Paderborns Manager Weber: “Ich mag es, mittelständisch zu arbeiten”

Der Zweitliga-Standort Paderborn bietet mit seiner Ruhe ein gutes Arbeitsumfeld – für die Macher wie für die Fußballer. Um weiterhin stabil in dieser Spielklasse bestehen zu können, bedarf es aber einiger Kreativität. Das weiß Sport-Geschäftsführer Benjamin Weber (40).

Wie fällt Ihre vorläufige Saisonbilanz für den SCP07 aus, Herr Weber?

Wir hatten im vergangenen Sommer einen Umbruch, der selbst für Paderborner Verhältnisse sehr groß und nicht wirklich gewollt war. Der Start war negativ und einige Dinge galt es zu hinterfragen, 27 Punkte aus der Hinrunde waren dann allerdings herausragend. Das war vielleicht nicht immer so schön anzusehen, aber wir haben immer einen Weg gefunden zu punkten. In der Rückrunde ist es deutlich attraktiver, uns zuzuschauen. Aber wir hatten in den vergangenen Wochen in einigen Momenten nicht das Spielglück. Der größte Verdienst war, dass wir schon ab März für die neue Saison in der 2. Liga planen konnten. Wenn wir das auch in den nächsten Jahren so angeboten bekämen, würden wir sofort einschlagen.

Paderborns Bilanz “fast herausragend”

Wird die Zweitliga-Abschlusstabelle mit Paderborn im gehobenen Mittelfeld ein authentisches Bild wiedergeben?

Das finde ich schon. Ich mag keine Momentaufnahmen mitten in der Saison, aber am Ende steht man meistens schon auf einem Platz, den man verdient hat. Das sehe ich auch für die Tabellenränder oben und unten so. Nach meinen frischen Eindrücken glaube ich nur, dass Hannover besser gespielt hat als es jetzt im Ranking dasteht. Elversberg hat eine überraschende Saison gespielt, aber da wird tolle, ruhige Arbeit gemacht. Es macht Spaß, zuzugucken, was da wächst. Wenn man bei uns Pech und Glück einberechnen könnten, hätten wir wahrscheinlich ein, zwei Punkte mehr, aber insgesamt ist es ein korrektes Bild und für den SCP07 sogar fast herausragend.

Woran machen Sie das fest?

Wir konnten einige, die aufsteigen wollten, ein wenig ärgern und haben für viel Unterhaltung gesorgt. Jetzt haben wir noch zwei Highlight-Spiele. Beim abschließenden in Rostock brauchen wir vielleicht einen Stahlhelm, auch wenn ich natürlich für jeden hoffe, dass dort alles ruhig bleibt. Jetzt am Freitagabend daheim gegen den Hamburger SV ist es ein absolutes Bonusspiel, bei dem man einfach nur gewinnen kann. Schon cool, daheim so einen Saisonabschluss zu haben.

Trotzdem schien zeitweise mehr drin, auch das Umfeld träumte zwischenzeitlich von Aufstiegschancen. Erklären Sie Ihren Realismus!

Wie gesagt: Der ungewollte, aber für uns ganz natürliche Umbruch musste erst einmal verarbeitet werden. Trotzdem so “safe” in der Liga zu bestehen, zeigt, dass wir im Verein auf allen Ebenen unsere Hausaufgaben gemacht haben. Das ist wichtig, weil wir auch nur so erfolgversprechend für die neue Saison planen können. Wir wollen nicht wieder so einen großen Umbruch haben, sondern mit einer besseren Basis starten. Die aktuellen Herausforderungen in einer immer stärkeren, immer engen zusammenrückenden Liga mit immer mehr großen Vereinen machen es einem SC Paderborn 07 nicht leichter.

Welche Herausforderungen waren das vor allem?

Zum Beispiel unsere U 21, künftig U 23, die nun als Aufsteiger in der Regionalliga die Klasse hält. Es ist für einen kleinen Verein nicht zu unterschätzen, das mitzutragen. Wir haben das gut gemeistert. Unsere Junioren-Bundesligamannschaften haben im A- wie im B-Jugendbereich eine sehr gute Rolle gespielt. Mit Mattes Hansen, Ilyas Ansah und potenziell auch Aaron Zehnter haben wir drei U-20-Nationalspieler bei uns. Außerdem haben wir unter anderem mit Florian Pruhs, Medin Kojic und Luis Engelns die nächsten Talente die sich beim DFB schon empfohlen haben. Das ist ein guter Unterbau für die Zukunft, wir hoffen, dass sich die Spieler hier bei uns weiter entwickeln. Man nimmt uns in dieser Rolle wahr und die Spieler oder ihre Berater sehen uns immer mehr als guten Schritt für die Karriere.

Wie beurteilen Sie Ihre eigene Bilanz als Sport-Geschäftsführer, vor allem was die Transfers betrifft?

Mich selbst zu bewerten, steht mir nicht zu. Aber die Dinge, die ich in Paderborn von Vereinsseite aus erfüllen muss, konnte ich erfüllen. Hier meinen Job zu machen, für Stabilität zu sorgen, ist das erste Ziel.

Transfereinnahmen notwendig

Gilt das auch wirtschaftlich, angesichts eines Transferüberschusses von rund 3,5 Millionen Euro?

Absolut. Das wird bei uns ganz groß geschrieben. Wir brauchen aktuell Transfereinnahmen, um das Niveau zu halten und uns strukturell und personell auf allen Ebenen zu verbessern. Ich weiß, dass das hier und da nicht gerne gesehen wird, wenn gute Spieler gehen, wenngleich gegen gutes Geld. Als Geschäftsführer Sport will ich mit gutem Beispiel vorangehen, und das heißt oft: Wir müssen aus weniger einfach viel machen, an einem Standort, in dem die Einnahmen nicht von großen Sponsoren, sondern hauptsächlich aus dem Sport kommen. Bei aller Ruhe, in der wir hier arbeiten können, erwächst daraus zugleich auch eine große Verantwortung für den Verein.

Wir geben dabei nur das aus, was wir haben und schreiben schwarze Zahlen – ich weiß nicht, wie vielen anderen Klubs in der Liga das auch so geht.

Benjamin Weber

Fuchst es Sie nicht, am Ende doch fast immer am kürzeren Hebel zu sitzen, wenn Ihre Spieler Angebote erhalten?

Wir haben ja schon “Nein” gesagt. Bei Ron Schallenberg haben wir einmal im ersten Transferfenster dicht gemacht. Im Sommer haben wir auch Florent Muslija zunächst nicht gehen lassen. Es ist nicht so, dass wir die Spieler gleich beim ersten Angebot gehen lassen. Wir versuchen, die Momente, in denen wir “Nein” sagen können oder “Ja” sagen müssen, passend zu legen. Und neidisch auf Konkurrenten, die da vielleicht etwas mehr Spielraum haben, bin ich nicht. Ich habe mich damals bewusst dafür entschieden, hierher nach Paderborn zu kommen. Unser Präsident hat uns einmal einen “mittelständischen Verein” genannt. Ich mag es, mittelständisch zu arbeiten. Auch wenn wir uns natürlich nicht davor verschließen würden, wenn einmal Geld von außen käme. Jeder Sponsor ist herzlich willkommen. Wir haben uns auch schon als Marke entwickelt. Wir geben dabei nur das aus, was wir haben und schreiben schwarze Zahlen – ich weiß nicht, wie vielen anderen Klubs in der Liga das auch so geht.

Mittelständisches Handeln – das hieß und heißt für Paderborn auch stets, noch unbekannte, junge Spieler zu entdecken oder eigene zu entwickeln. Calvin Brackelmann oder Martin Ens sind aktuell gute Beispiele. Wie passte da im vergangenen Jahr das Abenteuer mit Max Kruse ins Bild?

Den Mut zu so einer Geschichte dürfen wir haben, auch wenn wir das nicht in jedem Transferfenster wieder probieren werden. Es kommt immer darauf an, welche Chancen wir in einer Person sehen. 50:50 ist da für uns oftmals schon wie eine große Chance, weil es gerade auf dem Offensivspielermarkt nicht so einfach ist und viel Geld kosten kann. Max und auch Adriano Grimaldi waren da zwei Extreme. Da ist es dann manchmal so, wie im Leben: Das eine klappt, das andere klappt nicht. Wenn man den gesamten Mix sieht und nicht nur ein paar Namen, werden wir es auch im nächsten Transferfenster wieder so machen. Wir werden versuchen, alles abzudecken, können auch nicht nur junge Spieler holen.

Warum nicht?

Erstens: Weil alle inzwischen die jungen Spieler kaufen, aufgrund der U-23-Minuten, die die DFL honoriert. Zweitens: Sie werden teurer und man kriegt sie nicht mehr so leicht wie früher. Da war die Regionalliga unser Markt, da bedienen sich jedoch auch inzwischen alle Konkurrenten. Und Drittligaspieler gehen heute direkt durch in die 1. Liga. Wo ist dann unser Markt? Wir müssen kreativ bleiben, uns wieder etwas Neues einfallen lassen. Es geht um eine Balance, echt mittelständisch auf verschiedenen Feldern zu arbeiten, nicht alles nur auf Schwarz oder Rot zu setzen.

Kontinuität auf dieser Position hat sich immer ausgezahlt.

Benjamin Weber ist von Lukas Kwasniok total überzeugt

Mit Trainer Lukas Kwasniok haben sie trotz seiner Mallorca-Kapriolen vor einem Jahr den Vertrag wenig später verlängert. Ist das als absoluter Beweis des Vertrauens und der Überzeugung zu deuten?

Wir hatten von Tag eins an ein vertrautes Verhältnis, sind ständig im Austausch. Wir diskutieren intensiv und gehen auch nicht immer mit der gleichen Meinung aus dem Büro. Wir waren und sind von Lukas als Trainer total überzeugt. Er hat es immer wieder geschafft, Spieler auf ein höheres Niveau zu bringen. Wir haben zusammen viele Spieler aus dem eigenen Unterbau nach oben gebracht und zu Zweitliga-Einsätzen verholfen. So war es logisch, mit ihm weiterzumachen. Wir sehen den gesamten Weg, und da sind wir mit ihm immer gut gefahren. Und wenn man auf andere erfolgreiche Klubs schaut, zeigt sich: Kontinuität auf dieser Position hat sich immer ausgezahlt. Wir sollten besagten Weg so lange wie möglich weiter zusammen gehen, denn ich bin davon überzeugt, dass das am Ende das beste Resultat ergibt.

Was werden die Ziele für die neue Saison sein?

Nicht plakativ von Platzierungen zu reden, sondern von der Art und Weise wie wir Fußball spielen wollen. Alles andere wäre unseriös. Wir wollen vor allem den Funken überspringen lassen: Nicht die Zuschauer sollen die Mannschaft wecken, sondern die Mannschaft soll umgekehrt die Zuschauer von Beginn an wieder begeistern. Das wäre ein schönes Ziel.

Abschließend eine persönliche Frage: Die jüngsten Geschehnisse um ihren Freund Thomas Tuchel, in dessen Team Sie in Mainz, Dortmund, bei PSG und beim FC Chelsea arbeiteten, lassen Sie sicher nicht kalt. Wie sind Ihre Gefühle diesbezüglich?

Ich hätte mir gewünscht, dass er die Champions League gewinnt. Auch wenn er keinem mehr zu beweisen braucht, dass er einer der besten Trainer Europas ist. Ich habe fiebernd am Fernseher gesessen, dass er es wieder schafft – vor allem in London.

Interview: Michael Richter