Der Klassiker des FC Bayern

Der Klassiker des FC Bayern

Der FC Bayern wird 2024 nicht deutscher Meister werden. Über ein Team, das sich sehr oft hinterfragen muss.

Zwei freie Tage dürfen die Spieler des FC Bayern am Sonntag und Montag genießen oder ertragen - je nachdem.

Zwei freie Tage dürfen die Spieler des FC Bayern am Sonntag und Montag genießen oder ertragen – je nachdem.

IMAGO/MIS

Ganz ehrlich … Das war ein bisschen abzusehen.

Es war abzusehen, dass die Bayern genau dann wieder gegen Dortmund verlieren, wenn im Vorfeld nur gescherzt wird, wie oft die Dortmunder wohl dieses Mal das Yabbadabbadoo-Gejodel in der Allianz-Arena ertragen müssen. Weil die Bayern ja sowieso immer gegen Dortmund gewinnen und die Dortmunder ja sowieso immer in München untergehen.

Aber das ist die Geschichte des FC Bayern der letzten Jahre.

Wenn gerade alles gut läuft und Harry Kane für ein 55-Meter-Tor bei einem 8:0 gegen Darmstadt gefeiert wird, fliegen die Bayern danach bei einem Drittligisten aus dem Pokal.

Wenn sie Dortmund herspielen und die Champions-League-Gruppenphase mal wieder ungeschlagen als Erster beenden, fangen sie sich danach fünf Gegentore in Frankfurt.

Wenn sie den Jahresauftakt gegen Hoffenheim gewinnen und vier Tage lang in der südportugiesischen Sonne zusammen padeln und golfen, gewinnt Bremen plötzlich das erste Mal seit sechzehn Jahren in München.

Erklärungen für diesen körperlosen Auftritt fand keiner

Und wenn Thomas Tuchel vor seinem letzten Klassiker als Bayern-Trainer dann sagt, dass “wir aktuell sehr überzeugt von uns sind”, hätten die Alarmglocken schrillen müssen.

Als Leon Goretzka am Samstagnachmittag im Trainingsanzug den Rasen der Arena betrat und Richtung Mittelkreis schlich, durfte er darüber nachdenken, wie es wohl wäre in der Saisonendphase, wenn die Leverkusener jetzt tatsächlich gegen Hoffenheim verlieren und seine Bayern dann wie immer gegen Dortmund gewinnen würden. Das wären ja dann nur noch sieben Punkte Rückstand bei sieben Spielen. Und wer weiß?

Als Goretzka gerade den Rückweg Richtung Kabine antrat und sein Smartphone öffnete, hatte sich diese Rechnung schon wieder erledigt. “Ein kleiner Stimmungsdämpfer” sei dieser neuerliche Last-Minute-Sieg von Bayer 04 gewesen, wie Thomas Tuchel zugab, vor diesem Spiel gegen Dortmund, das Max Eberl später als “German Clasico” betitelte, “wie man so schön sagt”.

Was für ein Stimmungsdämpfer der eigene Auftritt dann wohl war? Erklärungen fand jedenfalls wieder mal keiner für diesen körperlosen Auftritt gegen eine Dortmunder Mannschaft, die sich beileibe nicht bis an die Decke strecken musste.

In welcher Welt reichen diese drei Siege, um “sehr überzeugt” von sich zu sein?

Die Energie habe gefehlt, sagte Sven Ulreich zum Beispiel mehrmals. Und Sportvorstand Eberl rechnete vor, dass man “natürlich den nächsten Trainer rauswerfen” könne und “wieder den nächsten Trainer” und “wieder den nächsten Trainer”. Aber irgendwann dürfe man ja auch mal anfangen, “die Jungs auf dem Platz zu fragen”, was um alles in der Welt sie da eigentlich machen.

In welcher Welt reichen drei Siege gegen den Tabellenneunten der Serie A, gegen den Tabellensechzehnten Mainz und gegen den Tabellenletzten Darmstadt, um wieder “sehr überzeugt” von sich zu sein? In welcher Welt gewinnt Leverkusen seine Spiele denn “dreckig”, wie es Ulreich sagte? Und in welcher Welt verlangt ein Alphonso Davies noch mehr Geld und noch mehr Geld, wenn es seine Leistungen noch weniger und noch weniger rechtfertigen?

Einzelne rauszupicken ist immer unfair, deshalb sagte Ulreich am späten Samstagabend auch sicherheitshalber siebenmal, dass die Mannschaft und jeder einzelne sich jetzt “hinterfragen” müsse, während die Schweißperlen langsam unterm Haaransatz hervorblitzten.

Der FC Bayern ist in der Rückrunde nicht mal das beste Team aus Bayern

Zwei freie Tage dürfen die Spieler des FC Bayern am Sonntag und Montag genießen oder ertragen, je nachdem. “Da hat jeder nochmal ein bisschen Zeit, sich Gedanken zu machen”, findet Joshua Kimmich. “Wir sollten die zwei Tage auch wirklich nutzen, dass sich jeder auch ein bisschen selbst hinterfragt, ob das heute alles war. Ich bin der Meinung, dass es das nicht war, dass wir so nicht auftreten können.”

Statt sieben sind es jetzt dreizehn Punkte Rückstand auf den kommenden Meister Bayer. Und während Kimmich “der Letzte” ist, “der irgendwas aufgibt”, schickt Tuchel schonmal Glückwünsche nach Leverkusen. Kann er auch. Leverkusen müsste ja von den verbleibenden sieben Spielen nicht nur mindestens fünfmal patzen, die Bayern müssten diese Patzer dann auch nutzen.

Der FC Bayern sieht sich zwar am liebsten immer vorne, immer und überall und in jeder Tabelle, ob in der Bundesliga oder bei den B-Junioren. Aber die Wahrheit ist, dass der FC Bayern in der Rückrundentabelle nicht mal das beste Bundesliga-Team aus Bayern ist. Das ist der FC Augsburg. Und der hat an diesem Spieltag noch nicht mal gespielt.

Mario Krischel