Wie Ex-SC-Torwart Golz Atubolus Premierensaison bewertet

Wie Ex-SC-Torwart Golz Atubolus Premierensaison bewertet

Acht Jahre lang stand Richard Golz im Tor des SC Freiburg. Mit Interesse hat der 56-Jährige die Premierensaison des Freiburger Eigengewächses Noah Atubolu (22) verfolgt. Golz gibt sein Urteil über den U-21-Nationalkeeper ab, blickt voraus – und fühlt sich an seine eigene Vergangenheit erinnert.

Auch auf die 3. Liga hat Golz ein besonderes Augenmerk gerichtet. Sein Sohn Jakob hütet schließlich das Tor von Rot-Weiß Essen. Einen gegnerischen Positionskollegen des Juniors hatte Golz deshalb schon in der Saison 2022/23 im Blick: Noah Atubolu.

“Ich war ein bisschen überrascht, dass sie sich so klar auf ihn als Nummer 1 festgelegt haben. Aber ein selbst ausgebildeter Spieler in dem jungen Alter, das ist eine tolle Story. Die SC-Verantwortlichen kannten Atubolu seit vielen Jahren sehr gut und haben auf dieser Basis diese mutige Entscheidung getroffen”, blickt Golz auf den Sommer 2023 zurück.

Die SC-Entscheider Jochen Saier, Klemens Hartenbach und Christian Streich machten seinerzeit Atubolu zum Nachfolger von Mark Flekken, der sich als Spätstarter durch starke Leistungen in die holländische Nationalmannschaft gespielt hatte und für 13 Millionen Euro Ablöse zum FC Brentford in die Premier League wechselte.

Ein schwieriges sportliches Erbe für den seit 2015 beim SC ausgebildeten Atubolu, der zu diesem Zeitpunkt zwar schon 56 Drittliga-, zwei DFB-Pokal- und zehn Länderspieleinsätze sowie einen Europa-League-Auftritt absolviert hatte, aber ohne einzige Bundesligaprobe befördert wurde.

Golz’ Erinnerung an Stein und den HSV

“Ich hatte damals Ende der Achtziger eine ähnliche Situation beim HSV. Uli Stein war damals überragend und dann nur wegen disziplinarischer Gründe nicht mehr im HSV-Tor. Ich wurde danach als sehr junger Torwart auch direkt mit ihm verglichen. Das ist hart, im Profifußball aber auch normal”, erinnert sich Golz an seine eigene Vergangenheit.

Richard Golz

Fühlt sich an seine eigene Karriere erinnert: Richard Golz.
imago images/Sportfoto Rudel

“Wenn man am Saisonende auf die Tabelle schaut, ist Platz 10 leider irgendwie enttäuschend”, sagt Golz über die Bilanz des SC, der am letzten Spieltag das dritte Europacup-Ticket in Serie verpasste und urteilt über Atubolus Darbietungen: “Freiburg hatten in den letzten so erfolgreichen Jahren mit Mark Flekken einen überragenden Torwart. Das war Atubolu in dieser Saison nicht, aber für sein erstes Jahr war das gut.”

Zwischen Schwankungen und zehn weißen Westen

Eine Stärke von Kraftpaket Atubolu (1,90 Meter, 98 Kilo) sei dessen “Bärenruhe”, die in manchen Momenten aber auch zur Schwäche werde. “Manchmal wirkt es mit der Ruhe in brenzligen Situationen übertrieben, was wiederum an seiner Ausstrahlung kratzt”, sagt Golz und resümiert: “Atubolu hatte Leistungsschwankungen, hat aber auch oft zu Null gespielt. Das ist auch eine Qualität, auch wenn er nicht alleine dafür verantwortlich war.”

Tatsächlich werden Atubolus zehn weiße Westen in der Bundesliga nur von Meister-Keeper Lukas Hradecky (14) und Vize-Meister-Torwart Alexander Nübel (11) überboten. Zudem blieb das SC-Eigengewächs viermal in zehn Europa-League-Partien ohne Gegentor.

Was Golz Atubolu nächste Saison und perspektivisch zutraut

Die Erfahrung in den insgesamt 45 Pflichtspielen als erster Schlussmann der Freiburger Profis und besonders die internationale erachtet Golz als sehr wertvoll: “Wenn Atubolu das alles sachlich aufarbeitet, bin ich mir sehr sicher, dass er nächste Saison einen deutlichen Sprung machen wird bei Ausstrahlung und Selbstverständnis.”

Golz traut Atubolu perspektivisch weitere Schritte zu, eines Tages auch jenen zu einem größeren Verein: “Der SC ist nicht mehr wie früher zwingend auf Spielerverkäufe angewiesen, aber der best case wäre, ihn Schritt für Schritt weiterzuentwickeln und irgendwann für 20 Millionen Euro zu verkaufen. Der Torwart ist für mich die wichtigste Position im Fußball. Wenn Atubolu sich Schritt für Schritt steigert und stabil bleibt, wird er früher oder später natürlich interessant für zahlungskräftige Klubs.”

Wie SC-Sportdirektor Hartenbach urteilt, wo er Steigerungsbedarf sieht, in welchen Bereichen sich Atubolu im Verlauf der Saison gesteigert hat und wie ein Datenvergleich mit seinen U-21-EM-Vorgängern Alexander Nübel und Finn Dahmen ausfällt – lesen Sie im aktuellen kicker (Montagsausgabe) eine ausführliche Analyse zu Atubolus Premierenjahr im Freiburger Tor.

Carsten Schröter-Lorenz