Hammer und Heber: Italien schlägt Ecuador mit einem frühen und späten Treffer

Die USA-Reise der italienischen Nationalmannschaft darf ergebnistechnisch als Erfolg gewertet werden. Doch wie schon beim jüngsten 2:1 gegen Venezuela im US-Bundesstaat Florida gab es auch beim jetzigen 2:0 gegen Ecuador in New Jersey spielerisch eine Menge Luft nach oben.

Geschlossener Jubel nach dem 1:0-Hammer von Lorenzo Pellegrini: Die Italiener feiern in den USA.

Geschlossener Jubel nach dem 1:0-Hammer von Lorenzo Pellegrini: Die Italiener feiern in den USA.

AFP via Getty Images

An diesem Länderspielwochenende der ganz frühen Tore – Österreich hatte beim 2:0 gegen die Slowakei bereits nach sechs Sekunden getroffen, Deutschland beim gefeierten 2:0 gegen Frankreich nach acht Sekunden – reihte sich am Sonntag auch Italiens Auswahl ein.

Wenngleich es hier etwas länger dauerte: Beim Test gegen Ecuador im Zuge der USA-Reise waren 120 Sekunden passé, ehe Dimarco einen Freistoß in die Mauer setzte, der Ball zurück in die Füße von Lorenzo Pellegrini prallte – und der Kapitän der Roma ansatzlos feuerte. Sein hammerharter Schuss schnellte unhaltbar halbrechts oben neben dem Pfosten ins Netz, damit führte also auch Italien sehr zeitig.

Dimarco und Zaniolo lassen Großchancen liegen

Verdient war das 1:0 obendrein, weil die Squadra Azzurra von Beginn an die Kontrolle über das Spiel hatte, anschob und die Abwehr von La Tri einige Male aushebelte. Doch vor allem Dimarco bei einer Kopfballchance aus bester Lage (6. Minute) und Zaniolo aus nächster Nähe frei vor Torwart Burrai, der sich breit gemacht und so pariert hatte (16.), ließen große Möglichkeiten aus.

Mit der Zeit verstanden es dann auch die Ecuadorianer, erstens defensiv immer sicherer zu stehen, zweitens bissiger in den Zweikämpfen zu agieren und drittens einige Male durchaus ordentlich anzuschieben. Doch das Team von Nationaltrainer Felix Sanchez Bas (seit Anfang März 2023 im Amt) um die Bundesliga-Akteure Hincapie von Spitzenreiter Leverkusen und Pacho ein Eintracht Frankfurt sowie Moises Caicedo vom FC Chelsea entwickelte in letzter Instanz zu wenig Durchschlagskraft. Es fehlte am finalen Pass, am notwendigen Esprit.

Und so blieb es beim 1:0 zur Pause, auch weil das im Vergleich zum jüngsten 2:1 gegen Venezuela auf allen elf Stellen umgebaute italienische Team – unter anderem der aufgrund seiner famosen Torquote gefeierte Retegui saß auf der Bank – mit fortschreitender Dauer selbst nicht mehr allzu viel Ideen im Angriffsspiel entwickelt hatte.

Barella beendet das Spiel mit einer feinen Note

Abschnitt zwei startete für den amtierenden Europameister, der bei der im Sommer anstehenden EM in Deutschland (14. Juni bis 14. Juli) in der schweren Gruppe B auf Spanien, Kroatien und Albanien trifft, wie Durchlauf eins geendet hatte: mit spielerischer Magerkost. Die Spalletti-Schützlinge verstanden es nicht mehr, wirkliche Gefahr zu entwickeln, wirklich sauber den Ball laufen zu lassen.

Nicolo Barella

Die beiden sehenswerten Tore der Italiener gegen Ecuador – hier Nicolo Barellas Lupfer – täuschten ein wenig über den oft kargen Auftritt hinweg.
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Und so durfte der Außenseiter, der eifrig anschoben und mit Biss agierte, mehr und mehr ans 1:1 glauben. Doch Franco (52.), der mit einem zu zentralen Knaller an Italiens Debütant Vicario von Tottenham Hotspur scheiternde Plata (68.) und ein extrem schwach ausgespielter 4-gegen-2-Konter (77.) hatten allesamt gemein: La Tri fehlte es im vorderen Drittel an Genauigkeit, an Ideenreichtum, an Zielwasser.

Am Ende ließ die zumeist stabil stehende Abwehr der Squadra Azzurra nichts anbrennen, brachte diesen Test gegentorlos zu Ende – und durfte sich in der vierten Minute der Nachspielzeit noch über den 2:0-Endstand freuen. Joker Orsolini steckte hier via Beinschuss den Ball herrlich in den Lauf von Barella durch – und der Mann von Inter Mailand traf frech wie fein via Heber über Torwart Burrai hinweg (90.+4).

“Die richtige Entscheidung, für Italien zu spielen”: Retegui glänzt mit Toren und Bescheidenheit

Roberto Mancini hat ihn gefördert, nun bringt Italiens aktueller Nationaltrainer Luciano Spalletti den aktuellen Torgaranten Mateo Retegui für die anstehende EM in Stellung. Der Spieler selbst ist sich derweil noch gar nicht sicher, wirklich für Deutschland nominiert zu werden.

Erfolgreicher Strahlemann im Azzurri-Trikot: Mateo Retegui (hier mit Roma-Kapitän Lorenzo Pellegrini).

Erfolgreicher Strahlemann im Azzurri-Trikot: Mateo Retegui (hier mit Roma-Kapitän Lorenzo Pellegrini).

IMAGO/Icon Sportswire

Mit seiner beängstigenden Torquote im Nationaldress der Italiener macht Mateo Retegui immer mehr auf sich aufmerksam. Der 24-jährige Stürmer steht nach seinem jüngsten Doppelpack beim Testspiel gegen Venezuela (2:1) nunmehr bei vier Toren in erst fünf Länderspielen.

Das Bemerkenswerte dabei: Der in Argentinien geborene Retegui, der sich aufgrund italienischer Ursprünge im Februar 2023 noch unter Italiens Trainer Roberto Mancini für die Squadra Azzurra entschieden hatte und aus seiner Heimat im Sommer 2023 in die Serie A zum solide dastehenden Aufsteiger CFC Genua gewechselt ist (22 Ligaspiele, sechs Tore), zeigt sich extrem bescheiden.

Dabei wird der Hoffnungsträger längst gefeiert – von der Gazzetta dello Sport etwa: “Der Mittelstürmer zweier Welten schlägt erneut zu – mit beeindruckender Regelmäßigkeit.” Die Sportzeitung lobte dabei nach Reteguis zwei schönen Treffern – jeweils aus der Drehung erzielt – vor allem das Offensichtlichste: “Zwei Bälle, zwei Tore gegen Venezuela, eines in jeder Halbzeit – das Wesentliche des Fußballs.”

Und in der Tat: Beide Male hatte sich der Zielspieler richtig im gegnerischen Strafraum positioniert, sich in Lauerstellung gebracht und letztlich jeweils wie im Lehrbuch fein aus der Drehung präzise ins Eck gefeuert.

Das insgesamt überschaubare Auftreten der Italiener, die bei der Europameisterschaft in Deutschland im Sommer (15. Juni bis 15. Juli) als amtierender Champion ins Rennen gehen und in der schweren Gruppe B auf Spanien, Kroatien sowie Außenseiter Albanien treffen werden, bekam so das Prädikat: siegreich.

“Fußball ist mein Leben”

Nach Zeiten “der stürmischen Unsicherheit” mit letztlich inkonstanten Akteuren wie Mario Balotelli (14 Tore in 36 Länderspielen), Ciro Immobile (17 in 57) oder anderen eingesetzten Angreifern könnte Retegui die italienische Sehnsucht nach einem dauerhaften Torgaranten stillen.

Mateo Retegui

Ist zuerst für die italienischen Nationalmannschaft nominiert worden – und dann in die Serie A zum CFC Genua gewechselt: Torjäger Mateo Retegui.
IMAGO/Marco Canoniero

Doch der Profi des CFC Genua, wo er noch bis 2028 unter Vertrag steht und aktuell vom 2006er Weltmeister sowie Ex-Stürmer Alberto Gilardino lernt, lässt ganz offensichtlich keinen Druck an sich ran. Der von Ex-Coach Mancini mit Serie-A-Legende Gabriel Batistuta verglichene Retegui umhüllt sich viel lieber mit purer Bescheidenheit, Arbeitswillen und Hoffnung – schließlich sieht sich der Torjäger selbst noch nicht mal als fester Bestandteil des EM-Kaders für diesen Sommer.

“Fußball ist mein Leben”, so Retegui in einem aktuellen Interview mit der Gazzetta: “Aber bis Deutschland ist noch viel Zeit hin – und ich weiß nicht, ob ich bei der EM dabei sein werde. Ich muss mir den Job verdienen. Der Trainer (inzwischen Luciano Spalletti; Anm. d. Red.) hat gesagt, dass noch niemand sicher dabei ist.” Und sollte der aus dem Hut gezauberte Oriundo am Ende – des unwahrscheinlichen Falles zum Trotz – wirklich nicht nominiert werden, “dann werde ich von daheim aus Italien anfeuern”.

Woher Retegui diese gesunde Einstellung hat? “Meine Familie ist immer mit dabei – und sie hat mir geholfen, zu dem Menschen zu werden, der ich heute bin. Sie alle waren auch zufrieden mit meiner Leistung, auch mein Pate war mit dabei. Wir haben uns dann alle umarmt und Kaffee getrunken – ein schöner Moment. Nun ruhe ich mich für Ecuador (Testspiel am Sonntagabend um 21 Uhr; Anm. d. Red.) aus, falls mich Spalletti wieder braucht. Und dann geht es zurück nach Genua, wo ich versuchen werde, weitere Tore für die Rossoblu zu machen.”

In jedem Fall sei es aus seiner Sicht Anfang 2023 “die richtige Entscheidung gewesen, für Italien zu spielen”. Das Recht, für die Squadra Azzurra aber weiterhin auflaufen zu dürfen, “muss ich mir verdienen. Da darf ich nicht nachlassen. Ich habe mich dafür entschieden.”