Supercup 1974: Als die Politik das Spiel der Spiele verhinderte

Supercup 1974: Als die Politik das Spiel der Spiele verhinderte

Der 1. FC Magdeburg lässt als Europapokalsieger der Pokalsieger das europäische Supercupfinale gegen Bayern München platzen. Wolfgang Seguin blickt enttäuscht zurück.

Wimpeltausch der Kapitäne: Der Magdeburger Manfred Zapf (li.) und Bayerns Franz Beckenbauer vor dem Rückspiel.

Wimpeltausch der Kapitäne: Der Magdeburger Manfred Zapf (li.) und Bayerns Franz Beckenbauer vor dem Rückspiel.

imago images

Der europäische Supercup – ein seit 1972 jährlich ausgetragener Wettbewerb, der in einem Spiel zwischen dem Gewinner der Champions League (früher Europapokal der Landesmeister) und dem des Europapokals der Pokalsieger (seit 2000 des UEFA-Cups) entschieden wird.

Als bisher einziger deutscher Klub konnte der FC Bayern 2013 und 2020 diesen Supercup gewinnen. Ein erstes Mal hätte es der deutsche Rekordmeister aber schon viel früher tun können: 1974 sollten die beiden Europapokalsieger Bayern München (Landesmeister) und 1. FC Magdeburg (Pokalsieger) im deutsch-deutschen Duell aufeinandertreffen. Die Partie jedoch fand nie statt. Warum?

Der Druck der Politik

Die Enttäuschung ist dem Magdeburger Wolfgang “Paule” Seguin noch 35 Jahre danach anzumerken. “Wir hatten uns riesig darauf gefreut, dass wir nun im Supercup auf Bayern München treffen würden”, erinnert sich der 21-malige DDR-Auswahlspieler. “Doch als wir Magdeburger Nationalspieler von der WM 1974 zurückkehrten, herrschte eisiges Schweigen über den Termin.” Langsam dämmerte es dem Mittelfeldmann, dass es nichts werden würde mit dem Spiel.

“Wir waren frustriert und sauer”, sagt er. “Denn wer hat schon die Gelegenheit, ein Supercupfinale zu bestreiten? Die Enttäuschung hatte also nicht nur mit dem Gegner Bayern zu tun, obwohl der Reiz natürlich besonders groß gewesen wäre. Wir rechneten uns auch eine große sportliche Chance aus, weil es in dieser Phase in unserer Mannschaft super lief.” Erst viel später habe er erfahren, dass es auch bei Bayern unterschiedliche Meinungen über das Finale gab, erzählt Seguin. “Präsident Wilhelm Neudecker glaubte, dass das Interesse von uns Magdeburgern nicht sehr groß sei, weil wir uns keine Siegchance ausrechnen würden. Trainer Udo Lattek dagegen war der Auffassung, dass unser Ehrgeiz sicherlich unglaublich groß sei. Lattek lag richtig.”

Doch die Politik dominierte in der DDR den Sport. Offiziell wurden vom Sportbund (DTSB) und vom Fußballverband (DFV) der DDR Terminprobleme als Grund für das Nicht-Zustandekommen des Spiels angegeben. In den Memoiren des Meistertrainers Heinz Krügel liest es sich jedoch anders: “Ein UEFA-Vertreter, ein Jugoslawe, führte in Magdeburg Gespräche über das Spiel; daraufhin wurden wir von Verbandsseite und der Bezirksleitung der Partei gerügt und so stark unter Druck gesetzt, dass wir das Spiel absagen mussten.” Der UEFA-Vertreter verabschiedete sich mit den Worten: “Dieses Spiel kommt noch zustande, dafür sorge ich.”

Wolfgang Seguin gegen den FC Bayern

Einer gegen drei: Wolfgang Seguin im Duell mit den Bayern, 1974/75.
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Krügels seltener taktischer Fehler

Und so fragt sich Seguin, der mit 380 DDR-Oberliga-Spielen und 57 Europacup-Einsätzen Magdeburger Doppel-Rekordhalter ist, bis heute: “Ob der Jugoslawe dann beim Losen wohl ein wenig nachgeholfen hat?” Denn im Achtelfinale des Landesmeisterpokals 1974/75 kam es dann doch zum Aufeinandertreffen der beiden deutschen Vereine. Im Hinspiel in München führte Magdeburg durch Tore von Martin Hoffmann und Jürgen Sparwasser zur Pause mit 2:0. Als Regisseur Jürgen Pommerenke verletzt wurde, “machte unser Trainer Heinz Krügel einen seiner wenigen taktischen Fehler”, so Seguin, “er wollte die Bayern platt machen und wechselte einen dritten Stürmer ein, statt die Defensive zu stärken”.

So konnten die Münchner das Spiel drehen und mit 3:2 gewinnen (alle drei Tore durch Gerd Müller). Pikant: Das DDR-Fernsehen bekam von bundesdeutscher Seite keine Genehmigung für eine Direktübertragung, so dass die Magdeburger Fans gezwungenermaßen das von der DDR-Führung unerwünschte Westfernsehen einschalten mussten. Mit einem 2:1- Sieg in Magdeburg (die Münchner Tore durch Gerd Müller, Gegentreffer Sparwasser) machten die Bayern im Rückspiel den Einzug ins Viertelfinale klar. “Unsere Chancen aufs Weiterkommen waren in München größer als zu Hause”, sagt Seguin heute.

Dieser Text erschien erstmals in der kicker-Ausgabe vom 3. August 2009.

Jürgen Nöldner