Anfang: Ein kleiner Dickkopf, der nicht “Ja und Amen” sagt

Anfang: Ein kleiner Dickkopf, der nicht “Ja und Amen” sagt

Kaiserslautern ist für Trainer kein leichtes Pflaster. Markus Anfang (50) aber bringt einige Eigenschaften mit, die ihm auf dem Betzenberg helfen. Sein Start ist trotzdem kein einfacher.

Neuer Lautern-Trainer: Markus Anfang.

Neuer Lautern-Trainer: Markus Anfang.

IMAGO/Werner Schmitt

Ein Zufall ist an diesem Punkt sehr unwahrscheinlich. Bei der Trainerauswahl von Thomas Hengen ist ein klares Muster erkennbar. Dirk Schuster, Dimitrios Grammozis, Markus Anfang – alles ehemalige Mitspieler vom Geschäftsführer des 1. FC Kaiserslautern. Friedhelm Funkel ist die Ausnahme. Doch bei drei Trainern in einer Saison gehen irgendwann auch die Optionen aus.

Mit Schuster kickte Hengen einst beim Karlsruher SC, mit den anderen beiden auf dem Betzenberg. “Das ist nicht entscheidend”, sagt Anfang mit Blick auf die gemeinsame Vergangenheit. “Entscheidend ist, ob man sich versteht und sich auf Ziele einigen kann. Natürlich ist es gut, dass man sich kennt. Das bedeutet aber nicht, dass man sich nicht reibt. Ich bin nicht hier um Ja und Amen zu sagen. Thomas ist auch nicht der Mensch dazu.”

Trainervorstellungen am Betzenberg haben längst eine gewisse Routine. Anfang ist der 14. Coach in den vergangenen zehn Jahren, der sein Glück beim Traditionsverein versucht. Dass in dieser Position zuletzt in etwas mehr als einem halben Jahr gleich drei Trainer gehen mussten, schreckt den 50-Jährigen nicht ab. “Ich freue mich riesig. Es ist eine große Herausforderung und eine Ehre, diesen Verein trainieren zu dürfen”, sagt Anfang. Vermutlich dürfte dieser Satz in besagten zehn Jahren ungefähr 14-mal gefallen sein. Aber was soll ein neuer Trainer auch erzählen? Alle haben es schließlich genau so gemeint.

Ein Faible für Traditionsvereine

“Bei Traditionsvereinen ist es oftmals ein bisschen schwieriger in der Umsetzung, weil man eine gewisse Unruhe und Ungeduld verspürt. Aber ich sehe die Chance in allem und weiß, was bei diesen Vereinen passieren kann, wenn du erfolgreich arbeitest”, betont Anfang. “Ich finde solche Vereine spannend, weil wahnsinnig viel Leidenschaft da ist, die kanalisiert werden muss, um diese Power mitzunehmen.” Das Spektakel und der Auflauf Zehntausender in Berlin rund um das Pokalfinale haben erst vor wenigen Wochen wieder eindrücklich gezeigt, welche Wucht hinter dem viermaligen Deutschen Meister aus der pfälzischen Provinz steckt.

Die Trainervorstellung ist jetzt vorbei. Ab sofort muss es Anfang gelingen, sich von seinen größtenteils erfolglosen Vorgängern zu unterscheiden. Einen Vorteil hat er schon jetzt. So routiniert die Trainervorstellungen sind, so ungewohnt sind diese im Juni. Nur einer dieser 14 Trainer durfte seinen Job in einer Sommerpause antreten, alle anderen mussten im Laufe der Saison versuchen zu retten, was manchmal nicht mehr zu retten war.

Anfang ist das Gegenteil eines Feuerwehrmanns und offenbar mehr für geplante Sachen zu haben. Seine Stationen in Dresden, Bremen, Darmstadt und Köln hat der 79-malige Bundesligaspieler immer vor Beginn einer Saison angetreten. Nur in Kiel waren 2016 schon fünf Spiele vergangen. “Um ehrlich zu sein, ist mir das überhaupt nicht bewusst gewesen”, gesteht Anfang an diesem Mittwoch. Eine bewusste Entscheidung sei es jedenfalls nicht gewesen: “Das Trainerwesen ist nun mal so, dass du nicht immer viel Einfluss darauf hast, wann ein Verein auf dich zukommt.” Geschadet hat es sicher nie, sich wochenlang auf das erste Spiel vorzubereiten.

Ich bin also nicht beratungsresistent. Ein kleiner Dickkopf bin ich aber schon.

Markus Anfang

Abgesehen vom Zeitpunkt gibt es auch stichhaltige Indizien, warum es Anfang besser als seinen Vorgängern ergehen könnte. Funkel skizzierte das Anforderungsprofil als FCK-Coach bei seinem Abschied folgendermaßen: “Ich wünsche dem Verein (…), dass sie einen Trainer verpflichten können, der ein bisschen dickköpfig ist und eine eigene Meinung hat, die er auch durch- und umsetzt.” Da ist man bei Anfang an der richtigen Adresse, wie er selbst zugibt: “Friedhelm hat mir das auch in einem Telefonat nochmal gesagt (lacht). Wichtig ist, dass du Raum für Vorschläge lässt, wenn sie passen. Ich bin also nicht beratungsresistent. Ein kleiner Dickkopf bin ich aber schon, wenn ich eine Idee habe, die ich durchsetzen will, weil ich davon überzeugt bin.” Anfang dürfte spätestens nach dem Telefonat mit Funkel klar gewesen sein, auf was er sich einlässt. Seine Vorgänger hatten mit dem Machtgefüge auf dem Betzenberg rund um Geschäftsführer Hengen und den technischen Direktor Enis Hajri ihre Probleme.

Der Fußball: künftig mutiger

Sportlich ist Anfang der Erfolg zuzutrauen. Über weite Strecken stimmten die Ergebnisse in seiner Laufbahn. Als er in Köln 2019 entlassen wurde, war der Effzeh trotz kleiner Krise mit fünf Punkten Vorsprung Tabellenführer der 2. Liga. In Kiel und Darmstadt holte er viel aus den Mannschaften raus. Das Kapitel Werder Bremen lässt sich wegen des unrühmlichen Endes nach wenigen Monaten nicht vollends einordnen. In Dresden, das ist klar, hätte der Aufstieg in einem der beiden Jahre glücken müssen. Doch ein Trainer, der nur im Erfolg schwimmt, landet derzeit auch nicht auf dem Betzenberg.

Im Vergleich zu seinen Vorgängern dürfte Anfang einen mutigeren, ballbesitzlastigeren Fußball spielen lassen. “Wir wollen sehr aktiv Fußball spielen, wir wollen das Spiel auch bestimmen, wenn der Gegner den Ball hat, wir wollen nach vorne spielen und Torchancen kreieren”, kündigt Anfang an. Dass es in der Pfalz unabhängig vom Trainer und dessen Philosophie umso wichtiger ist, dass jeder Spieler sich für keinen Meter zu schade ist, muss Anfang niemand erzählen: ab Sommer 2002 trug er für anderthalb Jahre das FCK-Trikot. “Ich glaube, der Fan hier hat ein gutes Gespür dafür, ob die Jungs alles dafür tun, erfolgreich zu spielen oder alles dafür tun, Spiele zu gewinnen oder nicht.”

Der Start mit Hindernissen

Vorschusslorbeeren hat Anfang trotz seiner Klub-Vergangenheit keine. Im Gegenteil. Wegen der Impfpassaffäre und der zuletzt mageren Bilanz in Dresden sehen große Teile des Umfelds den neuen Trainer kritisch. Dass er der Nachfolger von Publikumsliebling Funkel ist, macht die Sache nicht einfacher. Wie schwer es ein Trainer ohne Standing beim FCK hat, zeigte die Personalie Grammozis eindrucksvoll. Sportlicher Erfolg ist der wohl einzige Weg zur Akzeptanz in der großen FCK-Familie.

Zwei Jahre hat er dafür Zeit – zumindest auf dem Papier, sein Vertrag gilt bis 2026. Ist Anfang dann noch da, muss er erfolgreich gewesen sein. Von den besagten 14 Trainern hat nur einer seinen Vertrag erfüllt: Retter Funkel.

Moritz Kreilinger