Klub-Beteiligung an Polizeikosten: Fragen und Antworten zum Verfahren

Klub-Beteiligung an Polizeikosten: Fragen und Antworten zum Verfahren

Seit 2015 stellt Bremens Senat dem Profifußball bei Hochrisikospielen zusätzliche Polizeikosten in Rechnung. Die DFL hält das Vorgehen für verfassungswidrig. Am Donnerstag befasst sich das Bundesverfassungsgericht mit ihrer Beschwerde. Fragen und Antworten zum Verfahren.

Deutliche Mehrkosten: Erhöhte Polizeipräsenz bei einem Werder-Spiel gegen den HSV.

Deutliche Mehrkosten: Erhöhte Polizeipräsenz bei einem Werder-Spiel gegen den HSV.

imago sportfotodienst

Um was geht es?

Bisher ist Bremen das einzige Bundesland, das die Zusatzkosten bei sogenannten Rot-Spielen abrechnet. Seit 2015 gibt es sieben Anwendungsfälle, ohne die Pandemie wären es mehr. Der erste Fall war ein Spiel zwischen Werder und dem Hamburger SV. Für das Nord-Derby wurden seitdem weitere drei Mal Gebühren erhoben sowie für je eine Partie von Werder gegen Borussia Mönchengladbach, Hannover 96 und Eintracht Frankfurt.

1,95 Millionen von rund 2,5 Millionen sind inzwischen bezahlt. Aus Sicht der DFL muss Werder dafür geradestehen. Die Hälfte der Summe hat der Verband dem Klub bis zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das erst in einigen Monaten erwartet wird, gestundet.

Wie berechnen sich die Gebühren?

Auf kicker-Nachfrage macht der Bremer Senat folgende Beispielrechnung auf: “Gesamtkosten Rot-Spiel 490.000 Euro abzüglich durchschnittliches Gelb-/Grünspiel in Höhe von 125.000 Euro ergibt eine Gebühr in Höhe von 365.000 Euro.”

Die Freie Hansestadt Bremen hatte im Jahr 2014 den Paragraph 4, Absatz 4 des Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetzes geschaffen, wonach für “eine gewinnorientierte Veranstaltung, an der voraussichtlich mehr als 5000 Personen zeitgleich teilnehmen werden, wenn wegen erfahrungsgemäß zu erwartender Gewalthandlungen … der Einsatz von zusätzlichen Polizeikräften vorhersehbar erforderlich wird”, eine Gebühr erhoben werden muss.

Werden die Gegner an den Kosten beteiligt?

32 der 36 Klubs votierten bereits 2019 bei einer DFL-Mitgliederversammlung dafür, dass Werder die Kosten allein zu tragen hat. Einen entsprechenden Grundsatzbeschluss hatte das DFL-Präsidium zuvor gefasst. Damit ist dem Verein ein erheblicher Standortnachteil entstanden, der durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts gekippt werden könnte.

Wie argumentiert die DFL vor Gericht?

Nachdem der Ligaverband und Werder vor verschiedenen Verwaltungsgerichts-Instanzen mit dem Vorhaben gescheitert sind, die Gebührenordnung zu kippen, bleibt das Bundesverfassungsgericht als letzte Ausfahrt. Die DFL hält die Regelung prinzipiell für nicht verfassungskonform.

“Die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit ist eine staatliche Kernaufgabe. Grundsätzlich gilt daher das Steuerstaatsprinzip, wonach die Erfüllung öffentlicher Aufgaben aus Steuermitteln zu erfolgen hat. Hieraus folgt, dass der Staat die für die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit entstehenden Kosten zu tragen hat. Sonstige Abgaben, wie z. B. Sonderabgaben oder Gebühren, dürfen nicht zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben dienen”, heißt es vor der mündlichen Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts am Donnerstag in einer Stellungnahme.

Wie sehen es andere Bundesländer?

Bremens Innensenator Ulrich Mäurer bekommt für die Regelung Unterstützung aus Rheinland-Pfalz, wo eine Einführung solcher Gebühren sogar im aktuellen Koalitionsvertrag festgeschrieben sind. “Dabei macht es jedoch nur Sinn, ein gemeinsames, ländereinheitliches Vorgehen zu verfolgen, um eine einheitliche und faire Regelung zu gewährleisten. Daher bleibt zunächst das Urteil des Bundesverfassungsgerichts abzuwarten”, heißt es in einer aktuellen Stellungnahme aus dem Innenministerium in Mainz. Die Sinnhaftigkeit einer solchen Gebühr wird in NRW, wo viele Profiklubs beheimatet sind, angezweifelt.

“Aus einsatzfachlicher Sicht erscheint die Erstattung von Einsatzkosten (…) grundsätzlich nicht geeignet, den Gewalttätigkeiten bei Fußballspielen entgegenzuwirken”, erklärt ein Sprecher des Innenministeriums in Düsseldorf. “In Hessen sind derzeit keine Gebührenbescheide bei Hochrisikospielen beabsichtigt. Wir verfolgen insoweit die Mehrheitsposition der Bundesländer. Aus unserer Sicht besteht keine Notwendigkeit, die Vereine an dieser Stelle zusätzlich zu belasten”, heißt es in einer Antwort aus Wiesbaden.

Bremens Innensenator Mäurer kündigt an, “das Thema auf der nächsten Innenministerkonferenz auf die Agenda zu setzen” und neue Mitstreiter für sein Projekt gewinnen zu wollen.

Wie läuft die Fan-Arbeit?

Klubs und Verbände haben zahlreiche Maßnahmen im Bereich Prävention und Sicherheit ergriffen. Gemeinsam mit Kommunen und Ländern finanzieren sie Fanprojekte, die sozialpädagogische Fanarbeit nach dem Nationalen Konzept Sport und Sicherheit leisten, und investierten im Kalenderjahr 2023 rund neun Millionen Euro, etwa fünf Millionen Euro vonseiten der DFL, in die kommunale Jugendhilfe. Hinzukommen pro Saison zweistellige Millionenbeträge seitens der Klubs.

Eine Erhöhung der Budgets, wie von Fanprojekten gefordert, wird jedoch abgelehnt, weshalb einige Projekte ihre Arbeit gefährdet sehen. Letztmals kam es 2012 zu einer substanziellen Verbesserung der Finanzsituation, als der Fußball seinen Anteil an der Finanzierung der Fanprojekte deutlich aufstockte. Die Kosten für Mieten, Personal, Energie sind seitdem deutlich gestiegen.

Michael Ebert