Hjulmands Traumtor: “Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich es begriffen hatte”

Morten Hjulmand schießt sein erstes Tor für Dänemark – und was für eins. Weil weitere Höhepunkte im Spiel gegen England ausbleiben, muss Dänemark aber noch ums Achtelfinalticket zittern.

Ein Grund zum Feiern: Morten Hjulmand nach seinem fulminanten Ausgleichstreffer.

Ein Grund zum Feiern: Morten Hjulmand nach seinem fulminanten Ausgleichstreffer.

IMAGO/Pressinphoto

Wie gut, dass zehntausende Dänen schon den ganzen Tag über in der Frankfurter Innenstadt eine lautstarke Party feierten. Der Platz vor der historischen Alten Oper war das stimmungsvolle rot-weiße Epizentrum. Die Reise in die Mainmetropole hatte sich also schon vor dem Anpfiff gelohnt. Allein für den Stadionbesuch hätte sich der lange Weg nämlich nicht wirklich bezahlt gemacht. Zumindest wenn man mit den Anspruch auf ein qualitativ gutes Fußballspiel gekommen ist. Das war es zu keinem Zeitpunkt.

Das 1:1 gegen England geht vom Ergebnis im Grunde ja völlig in Ordnung. Die Stimmungslage im dänischen Lager war dennoch etwas diffus. “Ich kann nicht sagen, dass ich enttäuscht bin. Aber ich bedaure es. Da war heute mehr drin”, resümierte Trainer Kasper Hjulmand. Dem äußerst biederen Auftritt der Engländer begegnete die Elf des ehemaligen Mainzer Coachs zwar mit einer stabilen Defensive, doch im eigenen Angriffsspiel machte das Team viel zu wenig, um die alles andere als sattelfeste Abwehr der Southgate-Elf wirklich zu fordern.

Hjulmands Weg: über Österreich nach Lissabon

Bis in die Schlussphase hinein hatte Dänemark nur eine wirkliche Chance. Die war dafür spektakulär: Aus 28 Metern zimmerte Morten Hjulmand den Ball mit 114 km/h unhaltbar neben den linken Pfosten. Die Serie der fulminanten Distanztreffer dieses Turniers ist um ein weiteres Schmuckstück bereichert.

“Als ich den Ball bekam, dachte ich direkt: ich muss ihn schießen, weil ich den Platz dafür hatte. Aber dann dauerte es ein paar Sekunden, bis ich begriff, dass ich ein Tor geschossen hatte”, berichtete der Torschütze. Es war das erste Tor im neunten Länderspiel für den 24-Jährigen, der keinen ganz gradlinigen Karriereweg hinter sich hat.

Mit 18 Jahren blieb ihm der Weg zu den Profis beim FC Kopenhagen versperrt. Über Admira Wacker landete er bei US Lecce in der Serie B. Nach dem Aufstieg und einer gelungenen Premierensaison in der Serie A folgte im vergangenen Sommer der Wechsel zu Sporting Lissabon, wo er sich auf Anhieb festspielte und maßgeblich zum Meistertitel mit zehn Punkten Vorsprung vor Rivale Benfica beitrug.

Spielbericht

“Er ist ein Spieler, der weiß, worauf es ankommt, der sich nicht zurückhält, der bis zum Äußersten geht. Sowohl im Verein als auch in der Nationalmannschaft hat er sich aufgedrängt und gezeigt: Hey, ich bin hier, ich will spielen, ich bin hier, und ich tue alles, um mitzuhalten”, schwärmt sein Nationaltrainer, mit dem er trotz des gleichen Nachnamens nicht verwandt ist.

Auch Tottenhams Pierre-Emile Höjbjerg ist begeistert von seinem Nebenmann im zentralen Mittelfeld. “Ich glaube, Morten hat die richtige Mentalität, um eine tolle Karriere zu machen.” Wegen dessen Traumtor gab es trotz der nicht gerade ansehnlichen 90 Minuten auch im Stadion einen Moment der Ekstase. Die Fans auf den Rängen machten ihren Job jedenfalls durchgehend besser als die Spieler auf dem Rasen.

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Höjbjerg fühlt sich wie zuhause

“Die Stimmung ist fantastisch. Man hat das Gefühl die Menschen kommen her, um den Fußball zu feiern. Bei unseren Fans habe ich das Gefühl: Es ist wie zuhause zu spielen. Ich kann das ganze Turnier nur loben. Bisher macht es einfach Spaß”, schwärmte Höjbjerg, dem auch die Bilder vom Opernplatz nicht entgangen sind. “Wenn wir die Bilder aus Frankfurt sehen, ist es großartig, Teil davon zu sein. Das gibt uns einen Kick.”

Ob es aber noch einen wirklichen Grund zum Feiern gibt, wird sich zeigen. Für Dänemark ist in der Gruppe C mit den zwei Punkten aus den Duellen gegen Slowenien und England vom ersten bis zum letzten Platz noch alles möglich. Ein Sieg im abschließenden Duell gegen die Serben am Dienstagabend (21 Uhr) sichert aber mindestens den zweiten Platz – der zugleich das Achtelfinale gegen den Sieger der Gruppe A bedeuten würde. Die möglichen Gegner in diesem Szenario: Deutschland oder Schweiz.

Moritz Kreilinger