Leverkusen setzt neue Maßstäbe – und muss keine Eintagsfliege bleiben

Leverkusen setzt neue Maßstäbe – und muss keine Eintagsfliege bleiben

Dass Bayer Leverkusens erste Meisterschaft eine besondere ist, zeigt schon der Vergleich mit dem letzten Meister, der nicht FC Bayern hieß. Ein Kommentar von kicker-Reporter Stephan von Nocks.

Zwei Gesichter des Leverkusener Erfolgs: Geschäftsführer Simon Rolfes und Trainer Xabi Alonso (re.).

Zwei Gesichter des Leverkusener Erfolgs: Geschäftsführer Simon Rolfes und Trainer Xabi Alonso (re.).

IMAGO/RHR-Foto

Nein, einen spannenden Titelkampf hat die Bundesliga in dieser Saison nicht erlebt. Bereits nach 29 Spieltagen steht der neue Deutsche Meister fest. Mit einer Ausnahmemannschaft, die in dieser Spielzeit immer noch ungeschlagen ist. Mit einer in dieser Saison unantastbaren Mannschaft – die aber nicht Bayern München, sondern eben Bayer 04 Leverkusen heißt.

Diese Ausnahmestellung des Werksklubs in der Liga auch nur ansatzweise mit der jüngsten Schwächephase des FC Bayern zu begründen, würde der Leistung des neuen Champions nicht gerecht werden. Dass der Titelfavorit aus München mit dem Team von Trainer Xabi Alonso nicht mithalten konnte, ist in erster Linie der herausragenden Stärke der Werkself zuzuschreiben. Nur zum Vergleich: Als die Münchner 2011 letztmals in der Liga ähnlich deutlich distanziert wurden, hatten sie nach 29 Spieltagen 14 Punkte Rückstand auf Dortmund. Jetzt rangieren sie 16 Zähler hinter Bayer. Allerdings hatte der BVB damals 66 Zähler auf dem Konto – eine Ausbeute, mit der die Borussia heute satte 13 Punkte hinter Bayer 04 liegen würde.

Leverkusens Triumph ist also ein außergewöhnlicher. Auch weil der Weg dorthin von Rekorden gepflastert ist. Die Ausbeute mit 79 von 87 möglichen Zählern nach 29 Spieltagen stellt einen neuen Bundesliga-Höchstwert dar. Zu diesem Zeitpunkt der Saison noch unbesiegt zu sein, bedeutet ebenfalls eine neue Bestmarke. Beide Rekorde hatten bis zum Sonntag die Bayern inne. Den Abonnementsmeister nicht nur als Titelgewinner, sondern auch in diesen beiden Kategorien abgelöst zu haben, verdeutlicht das herausragend hohe Niveau der Werkself, das ihr vor dieser Saison keiner zugetraut hätte: Bayer 04 ist die mit Abstand stärkste Mannschaft der Liga.

Die Geschäftsführer Fernando Carro und Simon Rolfes fungieren als die Baumeister dieses Werkes. Carro, der den Klub in vielen Bereichen moderner aufgestellt hat. Rolfes, der einen in der Spitze wie in der Breite nahezu perfekten Kader komponiert hat. Aus dem Xabi Alonso, der sich in eineinhalb Jahren vom Rookie zu der heißesten Aktie auf dem Trainermarkt entwickelt hat, ein gleichsam spielstarkes, taktisch variables wie stressresistentes Ensemble geformt hat.

Die Mannschaft wird nicht auseinanderfallen

Ein europäisches Spitzenteam, das mit dem Genie Florian Wirtz und dem Chef-Strategen Granit Xhaka zwei Schlüsselspieler besitzt neben einer Schar herausragender Profis wie Alleskönner Alejandro Grimaldo. Eine Mannschaft, die den Begriff “Vizekusen” und die Hohngesänge “Ihr werdet nie Deutscher Meister!” aus dem samstäglichen Sprachgebrauch der Fan-Kurven in die Mottenkiste des Fußballs verfrachtet und damit den Klub von einem Trauma befreit hat. Eine Mannschaft, die mit dem wahrscheinlichen Double und dem möglichen Triple weiterhin Geschichte schreiben kann – und eine Mannschaft, die nach dieser historischen Saison nicht auseinanderfallen wird.

Die Fixpunkte Wirtz, Xhaka und auch Xabi Alonso werden bleiben – und die Leverkusener damit auch nächste Saison ein Kandidat für Platz 1 sein. Dass Bayer 04 die Münchner Vorherrschaft mit zuvor elf Meistertiteln in Serie beendet hat, ist nämlich nur der eine Punkt. Darüber hinaus hat das Team von Xabi Alonso aber auch neue Maßstäbe gesetzt. Es gibt also genügend Gründe für die Annahme, dass der Leverkusener Triumph keine Eintagsfliege bleiben muss. Und dies wirkt wie ein Versprechen für die Liga auf einen spannenden Titelkampf auf hohem Niveau in der kommenden Saison – falls sich Bayers Konkurrenz dazu aufraffen kann.