Slomka im Interview: “Das war ein echter Nervenkrimi”

Slomka im Interview: “Das war ein echter Nervenkrimi”

Viermal stand der HSV in der Relegation – zweimal als Bundesligist, zweimal als Zweitligist. Vor dem Duell Fürth gegen den HSV am Ostersonntag blickt Mirko Slomka, der von Februar bis September 2014 Trainer der Hamburger war, auf die Relegations-Premiere der Norddeutschen gegen das Kleeblatt zurück, die sich 2024 zum zehnten Mal jährt.

Welche Erinnerungen haben Sie an die Relegation, Herr Slomka?

Sehr gemischte Gefühle. Wir hatten vor der Relegation fünfmal in Folge verloren. Dementsprechend sind wir nicht mit ganz breiter Brust in die Duelle mit Fürth gegangen. Insbesondere das Heimspiel war ein echter Nervenkrimi. Das war ein ziemliches Auf und Ab. Fürth hatte schon ein paar ganz gute Möglichkeiten. Wir mussten vorher schon ein paar Dinge verkraften, vor allem den Ausfall von Torwart Rene Adler, wobei Jaroslav Drobny das in beiden Spielen super gemacht hat – sehr souverän, sehr cool.

Wie war die Stimmung vor dem Hinspiel?

Wir hatten natürlich ein volles Haus und waren voller Euphorie, aber doch innerlich verunsichert. Das habe ich gespürt, das hat die Mannschaft gespürt, das haben die Fans gespürt. Nach dem Hinspiel waren wir in der Kabine mit dem 0:0 eigentlich einverstanden, weil wir gesagt haben: Okay, es ist jetzt nichts passiert. Wir waren froh, dass wir kein Gegentor kassiert haben. Und wir konnten uns nach dem Hinspiel noch intensiver mit Fürth beschäftigen, weil wir dann ja schon einmal gegen sie gespielt hatten. Das hat die Sache dann ein bisschen vereinfacht.

Was zu Beginn des Rückspiels auch direkt zu sehen war, als Ihre Mannschaft gut loslegte und in der 14. Minute in Führung ging.

Sowohl die Spieler als auch wir im Trainerteam hatten nach dem Hinspiel eine viel bessere Einschätzung, was uns eigentlich erwartet. Das Tor von Pierre-Michel Lasogga hat uns natürlich auch noch mal ganz große Sicherheit gegeben. Allerdings haben wir in beiden Spielen die Stabilität vermissen lassen, wie auch schon die ganze Saison zuvor.

Da streut man Gefühle in die Umwelt und fragt sich hinterher: Was hast du da eigentlich gemacht?

Mirko Slomka

Wie groß war der Nervenkitzel gegen Ende der Partie? Fürth hatte in der 59. Minute durch Stephan Fürstner ausgeglichen.

In der Halbzeitpause wussten wir, dass es für Fürth nur noch nach vorne geht, dass sie alles riskieren werden, dass es auch ein Gegentor für uns geben kann. Und dass wir uns darauf einstellen müssen und dass wir das nervlich gut verarbeiten und im Kopf stark bleiben können. Das haben wir nach dem Ausgleich phasenweise noch ganz gut gemacht, ganz hinten raus hatten wir aber auch noch ein bisschen Glück, dass Fürth nicht noch das 2:1 geglückt ist. Es waren sehr, sehr viele Emotionen im Spiel, das hat man ja zum Beispiel auch bei dem Jubel von Lasogga nach dem Schlusspfiff Richtung Fürther Bank gesehen. Da streut man Gefühle in die Umwelt und fragt sich hinterher: Was hast du da eigentlich gemacht?

Wie groß war der innere Druck bei Ihnen, dass Sie nicht als derjenige Trainer in die Geschichte eingehen, der erstmals mit dem HSV aus der Bundesliga absteigt?

Ja, das hat man schon ein bisschen im Kopf, dass man jetzt nicht den Dino versenken will. (lacht) Wenn man die letzten fünf Saisonspiele nicht gewinnt, hat man schon innere Unruhe. Aber mit Oliver Kreuzer stand ein Sportdirektor an meiner Seite, der mir diese Ruhe gegeben hat. Ich kann mich gut erinnern an Carl-Edgar Jarchow, der damals Präsident war. Den fand ich großartig, diese Hamburger Art, die er ausgestrahlt hat, diese Ruhe, diese Gelassenheit. Er hat mir immer das Gefühl gegeben: Mach dir gar keine Sorgen, wir schaffen das auf jeden Fall, wir sind an deiner Seite. Oliver Kreuzer und Carl-Edgar Jarchow haben mich in dieser Phase extrem unterstützt. Das hat uns allen gutgetan, dass aus der vereinseigenen Blase kein zusätzlicher Druck vorhanden war. Den Druck hatten wir sowieso, auch wenn es innerhalb der Stadt mehr Unterstützung als Skepsis gab.

Haben Sie ein Beispiel dafür?

Ich kann mich an ganz viele Radiogeschichten erinnern, zum Beispiel beim NDR oder bei Radio Hamburg, wo es Zuhörer gab, die Botschaften für uns eingesprochen haben. Das hat uns auch noch mal Halt gegeben.

Der HSV hat mich damals echt sehr gefangen

Welche Überschrift würden Sie Ihrer Zeit beim HSV geben?

Zu kurz (lacht). Ich hatte mit Hannover und Schalke zwei Vereine, die sehr traditionell sind. Der HSV war dann ein weiterer Traditionsklub, genauso der KSC, wo ich später war. Der HSV hat mich damals echt sehr gefangen, weil die Begeisterung in der Stadt großartig war. Zudem war das Umfeld beim HSV sehr professionell. Ich finde die Stadt grandios und das Stadion nach wie vor fantastisch. Wir hatten hervorragende Trainingsbedingungen – deutlich besser als auf Schalke oder in Hannover. Vor den Heimspielen gab es damals ja noch die Hymne “Hamburg, meine Perle”, gespielt von Lotto King Karl und Carsten Pape auf dem Kran vor der Nordtribüne. Das fand ich natürlich auch großartig – die Atmosphäre war immer fantastisch. Wir hatten sehr, sehr viele Unterstützer.

Aber?

Es gab natürlich auch immer Störfeuer. Investor Klaus-Michael Kühne hatte sich ja zum Beispiel sehr kritisch gegenüber Oliver Kreuzer geäußert. Das hat mich sehr gestört. Und als Oliver Kreuzer dann entlassen wurde, wollte ich eigentlich mitgehen, weil er und ich waren und sind nach wie vor sehr eng miteinander befreundet. Gemeinsam mit Carl-Edgar Jarchow haben wir wahnsinnig eng zusammengearbeitet. Das hat mir alles große Freude bereitet.

“Das war für mich schockierend”

Wie blicken Sie auf Ihr Ende beim HSV zurück?

Da muss ich etwas ausholen. Ich hatte vor meiner Tätigkeit in Hamburg schon einmal engen Kontakt zum HSV. Damals war Dietmar Beiersdorfer Manager und hatte sich für Bruno Labbadia als Trainer entschieden, was völlig okay ist. Aber ich wusste zu dem Zeitpunkt, als Oliver Kreuzer weg und Dietmar Beiersdorfer zurück war, dass das echt schwierig werden würde. Dass für mich dann aber schon nach nur drei Spielen in der neuen Saison Schluss war, war für mich schockierend. Ich fand es sehr schade, aber nichtsdestotrotz war der HSV ein tolles Erlebnis.

Haben Sie noch Kontakte zum HSV?

Nicht mehr ganz so intensiv wie früher, aber es gibt immer noch gute Verbindungen dorthin. Ich bin auch öfter mal in Hamburg und würde mich total freuen, wenn der HSV wieder zurück in der Bundesliga wäre. Dann hätte ich über meinen Job bei Sky vielleicht auch wieder etwas mehr mit dem HSV zu tun.

Wie sehen Sie die aktuelle Lage beim HSV?

Zunächst einmal haben Sie mit der Verpflichtung von Steffen Baumgart eine sehr gute Trainerentscheidung getroffen, weil er wie sein Vorgänger Tim Walter auch ein verrückter Typ ist, aber noch mal eine andere Note, so eine begeisternde reinbringt – gemäß dem Motto: Wir sind ein Team, wir sind zusammen, wir sind auf einer Ebene. Bei Tim Walter hatte ich immer den Eindruck, er bringt so eine väterliche Note ein.

Wie schätzen Sie das Team ein?

Ich finde, dass die Mannschaft eines der Top-Teams der Liga ist, was das Personal angeht. Zumal in der Mannschaft besondere Typen sind: Zum Beispiel Laszlo Benes, den ich auch immer mal verpflichten wollte, Robert Glatzel finde ich super, mit Immanuel Pherai und Bakery Jatta hat die Mannschaft viel Tempo. Der HSV hat ein tolles Team, aber ich glaube, es geht für ihn erneut nur über die Relegation, weil St. Pauli schon zu weit weg ist und auch Kiel sehr stabil spielt. Doch auch Düsseldorf und Hannover haben für mich noch Chancen auf den Relegationsplatz.

“Der HSV wird in Fürth gewinnen”

Um zum Schluss noch mal auf Fürth und den HSV zu sprechen zu kommen: Wie geht das Spiel am Ostersonntag aus?

Wenn der HSV aufsteigen will und seine Position – also zumindest Platz 3 – festigen will, um von dort aus vielleicht sogar noch mal Druck nach oben zu machen, dann muss er in Fürth gewinnen. Und das wird er auch. Da bin ich mir ziemlich sicher.

Interview: Fabian Istel