“Wenn sie pfeifen, müssen wir das akzeptieren”

“Wenn sie pfeifen, müssen wir das akzeptieren”

Nach dem 0:0 gegen die Ukraine zieht Belgien in die K.o.-Runde ein, so richtig freuen darüber kann sich keiner. Das liegt am Pfeifkonzert der Fans und an einer fragwürdig langsamen Anreise.

Stets im Mittelpunkt: Belgiens Trainer Domenico Tedesco (li.) und Kevin de Bruyne.

Stets im Mittelpunkt: Belgiens Trainer Domenico Tedesco (li.) und Kevin de Bruyne.

IMAGO/Belga

Als der wirklich sehr gute Schiedsrichter Anthony Taylor am Donnerstagabend abpfiff, ging das Gepfeife erst so richtig los. Hatten die belgischen Fans ihre Mannschaft schon zuvor für Rückpässe und Zeitspiel laut ermahnt, machten sie ihrem Ärger nun so richtig Luft. Ein gellendes Pfeifkonzert schallte durch die Stuttgarter Arena nach dem arg zähen 0:0 gegen die Ukraine. So laut, dass Kapitän Kevin de Bruyne, gerade auf dem Weg in die Kurve zur üblichen Danksagung, die Seinen zusammenholte und gen Mittelkreis beorderte. Was wiederum eine Lautstärkensteigerung bei den Pfeifenden zur Folge hatte.

Besonders glücklich scheint gerade keiner bei den “Roten Teufeln”, die nun im Achtelfinale am Montag (18 Uhr, LIVE! bei kicker) in Düsseldorf auf Frankreich treffen. Da sah sich Domenico Tedesco schon dazu veranlasst, zu unterstreichen, dass man eben erst einmal weiterkommen müsse. “Es war schwierig heute. Wir wussten, dass das andere Spiel vielleicht unentschieden ausgehen würde. Wenn die Fans pfeifen, dann müssen wir das akzeptieren”, sagte der deutsche Trainer, um hinterherzuschieben: “Viele Spieler verstehen es nicht.”

Tedesco schimpft: “So etwas habe ich noch nie gesehen”

Sehr viel mehr ärgerte sich Tedesco offenbar über eine seltsam langsame Anreise zur Partie, die seiner Mannschaft eine Stunde Verspätung und ein improvisiertes Aufwärmprogramm beschert hatte. “So etwas habe ich noch nie gesehen”, schimpfte der 38-Jährige, dessen Mannschaft im nahen Ludwigsburg residiert. Die Polizeieskorte sei ohne Blaulicht gefahren mit Tempo 25 Stundenkilometern und habe an jeder Ampel gehalten. “Wir können eine Stunde Verspätung haben und sie verschieben das Match nicht mal eine Viertelstunde nach hinten”, teilte Tedesco auch noch gegen die UEFA aus.

3. Spieltag, Gruppe E

De Bruyne erklärt das Zeitspiel

Nachhaltiger beschäftigen als Anreiseprobleme und fehlendes Warm-Up dürfte Belgien gewiss der Ärger mit den Fans. De Bruyne, mehrfach angesprochen darauf, dass er die Kollegen beim Pfeifkonzert zurück in den Mittelkreis beorderte, betonte jeweils mantraartig auf diese Fragen: “Wir brauchen die Fans, wir brauchen sie gegen Frankreich. Das ist alles, was ich sagen kann.”

Dass der Superstar von Manchester City mit der Reaktion auf den Rängen nicht einverstanden war, war offenkundig. Dass der 32-Jährige die letzten Eckbälle zu Zwecken des Zeitgewinns kurz ausgeführt hatte, hatte die Anhänger nur noch mehr angestachelt. De Bruyne verteidigte sich dahingehend, dass lange Ecken das Risiko eines Konters bergen. Womit der Ex-Wolfsburger zweifelsfrei recht hat. “Manchmal muss man Risiko eingehen, manchmal muss man schlau sein. Und zwei Minuten vor Spielende muss man schlau sein.”

Im Achtelfinale wartet Top-Favorit Frankreich

Die Gemüter besänftigen wird das kaum. Natürlich wirkt der auf Kontrolle bedachte Auftritt nachvollziehbar, die Sache ist eben die, dass man von den de Bruynes und den Jeremy Dokus dieser Welt eigentlich Fußball mit Esprit erwartet – was gegen tiefstehende, auf den Lucky Punch wartende Ukrainer allerding auch nicht ganz einfach ist. In die Karten spielen wird Tedescos Elf am Montag, dass die Franzosen mit ihrem Talent ein ureigenes Interesse daran haben, auch das Spiel zu machen. Vielleicht bleiben die Pfiffe des Unparteiischen ja dann die einzigen des Abends …

Benni Hofmann, George Moissidis