Mit diesem Spirit muss sich der BVB vor niemandem verstecken

Mit diesem Spirit muss sich der BVB vor niemandem verstecken

Der BVB steht zum dritten Mal im Endspiel der Champions League. Es ist ein grandioser Erfolg für die Schwarz-Gelben um Trainer Edin Terzic, die in den vergangenen Wochen durch die internationalen Erfolge wieder zu einer Einheit mit ihren Fans wurden – und sich mit diesem Spirit auch im Finale nicht verstecken müssen. Ein Kommentar von kicker-Reporter Matthias Dersch.

Karim Adeyemi mit einer BVB-Fahne im Fanblock im Pariser Prinzenparkstadion.

Karim Adeyemi mit einer BVB-Fahne im Fanblock im Pariser Prinzenparkstadion.

Getty Images

Marcel Sabitzer war nicht mehr zu bremsen: Schiedsrichter Daniele Orsato hatte seinen Abpfiff noch gar nicht beendet, da stürmte der Österreicher los in Richtung des kleinen Dortmunder Blocks von 2000 mitgereisten Fans in der Ecke des Pariser Prinzenparks. Dortmund steht im Finale der Champions League. Erstmals seit 2013. Überhaupt erst zum dritten Mal in seiner Geschichte. Das musste gefeiert werden an diesem denkwürdigen Abend, an dem der BVB das ganze defensive Können zeigte, das in dieser Mannschaft steckt – und beim 1:0-Sieg dennoch auf das nötige Matchglück angewiesen war. Gleich viermal traf das PSG-Ensemble um Superstar Kylian Mbappé Latte oder Pfosten.

Terzic hat in dieser CL-Saison nahezu alles richtig gemacht

Doch das war egal in den Minuten nach dem Abpfiff, in dem Fans und Mannschaft regelrecht miteinander verschmolzen und kaum mehr auseinanderzuhalten waren. Einzig die gelben Final-Shirts, die Spieler und Verantwortlichen eilig übergezogen hatten, unterschieden sie in ihrer Freude und Euphorie noch vom völlig beseelten Anhang. Immer wieder suchten sie den Körperkontakt, sprangen wie kleine Kinder über den Rasen und vor der Kurve, schrien ihre Freude raus. Und mittendrin: Edin Terzic, der oft kritisierte Dortmunder Coach, der in dieser Champions-League-Saison mit Ausnahme des ersten Gruppenspiels gegen Paris nahezu alles richtig gemacht hatte.

Es waren Szenen, die in dieser Saison, die für den BVB so wechselhaft verlaufen war, lange Zeit nur schwer vorstellbar schienen. Umso ausgelassener genossen die Dortmunder den Moment, den sie sich vor einem Jahr noch selbst versagt hatten, weil sie im Meisterschaftsfinale gegen Mainz die Nerven verloren.

Hummels und Schlotterbeck nicht zu überwinden

Umso beeindruckender die Leistung am Dienstag in Paris. Wie bereits im Hinspiel, das ebenfalls mit 1:0 an den BVB gegangen war, wusste die von Terzic und seinem Trainerteam perfekt eingestellte Mannschaft, wie sie PSG den Zahn ziehen kann. Alle Feldspieler – Stürmer Niclas Füllkrug eingeschlossen – verteidigten so beherzt, wie man es nur tut, wenn es um eine einmalige Chance geht – und man das auch verstanden hat. Terzic hatte am Tag vor der Partie gesagt, PSG habe eine Mission, Dortmund einen Traum. Wer wollte, der konnte das am Dienstagabend sehen. Die einen hatten den Druck, gewinnen zu müssen. Die anderen wollten gewinnen. Und dafür warfen sich die Spieler mit allem, was ihr Körper hergab, in diesen Vergleich.

Sinnbildlich dafür standen auch am Dienstagabend die vor allem in dieser Champions-League-Saison so oft herausragenden Innenverteidiger Mats Hummels und Nico Schlotterbeck. Sie waren auch in Paris nicht zu überwinden, weil sie sich das nötige Glück durch harte Arbeit verdienten. Wie sie immer wieder noch das Bein oder den Körper reinstellten, den Kopf hinhielten oder ins Laufduell gingen, wenn PSG angriff, war große Verteidigungskunst. Es passte daher, dass einem von ihnen – Hummels – auch der offensive Moment des Abends gehörte.

BVB präsentierte sich reif und erwachsen

Tags zuvor hatte Hummels noch ein flammendes Plädoyer für Schlotterbeck behalten und ihm eine goldene Zukunft bescheinigt. Einzig den Offensivkopfball müsse er noch mit ihm trainieren. Warum, das zeigte er selbst in der 50. Minute, als er Brandts Ecke in den PSG-Kasten köpfte und damit das Tor zum Finale in Wembley ganz weit aufstieß.

Ein Spiel nur noch trennt den BVB nun vom ganz großen Triumph. Bei allem Fortune, das der BVB gegen Paris eben auch hatte – unverdient ist dieser Finaleinzug gewiss nicht. Vor allem in den Auswärtsspielen in Mailand, Newcastle und jetzt Paris, aber auch in den Heimspielen gegen Paris, Newcastle und Eindhoven hatte sich Dortmund reif und erwachsen präsentiert. Der 4:2-Heimsieg im Viertelfinale gegen Atletico zündete dazu den nötigen Glauben an. Weil er den BVB mit seiner jüngeren Vergangenheit versöhnte sowie aus dem Team und den Fans wieder eine Einheit machte. Unabhängig davon, ob der Endspielgegner nun wie 2013 FC Bayern heißt oder Real Madrid – verstecken muss sich der Königsklassen-BVB mit dem zuletzt gezeigten Spirit vor keinem der beiden. Auch diesen Mut haben die Schwarz-Gelben durch harte Arbeit verdient.

Welche Lehren ziehen die Dortmunder Verantwortlichen aus dieser verrückten Saison?

Spannend bleibt die Frage, welche Lehren die Dortmunder Verantwortlichen aus dieser verrückten Saison ziehen und wie sie den Kader dahingehend optimieren, dass er auch in den nationalen Wettbewerb künftig so an seine Grenzen geht wie international. In der Öffentlichkeit wird es in den nächsten Wochen nur das Thema Wembley geben, intern dagegen werden Lars Ricken, der neue Geschäftsführer Sport, und Co. weiter am neuen BVB basteln müssen. Die Champions-League-Einnahmen, vor allem aber das mit dem Finaleinzug verbundene Prestige dürfte ihnen die Arbeit ein gutes Stück einfacher machen. Und diejenigen, die diese Argumente noch nicht überzeugen, denen zeigen die Dortmunder vielleicht einfach die Jubelszenen nach dem Abpfiff in Paris, die auch um 23.30 Uhr noch immer nicht beendet waren, als der Rest des Stadions längst leergefegt war.