Bayers Palacios und der beeindruckende Kaltstart

Bayers Palacios und der beeindruckende Kaltstart

Beim 2:0 in der Europa League gegen West Ham feiert Bayers Exequiel Palacios sein Comeback und steht gleich in der Startelf. Es ist ein beeindruckender Kaltstart, der eine große Frage aufwirft.

Spielte als wäre er nie weg gewesen: Exequiel Palacios feierte gegen West Ham ein beeindruckendes Comeback.

Spielte als wäre er nie weg gewesen: Exequiel Palacios feierte gegen West Ham ein beeindruckendes Comeback.

IMAGO/Treese

Mit Überraschungen ist es so eine Sache. Sie können gut-, aber auch gut und gerne danebengehen. Und als Bayers Trainer Xabi Alonso am Donnerstag Exequiel Palacios gegen West Ham United in die Startelf notierte, da stellte sich zumindest kurzzeitig die Frage, was das jetzt geben würde. Vor knapp vier Wochen hatte sich der Argentinier am Oberschenkel verletzt, war zuletzt weder gegen Düsseldorf (4:0) noch bei Union (1:0) eingewechselt worden – und sollte in diesem so wichtigen ersten Europa-League-Viertelfinalduell nun gleich von Beginn an auf den Rasen?

Es war eine durchaus überraschende Maßnahme, zumal Xabi Alonso keine Not besaß, seinen 25-jährigen Mittelfeldspieler zu diesem Kaltstart zu bitten. Kollege Robert Andrich befindet sich zurzeit bekanntlich in Top-Form, hatte Palacios bestens vertreten und musste trotzdem auf der Bank Platz nehmen, als die Engländer vorstellig wurden. Wäre diese Rochade danebengegangen, dann hätte Xabi Alonso also zumindest eine kritische Nachfrage beantworten müssen. Allerdings passte auch dieser Handgriff des Basken. Palacios feierte ein beeindruckendes Comeback.

Beim 2:0 gegen West Ham stand Bayers Nummer 25 von Anfang bis Ende auf dem Platz. In der Anfangsphase zog er in zwei, drei Situationen noch minimal zu spät ins direkte Duell, nachfolgend aber stimmte sein Timing. Palacios spielte, als sei er nie weg gewesen – und präsentierte seine bestens bekannten Fähigkeiten als Zweikämpfer und Ballverteiler.

Palacios überzeugt auf Anhieb offensiv wie defensiv

Hinter Granit Xhaka (157) sammelte Palacios die zweitmeisten Ballkontakte (135), wobei er 95 Prozent seiner Zuspiele zum Nebenmann brachte und fünf Torschussaktionen einleitete. Gegen die extrem tiefstehenden Engländer behielt der technisch versierte Mittelfeldmann auch in engsten Raum die Übersicht, war gewohnt souverän im Kurzpassspiel und passte daher hervorragend in diese Bayer-Elf, die den Ball allzu häufig um den Strafraum kreisen lassen musste, um eine Lücke im Dickicht des abwartend eingestellten und auf Konter lauernden Kontrahenten zu finden.

Für diese Umschaltszenen hatte der Premier-League-Klub mit Michail Antonio, Lucas Paqueta und Mohammed Kudus gleich mehrere gefährliche Angreifer auf dem Platz. Und so war nicht nur der sichere Ballvortrag, sondern gleichfalls das energische Gegenpressing von gesteigerter Bedeutung für die Werkself – ein Arbeitsbereich, in dem sich Palacios ebenso verdient machte.

Er schmiss sich aggressiv in die Zweikämpfe, wetzte, wenn nötig, seinen Gegenspielern hinterher, grätschte, klammerte. Und klemmte gleich mehrere Konterangriffe von West Ham auf diese Art und Weise ab. Nun ist es nicht neu, dass Bayers Sechser über diese Qualitäten verfügt. Wie stabil Palacios völlig ohne Anlauf agierte, war dann aber doch bemerkenswert. Viel Eingewöhnungszeit hatte er nach Zwangspausen nie benötigt – Anfang März indes bei Qarabag Agdam (2:2) ging immerhin seine Startelfrückkehr daneben (kicker-Note 5).

Xabi Alonso besitzt drei Top-Optionen fürs zentrale Mittelfeld

Allein: Xabi Alonso scherte das offensichtlich nicht, Leverkusens Coach vertraute seinem spiel- wie zweikampfstarken Profi gegen West Ham – und durfte sich bestätigt fühlen. “Er hat gegen Union noch nicht gespielt. Er war aber bereit und er braucht Spielzeit”, sagte der 42-Jährige, dem sich pünktlich zum Endspurt wieder mehrere Optionen im zentralen Mittelfeld bieten.

Xhaka, Palacios, Andrich und Gustavo Puerta – sie alle sind fit, stehen bereit, wenngleich die drei erstgenannten Bayer-Akteure freilich weit vor dem kolumbianischen Youngster rangieren und die wichtigen Pflichtspiele unter sich ausmachen werden. Ob Andrich, wie in der Hinserie, nun oftmals wieder auf die Bank rücken und Palacios zusehen muss? Es ist die eine große Frage, die sich aus der starken Rückkehr (kicker-Note 1,5) des argentinischen Nationalspielers ergibt. Wie auf nahezu jeder anderen Position hat Xabi Alonso die Qual der Wahl.

“Jeder Spieler besitzt seine eigenen Qualitäten”, erklärte Xhaka. “Egal wer spielt: Wir probieren immer, das Maximum zu erreichen. Es gibt keine Egoisten, wir kämpfen, wir ackern, wir spielen und wir laufen zusammen – das macht eine Top-Mannschaft aus.” Gerade in dieser Spielzeit, die Bayer noch mit drei Titeln krönen kann, sei es besonders, “dass die Spieler, die reinkommen, den Unterschied machen”. Und in der Tat: Darauf kann sich Xabi Alonso bislang voll und ganz verlassen. Kaltstarter Palacios lieferte am Donnerstag gegen West Ham nur den neuerlichen Beweis. Zumindest das war dementsprechend keine Überraschung.

Leon Elspaß