Kudus wie im Comic: West Ham hofft auf ein neues Kapitel

Den SC Freiburg ließ Mohammed Kudus auf dem Weg ins Viertelfinale der Europa League sprichwörtlich links liegen. Gegen Leverkusen soll sich seine Gala-Vorstellung bestenfalls wiederholen.

Geherzt von allen: Mohammed Kudus nach seinem Solo-Treffer gegen Freiburg.

Geherzt von allen: Mohammed Kudus nach seinem Solo-Treffer gegen Freiburg.

IMAGO/Shutterstock

Lukas Kübler spielte einen Pass, den man als Fußballer eigentlich nicht spielen sollte – von außen flach, quer ins Zentrum. Michael Gregoritsch war beim Freiburger Auswärtsspiel bei West Ham United, dem Achtelfinal-Rückspiel in der Europa League, in Minute 77 sichtlich überrascht – Küblers ungenaues Zuspiel war an ihn gerichtet. Mohammed Kudus aber schaltete schnell, nahm das Freiburger Geschenk an und dribbelte aus der eigenen Hälfte einfach mal los. Gregoritsch schüttelte der Ghanaer dank seiner engen Ballführung am starken linken Fuß mühelos ab, auch Maximilian Eggestein konnte, kurz nach der Mittellinie, nicht mit Kudus’ schnellen Schritten mithalten.

West Hams Flügelspieler zog den Alleingang gnadenlos durch, 20 Meter vor dem Strafraum war es nun Kübler, an dem Kudus den Ball rechts vorbeilegte und dadurch in den Sechzehner marschierte. Kudus schaute kurz auf, sah Noah Atubolu vor sich, bezwang den Freiburger Schlussmann per flachem Schuss mit dem schwächeren rechten ins kurze Eck – und krönte damit sein Solo über etwa 65 Meter.

“Ein Tor a la Roy of the Rovers”

Seinen Trainer, David Moyes, erinnerte Kudus in diesem Moment an dessen Jugend. “Falls sich wer noch an dribbelnde Flügelspieler erinnern kann, die früher mit geschwungenen Hüften liefen und es mit Gegenspielern aufnahmen, dann war das heute Abend ein bisschen davon”, schwärmte der 60-Jährige über “ein brillantes Einzeltor, ein Tor a la Roy of the Rovers”. Moyes sprach von einem englischen Comic aus den 1970er Jahren. Teamkollege Vladimir Coufal ordnete den Treffer derweil etwas moderner ein, für den Tschechen war es “wie beim Spielen auf der PlayStation oder Xbox”.

Die Hammers hievte Kudus’ Kunststück zum zwischenzeitlichen 4:0 auf die Siegerstraße gegen den SCF, der an jenem Abend den 23-Jährigen noch ein zweites Mal nicht aufhalten konnte. Fünf Minuten vor dem Ende hatte Kudus erneut zu viel Platz und besorgte mit einem trockenen Linksschuss aus 18 Metern endgültig das Weiterkommen. Es waren seine Treffer zehn und elf für West Ham, nachdem Kudus im vergangenen Sommer für etwa 40 Millionen Euro aus Amsterdam nach London gewechselt war.

Europa League, Viertelfinale

Auf der Insel brauchte der in Accra geborene Tempodribbler nicht lange, um sich zu akklimatisieren. In seinen ersten 15 Einsätzen in der Premier League steuerte Kudus bereits sieben Scorerpunkte bei. “Ich versuche immer noch jeden Tag zu lernen, um der Spieler zu sein, als den ich mich sehe. Mein Dank geht an das Team und die Trainer hier für den schnellen Start, die mir geholfen haben, mich sehr gut einzuleben und jeden Tag besser zu werden. Wir lernen noch und es liegt noch ein langer Weg vor uns”, sprach Kudus nach seiner Glanzleistung gegen die Breisgauer.

Kudus hat das, was es braucht, und er hat eine Menge davon.

Michail Antonio

Offensiv-Kollege Michail Antonio ging in einem Interview mit TNT Sports derweil genauer auf Kudus’ kurze Eingewöhnungsphase ein. “Ich spüre einfach, dass es an seiner Bescheidenheit, seiner Bodenständigkeit, seinem niedrigen Schwerpunkt, seinen Tricks mit dem Ball und seinem Blick für ein Tor liegt”, so der erfahrene Angreifer, der weiß, worauf es in der wohl besten Liga der Welt ankommt. “Viele Leute werden in die Premier League kommen und erkennen, wie schnell und stark man sein muss und wie schnell der Fußball ist. Kudus hat das, was es braucht, und er hat eine Menge davon.”

Ein vielseitiges, aber nicht komplettes Trio

Mittlerweile steht Kudus wettbewerbsübergreifend bei zwölf Toren und vier Assists, was ihn hinter Jarrod Bowen (27 Scorerpunkte) und vor Lucas Paqueta (15) zum gefährlichsten Offensivspieler der Londoner macht. Das Trio ist wegen seiner Vielseitigkeit für jeden Gegner schwer auszurechnen, im nun anstehenden Viertelfinale gegen die in allen Wettbewerben noch ungeschlagene Werkself aus Leverkusen aber nicht komplett. Top-Scorer Bowen verletzte sich jüngst in der Liga beim Sieg über die Wolves und fällt – zumindest für das Hinspiel – aus.

Es hängt also viel, wenn nicht alles, an Kudus und seinen Qualitäten, um West Ham, letztjähriger Sieger der Conference League, die erste Mannschaft werden zu lassen, an der Xabi Alonso und Co. scheitern. “Wir wissen definitiv, wie man in Europa spielt, wir wissen definitiv, wie man weit kommt. Hoffentlich können wir das tun, was wir letztes Jahr getan haben. Man sieht die Qualität von Mo (Kudus, Anm.d.Red), der Junge ist etwas Besonderes und hoffentlich können wir so weitermachen”, hofft Antonio auf ein neues Kudus-Kapitel im Comic.