Köln-Trainer Weber über Kritik, Europa-Ambitionen und Rückkehrerin Cerci

Köln-Trainer Weber über Kritik, Europa-Ambitionen und Rückkehrerin Cerci

Daniel Weber übernahm im Sommer beim 1. FC Köln und steht vor dem Ende einer turbulenten Saison. Der Klassenverbleib wird wohl gelingen, zufrieden sind sie allerdings nicht. Darüber sprach der Coach mit dem kicker.

Der Klassenverbleib ist fast geschafft. Drei Spieltage vor Schluss ist dem 1. FC Köln die Bundesliga-Zulassung kaum mehr zu nehmen – der 1. FC Nürnberg hat sechs Punkte weniger auf dem Konto und zudem das deutlich schlechtere Torverhältnis.

Beim FC war am Wochenende nach dem 2:0-Erfolg gegen den SC Freiburg darum ein kollektives Ausatmen zu vernehmen. Der große Jubel indes dürfte auch dann nicht ausbrechen, wenn das oberste Saisonziel wirklich offiziell erreicht ist. So wurde der Klub seinen eigenen Ansprüchen doch zu selten gerecht.

FC-Geschäftsführer Christian Keller spricht gegenüber dem kicker von einem “unbefriedigenden Saisonverlauf”. Die Gründe dafür, sagt er, seien vielschichtig. “Unter anderem ist es der Mannschaft nicht gelungen, konstant gute Leistungen auf den Platz zu bringen, sowohl im Hinblick auf individuelle, gruppen- und mannschaftsspezifische Kriterien.”

Gegen Freiburg eine “so starke Bank wie nie in dieser Saison”

Gegenüber dem kicker bezog Trainer Weber nun ausführlich Stellung. Der Fußballlehrer, der seit dem vergangenen Sommer im Amt ist und einen bis 2026 andauernden Vertrag besitzt, äußerte sich über …

… den wichtigen Sieg gegen Freiburg:

“Schon in Hoffenheim beim 1:1 haben wir die Grundlage dafür mit einer sehr starken Defensivleistung gelegt. Exakt das wollten wir gegen Freiburg so fortführen, auch wenn wir das Team waren, das das Spiel dringend gewinnen musste. Wir hatten also den Plan, aus einer klaren Grundordnung zu agieren, weil wir es uns nicht erlauben wollten, in Rückstand zu geraten. Wir wussten, dass wir unsere Möglichkeiten bekommen, wenn wir stabil sind. Und dass wir eine so starke Bank wie noch nie in dieser Saison zur Verfügung hatten. Selina Cerci hat sich am Ende als Gamechanger erwiesen.”

… Angreiferin Cerci, die gegen den SC zweifach traf und lange verletzt gefehlt hatte:

“Mehr als eine Halbzeit konnte sie bislang noch nicht spielen. Das war so abgestimmt mit ihr und unserem Medizin- und Athletikbereich. Sie zwar zwischendurch auch noch mal krank, hatte einen grippalen Infekt und wurde deshalb ein wenig zurückgeworfen. Die letzten zwei Jahre waren insgesamt sehr unbefriedigend für sie, wir mussten mit ihr nach ihrer Verletzungshistorie sehr vorsichtig sein. Also wurde und wird sie Schritt für Schritt herangeführt. Klar ist: Der Input von Selina ist enorm. Sie hat eine sehr große Spielintelligenz, ist in der Lage, Bälle festzumachen, sodass die Mannschaft nachrücken kann.

Diese Fähigkeiten kann sie auf den Punkt einbringen.

Daniel Weber über Selina Cerci

Das ist ihr Talent, das sie neben ihrer Torgefährlichkeit schon vor ihren Kreuzbandverletzungen unter Beweis gestellt hat. Diese Fähigkeiten kann sie auf den Punkt einbringen. In den nächsten Wochen wird es vielleicht auch mal zum Thema werden, dass sie in der Startelf steht. Sie kann dann womöglich nicht durchspielen, aber jetzt, da der Klassenerhalt fast geschafft ist, müssen wir auch nichts riskieren mit ihr und können eher schauen, dass sie positiv in die neue Saison kommt.”

… die guten Chancen auf den Klassenverbleib:

“Wir haben sicherlich ein schweres Restprogramm mit den Auswärtsspielen in Wolfsburg und Essen und dem Heimspiel gegen Frankfurt. Nürnberg muss allerdings noch zu den Bayern, muss da etwas holen und gegen Leipzig und Duisburg gewinnen, um uns überhaupt einzuholen zu können. Wobei das impliziert, dass wir selbst keinen Punkt mehr holen.

Nach dem Sieg gegen Freiburg haben wir aber Selbstvertrauen und wollen den Klassenverbleib aus eigener Kraft fix machen. In Wolfsburg wartet nun eine riesige Hürde auf uns, im Hinspiel (1:4, Anm. d. Red.) haben wir allerdings bewiesen, dass wir auch gegen den VfL performen können, haben da unsere beste Halbzeit in dieser Saison gespielt. Erst am Schluss ist uns ein wenig der Atem ausgegangen. Und das geht vielen Mannschaften gegen die Top-Teams der Liga so.”

… die Ursachen für das sportliche Abschneiden:

“Wir hatten uns das sicherlich anders vorgestellt. Das hat allerdings ganz verschiedene Ursachen. Die Kaderplanung war durch den späten Klassenerhalt in der vergangenen Saison eine Herausforderung. Ein neuer Staff und ich als Trainer sind hinzugekommen. Und wir mussten lange Zeit auf viele Spielerinnen verzichten. Adriana Achcinska war verletzt, Selina Cerci haben wir gleich am ersten Trainingstag verloren, Manjou Wilde hat lange gefehlt. Das kann man dann nicht immer auffangen. Wir sind mit viel Elan in die neue Saison gestartet, aber auch mit einigen Baustellen, die sich bemerkbar gemacht haben.

Erst im Winter konnten wir mit Sara Agrez und Carlotta Wamser nachlegen, die uns stabilisiert haben. Im Frühjahr gab es aber schon wieder neue Ausfälle. Dass wir nicht gut aus der Winterpause gestartet sind, kam da noch hinzu. Wenn du einmal im Negativtrend bist, musst du im Kopf stark sein. Das haben wir nicht so geschafft wie erhofft. Jetzt, da alle wieder fit sind, merkt man aber, welche Qualität im Kader steckt. Und diese Situation hätten wir uns deutlich früher gewünscht.”

… das funktionierende personelle Gerüst, das dem FC laut Weber lange Zeit fehlte:

“All die Teams, die oben oder im oberen Mittelfeld mitspielen, haben eine klare personelle Grundstruktur. Das ist eigentlich der wichtigste Punkt. Wenn du diese Struktur hast, kannst du andere Spielerinnen hineinwerfen und integrieren, sie können sich in einem funktionierenden Gebilde entwickeln. Wenn allerdings exakt diese Spielerinnen sofort die große Last schultern sollen, dann wird es sehr, sehr schwierig – das haben wir in dieser Saison gemerkt.”

… die Äußerungen von Christian Keller, der schon vor rund einem Monat erklärte, mit dem Saisonverlauf “überhaupt nicht zufrieden” zu sein und darauf verwies, dass der FC einen Kader habe, “der eigentlich im guten Liga-Mittelfeld angesiedelt ist, was die Qualität anbelangt”:

“Da gehe ich mit, aber leider hatten wir verletzungsbedingt nie alle Spielerinnen zur Verfügung. In Freiburg in der Hinserie mussten wir beispielsweise U-20-Spielerinnen nachfahren lassen, damit wir überhaupt 15 Feldspielerinnen im Kader hatten. Christians Kritik an sich ist gerechtfertigt, wir haben auch viele Spiele nicht so gestaltet, wie wir es wollten. In der Tiefe muss man sie aber sicherlich noch detaillierter durchleuchten, um ein komplettes Fazit zu ziehen.

Wir haben die Resultate oftmals nicht ins Ziel gebracht.

Daniel Weber

Und Christian hat auch gesagt, dass er eine fußballerische Entwicklung sieht. So sehe ich es auch, wir haben die Resultate aber oftmals nicht über die Ziellinie gebracht, waren nicht clever genug oder konnten nicht gut genug nachlegen und einwechseln, weil uns aus den genannten Gründen die Möglichkeiten fehlten.”

… das Ziel des FC, in den nächsten Jahren auch mal oben anzugreifen:

“Dafür ist noch viel Arbeit nötig in Sachen Infrastruktur, Kaderstruktur und Finanzen. Köln bietet viel Potenzial, was die fußballbegeisterten Fans, die Stadt und die Power im Verein anbelangt. Wir müssen aber mit allen Klubs, mit dem DFB und den Medien dafür sorgen, dass der Frauenfußball weiter professionalisiert wird und weiter nach vorne kommt. Ein Ziel ist, dass sich der FC-Frauenfußball irgendwann selbst tragen kann. Das muss unser Weg sein: mehr Fans, mehr Geld für die Entwicklung und um noch interessantere Spielerinnen zu verpflichten.

Der Schritt ins Mittelfeld der Liga ist deshalb nicht der schwierige, sondern der Schritt in den Bereich der internationalen Plätze. Denn wenn die Strukturen in der Liga besser werden, wenn die Teams besser werden, vielleicht noch neue Top-Mannschaften dazukommen, dann wird es richtig interessant. Vielleicht wird es ja irgendwann noch neue internationale Wettbewerbe neben der Champions League geben. Und dann wollen wir gut aufgestellt sein. Im Trainerteam werden wir alles dafür tun, dass sich unsere Spielerinnen weiterentwickeln und die Qualität steigt.”

… den Druck, der in den vergangenen Monaten aufkam:

“Wenn es nicht gut läuft, es kurze Höhen, aber zu viele Tiefen gibt, ist es natürlich ungemütlich – auch wenn die Rückendeckung vom Verein immer da war. Kein Trainer ist zufrieden, wenn die Ergebnisse ausbleiben. Und jeder Trainer will immer alle Spielerinnen fit an Bord haben, dann kann man aus dem Vollen schöpfen und sieht, wohin der Weg führen kann.

Wir haben intensiv gearbeitet, das ganze Jahr. Wenn du dann am Ende erst die Punkte einfährst, ist es auch gut, weil zuallererst das Erreichen des Saisonziels wichtig ist. Wir werden auch in den weiteren Spielen alles daran setzen zu punkten.”

Leon Elspaß