriel nimmt einen Abstoß mit der Hand auf – Strafstoß oder nicht? DFB-Regelexperte Lutz Wagner ordnet im kicker den großen Aufreger nach dem 2:2 zwischen Arsenal und dem FC Bayern ein, wie auch zwei andere knifflige Szenen.

Im Emirates immer wieder im Mittelpunkt: Schiedsrichter Glenn Nyberg.

Im Emirates immer wieder im Mittelpunkt: Schiedsrichter Glenn Nyberg.

IMAGO/Shutterstock

Von Lutz Wagner

Zunächst zu den Fakten: In der 67. Minute führt Arsenals Torwart David Raya einen Abstoß nach vorherigen Auswechslungen kurz aus, passt zu seinem Innenverteidiger Gabriel. Der nimmt den Ball, offenbar irritiert vom Pfiff des Schiedsrichters Glenn Nyberg, mit der Hand auf, legt ihn zurück auf die Fünfmeterraumlinie. Gabriel führt erneut einen kurzen Abstoß aus, passt zurück zu Raya, dabei ertönt ein kurzer Doppelpfiff. Nyberg bedeutet Raya dann, dass er weiterspielen kann.

Dieser Fall ist nicht nur kurios, sondern auch ein absoluter Sonderfall, denn generell wird ein Abstoß nicht angepfiffen. Es gibt aber wenige Ausnahmen, wie zum Beispiel in diesem Fall nach einer zuvor erfolgten Auswechslung, wo dies regeltechnisch so vorgesehen ist.

Sehr unglücklich – und für alle Beteiligten auch verwirrend – setzte der Schiedsrichter den Pfiff jedoch so knapp und unmittelbar vor die Ausführung von Raya, dass die Spieler, vor allem Gabriel, durchaus annehmen konnten, der Schiedsrichter habe seine Freigabe korrigiert. Bei genauem Hinsehen ertönt der Pfiff während Rayas Schussbewegung: Sein Standbein setzt er mit dem Pfiff ab, anschließend trifft sein Fuß den Ball beim Pass auf Gabriel.

“Kinderfehler?” Das ist eine unpassende Begründung

Mit Sicherheit war dies sehr unglücklich, aber wenn der Schiedsrichter der Meinung ist, er habe die Spieler mit einem normalerweise nicht üblichen Pfiff so zeitnah zu der Ausführung irritiert und lässt deshalb eine Wiederholung zu, ist das durchaus verständlich. Wenn er einen Strafstoß gegeben hätte, wäre das streng nach der Regel durch die zeitliche Abfolge – die Ausführung des Abstoßes erfolgte unmittelbar nach dem Pfiff – regeltechnisch auch nicht zu beanstanden gewesen.

Es war in jedem Fall keine glückliche Situation für den Schiedsrichter, für die er aber im Sinne des Spiels aus meiner Sicht noch eine praktikable Lösung gewählt hat, keinen Strafstoß zu geben. Optimal wäre gewesen, wenn er in dieser Szene deutlicher kommuniziert hätte, dass er das unglückliche Timing seines Pfiffes auf sich nimmt und eine neue Ausführung des Abstoßes gestattet.

Die von den Thomas Tuchel und einigen Bayern-Spielern überlieferte, angebliche Begründung des Schiedsrichters auf dem Platz, es handele sich um einen “Kinderfehler”, den er im Champion-League-Viertelfinale nicht pfeife, war, wenn diese Worte so gefallen sind, unpassend. Er hätte klarmachen müssen, dass er einen unglücklichen Pfiff getätigt und deshalb die wiederholte Ausführung zugelassen hat.

Wann Rot für Kane berechtigt gewesen wäre

Proteste aus dem Arsenal-Lager gab es dann vor allem kurz vor Spielende, nach dem Zweikampf von Bukayo Saka gegen Manuel Neuer im Bayern-Strafraum. Zweikämpfe sind per se Auslegungssache. In diesem Fall passte es zur insgesamt großzügigen Linie von Nyberg, keinen Strafstoß zu geben. Dafür hat er auch gute Argumente. Neuer bewegt sich zwar auf den Arsenal-Stürmer zu, stellt sein Bein aber ab, bevor es zum Zusammenprall der Beine kommt. Es ist eher Saka, der den Kontakt mit dem gegnerischen Bein sucht. Es ist sicher eine diskutable Szene, sie nicht mit Strafstoß zu ahnden, ist aus geschilderten Gründen aber durchaus vertretbar.

Abschließend noch eine Einschätzung zur Gelben Karten für Harry Kane, der Arsenals Gabriel beim Rückwärtslaufen mit dem Ellenbogen im Gesicht getroffen hat. Kane schaut beim hohen Ball zwar kurz, wo der Gegner steht, sucht mit dem Rücken zu ihm stehend den Kontakt zu ihm und trifft ihn dann deutlich mit dem Ellenbogen im Hals-Kopf-Bereich. Da er aber keine deutliche Schlagbewegung ausführt, nutzt er seinen Ellenbogen regelwidrig nur als Werkzeug, wie es schiedsrichterfachlich heißt. Für ein solches Vergehen ist Gelb vorgesehen. Hätte Kane mit seinem Ellenbogen einen klaren Schlag ausgeführt, hätte er ihn als Waffe benutzt und Rot kriegen müssen.