Nach hitziger Mitgliederversammlung: TSV 1860 startet in ungewisse Zukunft

Nach hitziger Mitgliederversammlung: TSV 1860 startet in ungewisse Zukunft

Am vergangenen Sonntag erlebte der TSV 1860 München eine hitzige Mitgliederversammlung. Das Lager um Investor Hasan Ismaik erlitt bei den Verwaltungsratswahlen eine krachende Niederlage. Nun startet der zerstrittene und finanziell angeschlagene Drittligist in die Sommervorbereitung.

Quo vadis, 1860? Bei den Münchner Löwen herrscht nach der Mitgliederversammlung mal wieder große Unruhe.

Quo vadis, 1860? Bei den Münchner Löwen herrscht nach der Mitgliederversammlung mal wieder große Unruhe.

IMAGO/Ulrich Wagner

Wenn Löwen-Trainer Argirios Giannikis am Samstag um 10.30 Uhr seinen mit bislang acht externen Neuzugängen und ganzen 19 Abgängen runderneuerten Kader zum Trainingsauftakt für die neue Drittliga-Saison an der Grünwalder Straße zusammenruft, dann liegt beim TSV 1860 München vieles im Argen. Mal wieder, muss man sagen, beherrschte der Verein in den letzten Jahrzehnten doch immer wieder mit internen Querelen die Schlagzeilen.

Vor allem seit dem Einstieg von Investor Hasan Ismaik im Jahr 2011 häuften sich die Turbulenzen: Mal arbeitete die Führung des e.V. mit Ismaik bereitwillig zusammen, mal wollte man den Investor so gut es geht aus dem Tagesgeschäft isolieren. Doch keine Strategie führte zu sportlichem Erfolg, geschweige denn zu Ruhe im Verein. Seit 2018 stecken die Löwen in der 3. Liga fest und durch die Vereinsgremien wie die Fankurve zog sich zunehmend ein Riss zwischen den beiden Lagern: Verein gegen Investor oder auch Team Grünwalder Stadion gegen Team Profifußball. Entladen hat sich diese angespannte Stimmung nun am vergangenen Sonntag.

Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit Ismaik

In einer hitzigen Mitgliederversammlung hatte sich im “Bündnis Zukunft” um Martin Gräfer, Vorstand des TSV-Hauptsponsors “Die Bayerische”, eine Opposition für die Wahlen zum Verwaltungsrat gebildet. Über das Gremium, das das Vereins-Präsidium vorschlägt und überwacht, wollte das “Bündnis Zukunft” die Strategie von Präsident Robert Reisinger ändern, der sich seit dem Zwangsabstieg in die Regionalliga 2017 jeglicher Zusammenarbeit mit Investor Ismaik verweigert.

In einem “Sechs-Punkte-Plan” hatten sich die Bündnis-Kandidaten mit Ismaik zusammengetan, sie wollten in Zukunft mit dem Investor “auf Augehöhe” zusammenarbeiten und forderten vom Jordanier “Verlässlichkeit” und “Klarheit”. Mit Geldspritzen von Ismaik sollte es zunächst in die 2. Bundesliga zurückgehen, auch Ideen eines Stadionneubaus mit zirca 30.000 Plätzen kursierten.

Ismaik schaltete sich begeistert in den Wahlkampf ein, tourte durch Bayern und besuchte Fanklubs, versuchte die Mitglieder von “seinen” Verwaltungsrat-Kandidaten zu überzeugen. Mit im Gepäck hatte er dabei üppige Versprechen für den Fall, dass das “Bündnis Zukunft” triumphiert: 100 Millionen wollte er in den Verein investieren, beinahe die gleiche Summe nochmals für ein neues Stadion aufwenden – Fernziel: Bundesliga, an der Seite des großen Stadtrivalen Bayern München.

Bündnis “Pro1860” will Zukunft in Giesing – ohne Investor

Auf der anderen Seite stand die amtierende e.V.-Fraktion mit ihrem investorenkritischen Kurs, die von “Pro1860” beeinflusst ist. Die Fanorganisation möchte eine Zukunft des TSV im altehrwürdigen, aber maroden Grünwalder Stadion sichern und dabei unabhängig vom Investor bleiben – was ihren Mitgliedern den Ruf als “Stadion-Ideologen” einbrachte, die den TSV 1860 lieber in der 3. Liga im “Sechzgerstadion” in Giesing kicken sehen als in einem anderen Stadion Erfolg zu haben.

Auch die e.V.-Seite hatte zuvor ein Strategiepapier aufgesetzt: Gemäß des “Neuen Biss des Löwen” von den beiden Geschäftsführern Christian Werner und Oliver Mueller soll der TSV in fünf Jahren wieder zur Nummer zwei in Bayern aufsteigen, mit einem “authentischen Team” aus eigenen Nachwuchsspielern und gestandenen Profis. Für Bündnis-Kandidat Gräfer ein schönes Konzept, mit dem man aber nicht über die 3. Liga hinaus komme. Und “ohne Lösung des Konflikts zwischen den Gesellschaftern” sei dieser Plan außerdem völlig illusorisch, so Gräfer gegenüber der SZ.

Ismaik bei hitziger Mitgliederversammlung erstmals anwesend

Die Fronten waren also verhärtet gewesen vor der Mitgliederversammlung am Sonntag in der Münchner Zenith-Halle. Über 2.000 Mitglieder drängten zu den Wahlen. Die einzelnen Lager applaudierten ihren Kandidaten lautstark, buhten die Gegner aus, teils wurde der Investor Ismaik beschimpft. Der war erstmals seit 13 Jahren bei einer Mitgliederversammlung selbst zugegen, saß in der ersten Reihe, enthielt sich allerdings bei den Abstimmungen.

Die Redebeiträge heizten die Stimmung weiter auf. Präsident Reisinger rief mit Blick auf Ismaik: “Wir lassen uns als Verein nicht mehr alles bieten!” und Geschäftsführer Mueller giftete in Richtung des Geldgebers: “Wenn ein Clown in einen Palast einzieht, wird er nicht zum König, sondern der Palast wird zum Zirkus.” Bündnis-Kandidat Gräfer dagegen kritisierte das Präsidium und dessen Kurs: “Wenn man etwas sieben Jahre nicht erreicht, kann es nicht immer nur an anderen liegen”.

Nach 13 Stunden steht krachende Niederlage für Ismaik

Dass das e.V.-Lager klar in der Mehrheit war, zeigte sich bereits bei den Wahlen der Vizepräsidenten. Karl-Christian Bay und Norbert Steppe, vom “Bündnis Zukunft” als Vertreter des Kurs von Präsident Reisinger abgelehnt, wurden von den Mitgliedern klar bestätigt, erhielten knapp eine Zweidrittelmehrheit. Erstmals schallten der Ruf durch den Saal: “Wir sind der Verein – ohne Hasan!”.

Als dann nach der insgesamt 13-stündigen Marathonversammlung das Ergebnis der Verwaltungsratwahlen vorlag, war die krachende Niederlage des “Bündnis Zukunft” und damit auch Ismaiks perfekt: Kein Bündnis-Kandidat wurde gewählt, teils mit überdeutlicher Mehrheit wurden die neun Kandidaten der e.V.-Fraktion in den Verwaltungsrat berufen. Die Befürworter von “Pro1860” stimmten das “Scheich-Lied” an, mit dem die Löwen-Ultras ihre Abneigung gegenüber Ismaik bekunden.

Ohne Zuschüsse droht 1860 erneut der Abstiegskampf

Wie es nun weitergeht bei den Löwen ist nun ungewisser den je. Ohne Zuschüsse des Investors rangiert der Etat für den Kader maximal im unteren Mittelfeld der 3. Liga, dem völlig zerstrittenen Klub droht erneut der Abstiegskampf. Finanz-Geschäftsführer Oliver Mueller ist deshalb gezwungen, Stellen in allen Bereichen des Vereins abzubauen. Auch muss der Kader weiter ausgedünnt werden. Nach den Abgängen von Tim Rieder (Vertrag nicht verlängert), Valmir Sulejmani (Vertrag aufgelöst) und Joel Zwarts (Wechsel zu Osnabrück) wurde am Freitag auch die Vertragsauflösung mit Serhat Semih Güler bekanntgegeben.

Investor Ismaik ging indes sofort wieder auf Angriffskurs, die Spaltung im Verein geht weiter. Am Montag nach der Mitgliederversammlung postete der Jordanier auf Facebook: “Ich werde nie aufhören, Ideologen als das zu bezeichnen, was sie sind: Selbstdarsteller, die unseren TSV 1860 München für ihre eigene Eitelkeit missbrauchen und damit Stück für Stück ruinieren.” Er werde die Geschäftsführer “zur Rede stellen, wenn sie unser 1860 weiter als Mittel zum Machterhalt missbrauchen”.

Ismaik denke gar nicht nicht daran, seine Anteile bei 1860 zu veräußern, so der Investor weiter: “Wer glaubt, dass ich nach gestern Abend aufgeben werde, der irrt gewaltig. Die nächsten Wahlen stehen vor der Tür.” Dann wird der Präsident neu gewählt, der Hauptverantwortliche für den Kurs des Vereins. Allerdings hat der amtierende Prüsident Reisinger nun einen ihm gewogenen Aufsichtsrat an seiner Seite, der für die Wahlen das Vorschlagsrecht hat. So kehrt bei den Münchner Löwen in nächster Zeit sicher keine Ruhe ein.