Verlängerungen, Abschiede, Ziele: So geht es in Balingen nach dem Abstieg weiter

Verlängerungen, Abschiede, Ziele: So geht es in Balingen nach dem Abstieg weiter

Ein schwäbisches Wunder hätte es im Saisonendspurt gebraucht. Stattdessen gab’s für die TSG Balingen im vorerst fünftletzten Regionalliga-Spiel eine hessische Abreibung. Die Folge: In der kommenden Saison geht es in der Oberliga weiter – die soll aber nur ein Intermezzo sein.

Ein Trainer im Regen: Nach dem 0:5 in Offenbach gibt es für Balingen und Coach Murat Isik keine Hoffnung mehr.

Ein Trainer im Regen: Nach dem 0:5 in Offenbach gibt es für Balingen und Coach Murat Isik keine Hoffnung mehr.

IMAGO/Eibner

Regionalliga Südwest

Mit 0:5 unterlagen die Württemberger am Samstag bei Kickers Offenbach. Nach sechs Jahren, in denen sich die Balinger TSG mit einer Mannschaft aus Amateurfußballern in der Südweststaffel gehalten hatte, steht der Abstieg der Schwaben in die Oberliga Baden-Württemberg damit fest. Enttäuscht, gewiss. Ein bisschen traurig, ja auch das sei er schon, sagte Vereinschef Eugen Straubinger auf dem Bieberer Berg. Andererseits habe man sich spätestens seit der Winterpause behutsam auf das Abstiegsszenario vorbereiten und entsprechende Planungsschritte einleiten können.

Dies zum einen, weil die Kluft zum rettenden Ufer bereits zur Jahreswende eklatant war und der Abstiegskampf im Südwesten durch die Dominanz Südwest-relevanter Teams im Tabellenkeller der 3. Liga verschärft wird. Und zum anderen, weil der Trainerwechsel im Winter – von Martin Braun hin zu Murat Isik – zwar anfangs Früchte trug, aber zuletzt verpuffte und schließlich von erheblichem Verletzungspech torpediert wurde.

“Muss schon alles passen”

“Wir waren uns zu jedem Zeitpunkt unserer möglichen Regionalliga-Endlichkeit bewusst”, sagte Straubinger nach dem Spielende in Offenbach. “Wir haben den Abstieg als denkbares Szenario also immer auch in unsere Planungen miteinbezogen”, so der Vorsitzende des 2020 vom Hauptverein abgespaltenen Fußballclubs weiter. “Damit du als Amateurverein, dessen Grundgerüst aus Ehrenamt, Eigengewächsen und einem lokalen Sponsorennetz besteht, in einer Profiliga bestehen kannst, muss schon alles passen.”

Sechs Jahre passte am Rande der Schwäbischen Alb tatsächlich sehr vieles sehr gut zusammen. Sechs Sommer lang hatten die Balinger in Sachen Neuverpflichtungen ein goldenes Händchen bewiesen, der namhaften Konkurrenz Vereinsmentalität, Teamgeist und eine geschlossenes Kollektiv entgegengestellt – und gewiss hie und da auch Glück gehabt, etwa in der Corona-Saison 2020/21, die annulliert wurde und der TSG so den Klassenerhalt bescherte. Sechs Balinger Jahre am Rande des Profifußballs waren es, in denen sich die TSG zusehends professionalisierte und durch Strukturreformen sukzessive zur Viertliga-Reife gelangte. Und dabei auch sportlich eine annähernd tadellose Entwicklung nahm, im vergangene Jahr mit Platz 6 und dem erstmaligen Gewinn des württembergischen Landespokals die größten Erfolge der Vereinsgeschichte feierte.

Sechs Spielzeiten aber auch, in denen ein Aufstiegsheld nach dem anderen der Doppelbelastung aus Hauptjob und Feierabendfußball in der vierten Liga Tribut zollte, es zuweilen auch Störfeuern zu löschen gab – und der TSG-Kader infolgedessen nach und nach immer weniger Local Heroes bereithielt. Doch genau auf die wird es in Balingen nun wieder ankommen.

Bleiben die Spieler?

Das weiß auch Straubinger, der gemeinsam mit Trainer Murat Isik und Manager Jonathan Annel schon seit der Winterpause in Verhandlungen mit den Spielern des aktuellen Kaders ist und auch erste Zusagen erhalten hat (unter anderem Eisele, Müller, Kuhn). “Wir wollen die Mannschaft bestmöglich zusammenhalten, auch werden wir niemanden vor die Tür setzen”, sagt der Funktionär. “Sprich, alle haben von uns ein Vertragsangebot erhalten.”

Dennoch weiß auch der Schulleiter im Ruhestand, dass gerade für jene Spieler, die eben nicht aus der eigenen Jugend oder der direkten Umgebung kommen, die TSG Balingen vor allem wegen der Möglichkeit interessant war, sich auf der Plattform Regionalliga zu beweisen. Dieses Argument im Werben um Spieler fällt nun weg. Straubinger rechnet daher mit weiteren Abgängen – neben Lukas Ramser, Aron Viventi und Tim Wöhrle (alle Ziel unbekannt), die ihren Abschied schon verkündeten.

Fragezeichen hinter Leistungsträgern

Gerade hinter Leistungsträgern wie Leander Vochatzer (liebäugelte immer wieder mit einem Abschied), Pedro Almeida Morais (steigerte sich unter Isik), Jonas Meiser (derzeit verletzt) und selbst den Lokalmatadoren Jan Ferdinand (von Isik wenig berücksichtigt) und Kaan Akkaya (von Isik überhaupt nicht berücksichtigt) prangern daher große Fragezeichen, trotz teils laufender Verträge.

Wie also geht es weiter im tiefen Württemberg? Der Umbruch jedenfalls wurde schon im Winter eingeleitet. Mit Braun musste erst der erfolgreichste Trainer der Vereinsgeschichte gehen – ein Schritt, der Straubinger schmerzte. Dann verabschiedete sich auch Brauns spielender Co-Trainer Lukas Foelsch (FC Holzhausen) von seinem Heimatverein, weil letzterer in Foelsch nicht den designierten Trainer-Thronfolger sah – anders als das Urgestein selbst. Auch dieser Abschied ging nicht spurlos am Vereinschef vorbei, weil Foelsch einer der letzten echten Urgesteine war, die den Verein schon zu Verbandsliga-Zeiten durch dick und dünn trugen und somit genuin TSG-DNA verkörperte.

Es kamen Isik und “Co” Kerem Arslan und mit ihnen sechs neue Spieler auf die Alb (Pilic, Brugger, Eroglu, Sanchez, Campanile, für diese Saison Griebsch und zur neuen Runde zudem Görr). Schon da deutete sich an, dass man in Balingen eher auf den langen Atem und abermals auf die eigene Jugend (Schaber, Schneider) setzt. Denn statt erfahrene Ex-Profis zu verpflichten, die im Abstiegskampf womöglich direkt hätten weiterhelfen können, sicherte man sich die Dienste von jungen Spielern mit Perspektive und zum Teil mit Verletzung – und stattete sie mit Oberliga-Verträgen aus.

Regionalliga-Rückkehr als Ziel

“Unser Ziel ist es, schnellstmöglich wieder in die Regionalliga zurückzukehren”, erklärte Straubinger. “Das haben wir in unserem Strategie-Papier so festgehalten: Wir wollen uns mittel- und langfristig in der Regionalliga Südwest etablieren.” Und kurzfristig? “Es wäre natürlich ideal, wenn wir den Wiederaufstieg direkt schaffen würden”, antwortete Straubinger. “Aber wir wissen um die Stärke der Oberliga Baden-Württemberg und kennen auch die Möglichkeiten der dortigen Vereine – wie vom Spitzenduo FC 08 Villingen und SG Sonnenhof Großaspach oder auch dem 1. Göppinger SV und dem SSV Reutlingen 05.”

Zudem dürfte es im Regionalliga-Abstiegskampf auch noch den VfR Aalen treffen und womöglich sogar den FC-Astoria Walldorf. “Diese wären im Aufstiegskampf starke Konkurrenten”, sagte der Balinger Verantwortliche, der nicht davon ausgeht, dass die TSG in Sachen Etat in der Oberliga künftig ganz oben mitspielen wird, aber den Verein rein finanziell zumindest im oberen Drittel sieht.

Apropos Etat: Straubinger ist sich sicher, dass sich in Sachen Sponsoring durch den Abstieg nichts Wesentliches ändern wird. “Wir haben das Glück, über treue Partner zu verfügen, die sich auch durch langfristige Verträge an uns gebunden haben.” Auch Heinrich Sülzle, Aufsichtsratsvorsitzender der TSG und Geschäftsführer des Hauptsponsors, versicherte kürzlich, dass er sein Engagement in der Oberliga wie gehabt fortsetzen werde. “Wichtiger Faktor sind die gemeinsamen Werte. Hier finden wir uns wieder. Wenn das auch in Zukunft passt, werden wir die TSG weiter unterstützen – unabhängig von der Liga”, sagte der Stahlunternehmen.

“Im Leben ist es doch oft so, dass nach einem Hoch auch mal ein Tief kommen kann. Und so ist es im Sport eben auch.” Sechs Jahre ging es in Balingen fast nur noch. Das Tief wollen die Schwaben nun deutlich schneller durchschreiten.

Marcel Schlegel