FC Liverpool: Shankly, der falsche Drache und die Tragödie

FC Liverpool: Shankly, der falsche Drache und die Tragödie

Kaum ein Wappen ist so facettenreich wie das des FC Liverpool. Was die Tore, die Fackeln und der Vogel bedeuten – und warum eigentlich der FC Everton auf ihn Anspruch hätte anmelden können.

Das Wappen des FC Liverpool, im Hintergrund das berühmte Schild mit dem Schriftzug

Das Wappen des FC Liverpool, im Hintergrund das berühmte Schild mit dem Schriftzug “THIS IS ANFIELD”:

imago/Eibner

Darf man es nun berühren oder nicht? Selbst so mancher Gästeakteur streckt im Kabinentrakt in Anfield die Hand aus, um das dort angebrachte Liverpool-Schild mit dem Schriftzug “This is Anfield” anzufassen. Seit Jahrzehnten sehen es Spieler als ein Zeichen der Ehrerbietung an, einmal dieses Schild berühren zu dürfen, mit dem Mythos Liverpool in Berührung zu kommen.

Wobei man damit eigentlich, gerade als Liverpooler, vorsichtig sein sollte. Findet zumindest Jürgen Klopp: Voraussetzung dafür sei, dass man auch etwas zum Vitrinenschrank beigetragen habe bei den Reds, sagte er einmal sinngemäß.

Zumindest bei Thiago, der im Sommer 2020 vom FC Bayern nach Liverpool wechselte, stieß er damit auf offene Ohren: “Man muss es sich erst verdienen, das Symbol zu berühren“, sagte der Mittelfeldspieler bei seiner Vorstellung. “Darum fasse ich das Schild heute nicht an, ich habe Respekt vor dieser Tradition.”

Übrigens sollte ursprünglich gar nicht “This is Anfield” auf dem Schild stehen. Doch “Welcome to Anfield” war Trainer-Legende Bill Shankly dann doch ein wenig zu freundlich. “Du kommst hier nicht her, um eine gute Zeit und einen schönen Tag zu haben”, soll er gesagt haben. Geschenke wollten sie nicht verteilen in Liverpool, und dieser Anschein sollte auch gar nicht erst geweckt werden.

Die “Shankly Gates” und die Fackeln der Erinnerung

Über dem Schriftzug ist eine ältere Version des Liverpool-Wappens zu sehen, auf der neueren wurde auch Shankly in gewisser Weise verewigt. Und zwar in Form der sogenannten “Shankly Gates”, die über allem thronen. Seine Witwe Ness eröffnete die Tore am 26. August 1982, sie befinden sich auf der Seite der Anfield Road, direkt neben dem Denkmal der Hillsborough-Katastrophe.

Womit die Wappenkunde weitergeht. Unter den verschnörkelten Eisenverzierungen stehen die Worte “You’ll Never Walk Alone”. Es ist das Vereinsmotto und stammt aus dem gleichnamigen Lied von Gerry & the Pacemakers. Nach Hillsborough wurde das Motto auch im Wappen integriert.

Und noch ein Detail erinnert an die 97 Liverpool-Fans, die am 15. April 1989 oder im Nachgang durch die Stadionkatastrophe in Sheffield ihr Leben ließen: Links und rechts vom Wappen sind Fackeln zu sehen, sie erinnern an die Tragödie und deren Opfer. Ganz unten ist in einer Banderole das Gründungsjahr 1892 integriert.

Die Geschichte hinter dem Liver Bird

Besonders ins Auge sticht aber ein Fabelwesen, das die Mitte des Wappens ausfüllt und einen Zweig Purpurtang im Schnabel hält. Es ist aber kein Drache, wie viele denken. Der sogenannte Liver Bird ist vielmehr eine Kreuzung aus einem Adler und einem Kormoran und seit über 800 Jahren ein Symbol der Stadt. Man geht davon aus, dass er im Jahr 1207 entstand, als König John eine königliche Charta erhielt, um Liverpool als Stadt zu registrieren. Der Monarch brauchte ein einzigartiges Siegel, um Dokumente und Sterling von seinem Territorium zu unterscheiden. Die Geburt des Liver Birds.

Auf den Turm gekommen: Der

Auf den Turm gekommen: Der “Everton Lock up” ziert das Wappen des Stadtrivalen.
Visionhaus

Er ist aber nicht nur auf dem Wappen der Reds zu sehen. Insgesamt existieren über 100 Liver Birds in der Stadt an der Mersey, zum Beispiel auf den historischen Laternenständern im Stadtzentrum. Die prunkvollsten Darstellungen befinden sich auf den beiden Türmen des Royal Liver Buildings am Pier Head.

Der FC Everton war eher dran

Auch wenn inzwischen jeder den Liver Bird mit dem FC Liverpool verbindet – eigentlich war ausgerechnet der Stadtrivale schneller. Der FC Everton verwendete den Liver Bird auf seinen Meisterschaftsmedaillen von 1891, also ein Jahr vor der Gründung des FC Liverpool.

In den späten 1930er Jahren entwarf dann Theo Kelly ein offizielles Klubwappen. Er entschied sich gegen den Liver Bird und für ein Wahrzeichen, das enger mit dem Stadtteil Everton verbunden war. Der “Everton Lock up” oder auch “Prince Rupert’s Tower” ist seither fester Bestandteil des Vereinswappens.

Christoph Laskowski

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