Hölzenbein und die ewige Schwalben-Frage: Können zwei Dinge stimmen?

Hölzenbein und die ewige Schwalben-Frage: Können zwei Dinge stimmen?

Auch nach seinen Lebzeiten wird Bernd Hölzenbein mit einer entscheidenden Szene aus dem WM-Finale 1974 in Verbindung gebracht werden – und womöglich gleichzeitig zu Recht und zu Unrecht beschuldigt.

Schlüsselszene im WM-Finale 1974: Wim Jansen (#6) gegen Bernd Hölzenbein (#17).

Schlüsselszene im WM-Finale 1974: Wim Jansen (#6) gegen Bernd Hölzenbein (#17).

picture alliance, imago images

Jack Taylor ließ sich nicht lumpen. Das WM-Finale 1974 war gerade erst grob eine Minute alt, noch kein deutscher Spieler hatte den Ball überhaupt berührt, da gab der englische Schiedsrichter Elfmeter für die Niederlande. Johan Neeskens verwandelte wuchtig zum 1:0.

Schon um diesen Pfiff rankten sich Ungereimtheiten, von deutscher Seite wird gerne behauptet, dass Uli Hoeneß den stürmisch andribbelnden Johan Cruyff nicht auf der Linie, sondern noch knapp außerhalb des Sechzehners gefoult hatte. Tatsächlich ist der genaue Ort des Vergehens nur schwer zu bestimmen.

Noch umstrittener ist allerdings ein Pfiff gut 20 Minuten später, als Taylor schon wieder auf den Punkt zeigte – diesmal auf der anderen Seite. Elfmeter für die Bundesrepublik, 1:1 durch Paul Breitner. Gerd Müller würde noch vor der Pause zum 2:1-Endstand treffen, Deutschland die Heim-WM 1974 im Endspiel gegen die grandiosen Niederländer für sich entscheiden – die am Elfmeter zum Ausgleich teilweise noch immer zu knabbern haben.

WM-Finale 1974

In einer Phase, in der Deutschland dem 1:1 immer näherkam, dribbelte der am Montag verstorbene Außenstürmer Bernd Hölzenbein dynamisch in den niederländischen Sechzehner, schlug ein paar Haken und kam im Duell mit Oranjes defensivem Mittelfeldspieler Wim Jansen zu Fall. War es ein Foul – oder doch eine Schwalbe, wie viele Niederländer behaupteten und behaupten?

Hölzenbein könnte nachgeholfen haben – aber nicht nur

Auch hier können selbst Zeitlupen der Szene nur bedingt Abhilfe schaffen. Sie deuten aber zumindest stark darauf hin, dass möglicherweise zwei Dinge stimmen: Schwalbe und Foul. Aus einer Perspektive, die den Zweikampf von vorne zeigt, lässt sich zum einen vermuten, dass Hölzenbein beim Fallen etwas nachhilft. Dass er sich extra vom Boden abdrückt; dass er, der Theatralik wegen, die Arme besonders hochzieht.

Doch zum anderen ist eindeutig zu erkennen, dass Jansen ganz bestimmt nicht den Ball, sondern durchaus Hölzenbeins Knöchel trifft. Nicht jeder Kontakt ist zwar ursächlich für ein Fallen, eine Schwalbe, die eine Täuschung bedeutet, kann trotz einer Berührung existieren. Weil Hölzenbein aber erst die Bodenhaftung verliert, nachdem es den Kontakt – mit offener Sohle – gegeben hat, lag ziemlich sicher nicht nur eine Täuschung des langjährigen Frankfurters vor, der selbst meist nicht “Schwalbe” oder “Foul” auf diese ewige Frage antwortete, sondern “Auf jeden Fall war es ein Elfer”.

Der berechtigtste Elfmeterpfiff im Endspiel von München blieb übrigens aus. Als die Niederländer in den Schlussminuten mit voller Kapelle anliefen und Deutschland sich durch einen Konter entlastete, holte Jansen Hölzenbein im eigenen Strafraum diesmal eindeutig von den Beinen. Doch einen dritten Strafstoß traute sich Schiedsrichter Taylor nicht.