Viel Leerlauf, viel Wille – und eine Gefühls-Explosion

Viel Leerlauf, viel Wille – und eine Gefühls-Explosion

Der rutschige Frankfurter Rasen war ein großes Thema im Vorfeld des finalen Auftrags in der Gruppe A – tatsächlich wäre die Elf von Julian Nagelsmann am Sonntagabend beinahe ausgerutscht, dabei jedoch weniger am Geläuf als vielmehr an sich selbst gescheitert. Ein Kommentar von kicker-Reporter Sebastian Wolff.

Rettete der DFB-Elf noch den Gruppensieg: Niclas Füllkrug.

Rettete der DFB-Elf noch den Gruppensieg: Niclas Füllkrug.

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Das Bild am Ende war vertraut. Unter dem Jubel der Anhänger ging die deutsche Mannschaft auf die in dieser Vorrunde obligatorische Ehrenrunde. Mit dem Gruppensieg ist das erste Zwischenziel dieser Heim-EM geschafft. Insbesondere der Vortrag gegen die Schweizer aber wird nicht ausreichen, um auch das ganz große Ziel, den EM-Titel, zu erreichen. Offensichtlich wurde, wie schwer sich diese Mannschaft tut, wenn die Ideengeber Jamal Musiala und Florian Wirtz effektiv zugestellt sind. Und wie abhängig sie von Toni Kroos ist.

Der zurecht als unumstrittene Chef gefeierte Weltstar von Real Madrid lieferte über weite Strecken seinen schwächsten Auftritt seit der Rückkehr im März ab, spielte unter großem Gegnerdruck ungewohnte Fehlpässe oder wählte unkluge Entscheidungen. Mit einer solchen setzte er auch Musiala in der Entstehung des Gegentreffers unnötig unter Druck.

Wenn Kroos nicht wie gewohnt ausstrahlt, glänzt auch die gesamte Mannschaft nicht. Das ist erklärbar, weil sie keine über einen langen Zeitraum gewachsene, sondern seit dem Frühjahr in einem Crashkurs umgebaute Formation ist. Aber genau das könnte sich negativ auswirken, wenn es nun um alles oder nichts geht.

Sichtbar wurde gegen die Eidgenossen jedoch auch, was Nagelsmanns Gruppe auszeichnet: Moral und Leidenschaft. Und das eben auch dann, wenn spielerisch nicht alles leicht von der Hand geht. Der Wille, mit der sich Deutschland gegen die lange drohende Niederlage stemmte, elektrisierte die Zuschauer in der Frankfurter Arena, der Last-Minute-Ausgleich durch Niclas Füllkrug erzeugte eine Gefühls-Explosion, die das Potenzial hat, in der Verbindung zwischen Mannschaft und der Fußballnation noch mehr auszulösen als ohnehin schon entstanden ist.

Das späte aber verdiente 1:1 bringt zudem noch eine weitere Erkenntnis, die sich in den ersten beiden Spielen schon angedeutet hatte: Nagelsmann hat Joker, mit denen er Spiele verändern und drehen kann: Maximilian Beier brachte auf Anhieb Schwung, David Raum schlug die Flanke, die Niclas Füllkrug zum umjubelten und Platz 1 bringenden Punkt verwertete.

“Wir wollen unseren Namen oben sehen”, hatte Verteidiger Jonathan Tah vor der Partie gegen die Schweiz gesagt. Das gelang zum Abschluss der Gruppenphase und ist der bis hierhin verdiente Lohn – damit Platz 1 auch ganz am Ende steht, wird indes noch deutlich mehr nötig sein.