Bilbao-Ikone Goikoetxea im Interview: “Vorsicht vor der Laus”

Bilbao-Ikone Goikoetxea im Interview: “Vorsicht vor der Laus”

Andoni Goikoetxea fiebert dem Pokal-Finale in Spanien entgegen. Vor dem Endspiel in der Copa del Rey gegen Mallorca sprach der 67-Jährige mit dem kicker über Bilbaos Final-Niederlagen 2021, die Bedeutung von Final-Siegen – und sein Foul an Diego Maradona.

Samstag, 22 Uhr, Sevilla: Athletic Bilbao trifft im spanischen Pokal-Finale auf RCD Mallorca. Nach den beiden verlorenen Endspielen im April 2021 gegen Barcelona und San Sebastian (das 2020 wegen der Pandemie auf 2021 verschoben worden war) hat Bilbao erneut die Chance, die Copa del Rey zu gewinnen.

Andoni Goikoetxea ist seit fast einem Jahrzehnt offiziell “institutioneller Repräsentant” des Klubs und war in den Spielzeiten 1982/83 und 1983/84 einer der Schlüsselspieler: Zweimal in Folge wurden die Basken damals Meister, 1984 zudem Pokalsieger. Es ist bis heute der letzte Triumph für den Traditionsverein, der bis 1997 Copa-Rekordsieger (23 Titel) war und erst 1998 vom FC Barcelona überholt wurde.

Finale der Copa del Rey

Mittlerweile haben die Katalanen sogar 31 Pokalsiege. Noch immer aber belegt der Athletic Club Rang zwei vor Real Madrid (20 Siege). Und Goikoetxea? Der ehemalige Verteidiger ging auch wegen seines Fouls an Diego Maradona in die Geschichte ein. Auch darüber sprach er mit dem kicker.

Herr Goikoetxea, gilt nach den beiden Final-Niederlagen 2021 für den Samstag: jetzt oder nie?

Hat man vor drei Jahren gegen Real Sociedad auch schon gesagt. Und dann nach der Niederlage vor dem Spiel gegen Barcelona. Aber jetzt ist wieder ein Endspiel. Wir kommen immer zurück, wir sind der beste Klub der Welt, wir lassen uns nie unterkriegen.

“Bester Klub der Welt”, Sie sagten das dem kicker schon 2021. Und dann gab es zwei Niederlagen. Nichts gelernt?

Sie wissen auch, dass ich das mit Blick auf unsere Tradition sage, nur mit Basken zu spielen. Stellen Sie sich vor, Bayern München hätte nur Bayern im Team. Wenn man es so sieht, schlagen wir uns besser als jeder andere Klub, da bleibe ich bei meiner Ansicht.

Das heißt nichts für den Samstag.

Andoni Goikoetxea

Anders als 2021 gegen Real Sociedad und Barcelona gilt Athletic gegen Mallorca als Favorit. Nicht auszudenken, wenn …?

Favorit, das ist im Prinzip ein Kompliment. Und das sind wir aufgrund unserer guten Saison und der Tabellenkonstellation in der Liga vielleicht sogar: Wir spielen um den Einzug in die Champions League, Mallorca gegen den Abstieg. Aber das heißt nichts für den Samstag. Real Sociedad hatte sich auch schon gefreut bei der Halbfinal-Auslosung.

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Wie kommen Sie darauf?

Ich weiß es, ich hatte ja für uns an der Halbfinal-Auslosung teilgenommen. Ich zog die Kugel “Mallorca”, mein alter Nationalelf-Kollege Luis Arconada freute sich, dass sein Klub das vermeintlich leichte Los zog und wir, also Athletic Bilbao, gegen Atletico Madrid spielen mussten.

Typischer Fall von “zu früh gefreut”?

“Ojo con el piojo”, Vorsicht vor der Laus, sie ist klein, aber kann dir sehr viel Ärger bereiten. Im Fußball gibt es nicht den leichtesten Gegner, höchstens den vermeintlich am wenigsten schwierigen. Aber selbst dann: Mallorcas Trainer Javier Aguirre ist ein harter Knochen, und so verteidigt seine Mannschaft auch: Es ist eine der besten Defensivreihen der Liga. Und 1984 war auch Barça Favorit.

Heißt?

Endspiele muss man gewinnen, sonst bringen sie nur Tränen.

Sie gewannen damals, wurden in der Liga als Meister von 1983 zudem erneut Meister. Warum war Barça dennoch für Sie der Favorit?

Weil sie mit Bernd Schuster und Diego Maradona die damals besten Spieler der Welt hatten.

Maradona rastete nach der Niederlage aus, Kung-Fu-Tritte inklusive.

Er wollte am Ende jener Saison so sehr einen Titel, da kann man den Frust schon verstehen. Heute ist das alles legendär.

Ich hätte ihn natürlich niemals so hart foulen dürfen, schon gar nicht irgendwo im Mittelfeld.

Andoni Goikoetxea

Es war die Saison, in der sie ihn heftig gefoult hatten, Knöchelverletzung inklusive. In England wurden sie “Der Metzger von Bilbao” getauft.

Das kam vom Boulevard, daher überraschte es nicht. Hätte ein Qualitätsmedium den Begriff erkoren, hätte mich das mehr gestört. Dennoch: Ich hätte ihn natürlich niemals so hart foulen dürfen, schon gar nicht irgendwo im Mittelfeld. Völlig unnötig. Auch Schuster nicht, zwei Jahre zuvor. Ich war daher der Erste, der froh war, dass Maradona nach drei Monaten schon wieder spielen und später seine Karriere krönen konnte.

Hatten Sie irgendwann die Gelegenheit, sich mit ihm auszusprechen?

Ja, als er zehn Jahre später beim FC Sevilla spielte. Wir trafen uns rund um ein Spiel im Hotel, sprachen 40 Minuten. Er war sehr freundlich, herzlich sogar, es war ein sehr gutes Gespräch.

Zurück zum Finale gegen Mallorca: Die Stimmung wird so oder so anders sein als 2021. Damals fehlten inmitten der Pandemie die Fans.

Leere Ränge, auch noch verloren, zweimal gleich. Selbst die Gewinner konnten nicht richtig feiern. 2021 war das Traurigste, was ich erlebt habe im Fußball. Und ich habe viel erlebt. Diesmal wird es wunderbar, unsere Anhänger werden Stadt und Stadion in unsere Farben tauchen. Die Intensität, mit der unsere Fans mitfiebern, zeigt: Das ist gelebter Fußball. Selbst in Südkorea haben wir Fanklubs. Ich hoffe auch für unsere Anhänger, dass wir endlich wieder gewinnen. 40 Jahre Warten reicht.

Was macht Ihnen Hoffnung?

Na, unsere Mannschaft. Eine tolle Generation, die teils ja schon 2021 dabei war. Die Williams-Brüder sind wunderbare Fußballer, Vivian, Paredes, Sancet …

Ein Tipp für das Finale?

Als ich nach meiner Bilbao-Zeit zum Abschluss der Karriere zu Atletico Madrid wechselte, sagte dort Trainer Cesar Luis Menotti oft: ‘Goiko, auf geht’s, nur der Sieg tröstet uns.’ Und so ist es.

Interview: Jörg Wolfrum