Das Turnier seines Lebens: Als Platini neun Tore schoss

Das Turnier seines Lebens: Als Platini neun Tore schoss

Vor 40 Jahren gewann Frankreich seinen ersten großen Titel – dank Michel Platini, der Les Bleus mit neun Toren in fünf Spielen hinführte. Über eine der größten Turnierleistungen überhaupt.

Für ein paar Jahre in den 1980ern wohl der beste Spieler der Welt: Michel Platini.

Für ein paar Jahre in den 1980ern wohl der beste Spieler der Welt: Michel Platini.

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Frankreich als Fußballmacht, das ist heute ganz normal. Das war aber nicht immer so. Nachdem Just Fontaine bei der WM 1958 13 Tore geschossen hatte, Frankreich Dritter geworden und der Ballon d’Or an Raymond Kopa gegangen war, konnten sich Les Bleus bis 1982 nur noch für zwei Weltmeisterschafts-Endrunden qualifizieren – 1966 und 1978. Beide Male waren die Franzosen nach drei Spielen jedoch raus.

Als sie dann 1982 in einem epischen WM-Halbfinale gegen Deutschland eigentlich die bessere Mannschaft waren und die Fußballwelt hellauf begeisterten, hatte es aber irgendwie auch keinen überrascht – was Frankreich einer tollen Spielergeneration und vor allem einem Mann zu verdanken hatte, der sich in dieser Zeit zum besten Fußballer Europas aufschwang: Michel Platini.

Was der geniale Spielgestalter dem Fußball in späterer Rolle als Funktionär wieder nehmen würde, wie manche argumentieren mögen, hatte er ihm als Spieler einst gegeben. In der Mannschaft, die neben den Brasilianern bei der Weltmeisterschaft in Spanien den schönsten, weil technisch feinsten und kreativsten Fußball spielte, gab er den Takt vor. Und doch war in der “Nacht von Sevilla” Endstation. Schon die Brasilianer waren zuvor in Schönheit gestorben.

Als Platini vier Jahre später, bei der WM 1986 in Mexiko, mit 31 Jahren schon über seinen Zenit war, zogen die Franzosen wieder in der Vorschlussrunde und wieder gegen Deutschland noch deutlicher den Kürzeren. Die ganz große Krönung ist dieser Mannschaft um Alain Giresse, Jean Tigana oder eben Platini verwehrt geblieben.

Michel Platini

Emotionen pur: Auch im rasanten Halbfinale gegen Portugal wurde Platini Matchwinner.
imago/Sven Simon

Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Nummer zehn von Juventus Turin, von 1983 bis 1985 dreimal in Folge Ballon d’Or-Gewinner, aber längst unsterblich gemacht. Eine EM war zwar keine WM, doch kein Spieler konnte einer seinen Stempel so aufdrücken wie Platini 1984 im eigenen Land.

Weil Frankreich weiterhin über keinen Stürmer von Weltklasseformat verfügte, überließ er das Gestalten und Kreieren in diesem Sommer vor 40 Jahren vorwiegend Tigana, Giresse und den anderen. Platini indes gab den verkappten Mittelstürmer, profilierte sich sogar als starker Kopfballspieler und schoss Les Bleus in Frankreich mit neun Toren in fünf Spielen zum ersten Titel.

Mit rechts, mit links, mit dem Kopf

Zwar war es nicht so, dass der Spielmacher plötzlich das Tore schießen für sich entdeckt hätte. Platini wurde zwischen 1983 und 1985 auch dreimal in Folge italienischer Torschützenkönig. Wenige Mittelfeldspieler waren je so torgefährlich. Doch im Juni 1984 spielte er das Turnier seines Lebens.

Es begann mit dem Siegtor beim 1:0-Auftakterfolg gegen Dänemark, es folgten drei Tore gegen Belgien und drei Tore gegen Jugoslawien. Jeweils eines mit rechts, eines mit links und eines mit dem Kopf. Im spektakulären Halbfinale gegen Portugal (3:2 n. V.) schoss natürlich Platini in der 119. Minute das entscheidende Tor, im Finale am 27. Juni 1984 gegen Spanien (2:0) gelang ihm per Freistoß – unterstützt vom spanischen Torhüter Luis Arconada – der wichtige Dosenöffner. Kein Spiel ohne Platini-Tor. Und am Ende der Titel.

Erst Cristiano Ronaldo (momentan 14 Treffer) schaffte es 37 Jahre später, den Franzosen mit den italienischen Wurzeln an der Spitze der ewigen EM-Torschützenliste zu überflügeln. Dafür brauchte CR7 aber auch fünf Turniere. Platini benötigte nur ein einziges.

Niklas Baumgart