Der Fall Burcu: Ein Fauxpas mit heiklen Folgen

Der Fall Burcu: Ein Fauxpas mit heiklen Folgen

Für welchen Klub Livan Burcu in der kommenden Saison spielen wird, ist weiterhin offen. Die Zahl der Interessenten wächst. Derweil liegen dem kicker neue Details rund um die Kündigung seines Vertrags beim SV Sandhausen vor.

Keine Zukunft mehr in Sandhausen: Livan Burcu wird den SVS verlassen - aber wie?

Keine Zukunft mehr in Sandhausen: Livan Burcu wird den SVS verlassen – aber wie?

IMAGO/foto2press

Der Fall Livan Burcu beschäftigt dieser Tage die Profibranche bundesweit. Nicht nur weil inzwischen mehrere Erst- und Zweitligisten auf den Plan getreten sind, die den 19-jährigen türkischen U-21-Nationalspieler gerne verpflichten würden. Sondern auch, weil Burcus vom Arbeitsgericht Mannheim bestätigte, rechtskräftige Kündigung seines Vertrags beim SV Sandhausen ein viel beachtetes Novum darstellt.

Die Urteilsbegründung des Arbeitsgerichts fördert dabei etliche spannende Aspekte zutage. Insbesondere mit Blick auf die Frage, warum überhaupt ein unbefristeter Arbeitsvertrag zwischen Burcu und dem SVS zustande gekommen war, den der Spieler dann am 16. April mit Wirkung zum 30. Juni kündigen konnte. Dass dies bei Vertragsschluss am 24. April 2023 nicht im Sinne der beiden Vertragsparteien war, liegt auf der Hand. Nach Ansicht des Gerichts spielt dies aber keine Rolle. Sondern allein die Tatsache, dass in Burcus Kontrakt der schriftliche Hinweis auf die bis 30. Juni 2025 geplante Befristung fehlte – ein Versäumnis, das auch der SV Sandhausen zwangsläufig einräumen muss.

Burcu unterschrieb 2023 zwei Verträge – aber nur in einem war die Befristung erwähnt

Dass dieser Fauxpas den Klubverantwortlichen und der mit der Prüfung beauftragten Anwaltskanzlei überhaupt durchrutschen konnte, lag wohl auch daran, dass Burcu an jenem 24. April des vergangenen Jahres genau genommen zwei Verträge unterschrieb, die alternativ zum 1. Juli in Kraft treten sollten. Zum einen nämlich: Einen Lizenzspielervertrag, der im Fall des Sandhäuser Klassenerhalts in der 2. Bundesliga gültig gewesen wäre. Und zum anderen: einen Vertragsspieler-Vertrag für den – kurz danach eingetretenen – Fall des Abstiegs in die 3. Liga.

Vermeintlich eine reine Formalie, die darauf beruht, dass für den Spielbetrieb der 2. Liga die DFL zuständig ist, für die 3. Liga der DFB. In der konkreten Angelegenheit freilich steckt der Teufel im Detail. Denn während in Burcus Lizenzspielervertrag die Befristung bis 30. Juni 2025 ausdrücklich fixiert war, fehlt die entsprechende explizite Verankerung in seinem Vertragsspieler-Vertrag. Weshalb dieser, so das Arbeitsgericht, unweigerlich als unbefristet zu erachten ist. Und folglich den gesetzlichen Kündigungsfristen unterliegt.

Eine Wirksamkeit der Befristung hängt laut Gericht allein von Einhaltung der Schriftform ab

Auch eine in beiden Verträgen festgehaltene Klausel, wonach sich Burcus Kontrakt bei einer bestimmten Anzahl von Einsätzen bis 2026 verlängere, ändert laut Feststellung des Gerichts nichts. Zwar lässt die Klausel bei objektiver Betrachtung darauf schließen, dass eine Befristung von beiden Seiten beabsichtigt war.

Aber, so die Urteilsbegründung: Die Wirksamkeit der Befristung eines Arbeitsvertrags hängt allein von der Einhaltung der Schriftform ab. Was wiederum bedeutet: Selbst wenn Burcu ebenso wie die SVS-Verantwortlichen zum Zeitpunkt der Unterschrift von einem befristeten Vertrag ausgegangen sein sollte, kann er sich nun laut Gesetz auf die fehlende Schriftform berufen. Auch die Tatsache, dass der parallel unterzeichnete Lizenzspielervertrag ausdrücklich befristet abgeschlossen wurde, ist irrelevant. Denn: Dieser Lizenzspielervertrag ist aufgrund des Sandhäuser Abstiegs nie in Kraft getreten und somit – aus juristischer Perspektive – gar nicht existent.

Darmstadt wäre zu einer finanziellen Einigung mit dem SVS bereit

Die aktuelle Rechtsfolge: Kraft seiner Kündigung ist Burcu seit 1. Juli vertragslos und demnach logischerweise ablösefrei, was prompt zu weiteren Anfragen aus der 1. und 2. Bundesliga geführt hat. Seit längerem verbürgt ist das Interesse von Darmstadt 98. Nach kicker-Informationen wäre der Zweitligist trotz des Arbeitsgerichtsurteils sogar weiterhin zu einer Ablösezahlung an Sandhausen bereit – doch nicht in der Höhe, die Burcus bisheriger Arbeitgeber nach wie vor fordert.

Dass es dafür überhaupt eine Grundlage gibt, ist äußerst zweifelhaft. Zwar hat der SVS angekündigt, nach dem erstinstanzlichen Urteil Berufung einzulegen. Die Frist dafür beträgt einen Monat. Wirklich Luft scheint das vorliegende Urteil indes nicht zu lassen: Der laut Gericht einzig relevante Sachverhalt, also der fehlende schriftliche Hinweis auf Befristung im einzig gültigen Vertrag, ist absolut unstrittig.

Noch heikler könnte die Angelegenheit werden, sollte Burcu demnächst bei einem Klub unterschreiben, der sich nicht mit Sandhausen einigt. Eine Spielgenehmigung für den neuen Verein würde die DFL aufgrund des vorliegenden Urteils mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erteilen (müssen). Der SV Sandhausen könnte im Nachhinein womöglich bestenfalls Schadensersatzansprüche geltend machen – oder würde komplett in die Röhre schauen.

Thiemo Müller