“Kein Team, das eine Persönlichkeit hat”: Spalletti wählt klare Worte

“Kein Team, das eine Persönlichkeit hat”: Spalletti wählt klare Worte

Die Mängelliste von Luciano Spalletti war am Samstagabend lang. Nach dem Aus der Squadra Azzurra sprach er die Schwächen deutlich an, übernahm dafür aber auch die Verantwortung.

Wirkten ratlos: Luciano Spalletti (r.) und Co-Trainer Marco Domenichini (li.).

Wirkten ratlos: Luciano Spalletti (r.) und Co-Trainer Marco Domenichini (li.).

IMAGO/Jan Huebner

Wie gewohnt sangen die Italiener voller Inbrunst am Samstag um kurz vor 18 Uhr ihre Nationalhymne. Wenige Minuten später war von der Entschlossenheit nur noch wenig zu spüren: Die Azzurri enttäuschten im Achtelfinale gegen die Schweiz (0:2) sowohl mit als auch gegen den Ball.

Dementsprechend lang war die Mängelliste von Trainer Luciano Spalletti nach Abpfiff: “Nicht bissig genug”, “zu geringes Tempo” oder der “fehlende Rhythmus” zählte der 65-Jährige drei von mehreren Gründen für das Achtelfinal-Aus des Titelverteidigers auf. Die Italiener ereilte somit dasselbe Schicksal wie das ihrer beiden Vorgänger Portugal und Spanien (Portugal verlor 2021 in der Runde der letzten 16 gegen Belgien, Spanien unterlag 2016 Italien).

Achtes EM-Spiel in Folge mit mindestens einem Gegentor

Vor allem im ersten Durchgang war sein Team “sehr unterlegen”: Fast ausnahmslos lauerte Italien tief in der eigenen Hälfte auf Konter, konnte sich nach Ballgewinnen auch aufgrund des Gegenpressings der Schweizer aber nicht befreien. “Wenn man den Ball nicht zurückerobern kann, da wir hinten nicht viel Tempo haben, mussten wir ihnen Raum auf dem Spielfeld geben”, erklärt Spalletti auf der Pressekonferenz.

Doch der Plan ging nicht auf, weil sein Team zu sorglos verteidigte. So durfte unter anderem Ruben Vargas am linken Strafraumeck ohne großen Gegnerdruck das 1:0 vorbereiten. Die Fähigkeiten für den exzessiven Defensivfußball, der eigentlich in der DNA verankert ist, scheint der Squadra Azzura zuletzt ein wenig abhandengekommen zu sein. Es war bereits das achte EM-Spiel in Folge mit mindestens einem Gegentor.

Spalletti: Es muss sich “definitiv etwas ändern”

Den offensiven Offenbarungseid liefert der Blick auf die Großchancen. Neben Gianluca Scamaccas Pfostenschuss aus abseitsverdächtiger Position war der Schweizer Innenverteidiger Fabian Schär für die gefährlichste Offensivaktion der Italiener zuständig. Dessen Klärungsaktion per Kopf flog aber ebenfalls nur an den Pfosten. Beide Aluminiumtreffer fanden erst nach dem 0:2 statt, als die Eidgenossen sich zurückgezogen hatten.

Trotz des schwachen Auftritts bei der ersten Niederlage in einem K.-o.-Spiel der Europameisterschaft seit 2012 (0:4 im Finale gegen Spanien) zog Spalletti nicht nur negative Schlüsse. “Wir haben kein Team gesehen, das in Bezug auf die Grundlagen eine Persönlichkeit hat. Und das ist es, was wir aus dieser Erfahrung bei der EURO 2024 gelernt haben”, so der ehemalige Napoli-Coach. Es müsse sich aus diesem Grund “definitiv etwas ändern”.

Wahrscheinlich muss ich meine Mannschaft noch etwas besser kennenlernen.

Luciano Spalletti

Ob er die Veränderungen vornehmen darf, ist sicherlich fraglich. Denn unter seiner Leitung verloren die Azzurri erstmals zwei Partien bei einer EM. “Die Verantwortung liegt immer bei mir, ich werde mit Gravina (Präsident des Fußballverbands, Anm. d. Red.) sprechen”, verriet Spalletti. Ein wenig aus der Kritik nahm er sich trotzdem: “Alle anderen Trainer hatten vor dieser EM 20 Spiele im Amt. Ich hatte nur zehn. Wahrscheinlich muss ich meine Mannschaft noch etwas besser kennenlernen. Außerdem hatten wir eine Reihe von verletzten Spielern, auf die ich gezählt habe.”