Stanek: “Es war ein bisschen wie Warten auf den Tod”

Stanek: “Es war ein bisschen wie Warten auf den Tod”

Am Ende verließ sie die Kraft – und ein wenig auch das Glück. Im Mittelpunkt bei der tschechischen Elf, die beim 1:2 gegen Portugal in der Nachspielzeit den Knockout kassiert hatte: Keeper Jindrich Stanek, Held und Pechvogel in Personalunion.

Kassierte zwei bittere Gegentore: Jindrich Stanek.

Kassierte zwei bittere Gegentore: Jindrich Stanek.

IMAGO/Offside Sports Photography

Eine halbe Stunde war seit dem Abpfiff vergangen, als in den Katakomben der Leipziger Arena das Lächeln zu Lukas Provod zurückgekehrt war. Tief in sich drin aber fühlte der tschechische Mittelfeldspieler, der mit seinem schönen Führungstor gegen Portugal nach gut einer Stunde den Außenseiter in die Nähe einer Überraschung gebracht hatte, am späten Dienstagabend einen Zwiespalt. “Schwierig” fand es der Profi von Slavia Prag, seine Gefühle zu beschreiben. “Portugal war die bessere Mannschaft, aber wir hätten einen Punkt verdient gehabt. Es tut sehr weh, weil wir keinen schlechten Job gemacht haben”, sagte Provod. “Es tut mir leid, dass wir am Ende zwei schmutzige, unglückliche Gegentore kassiert haben.”

EM, 1. Spieltag

Den Ausgleich besorgten die Tschechen selbst, als Keeper Jindrich Stanek einen Kopfball von Nuno Mendes nach vorn abwehrte – direkt ans Schienbein von Verteidiger Robin Hranac, der nicht mehr ausweichen konnte (70.). Und in der zweiten Minute der Nachspielzeit ließ Unglücksrabe Hranac eine Eingabe von Pedro Neto passieren – und der bis zu den Gegentoren mehrfach famos parierende Stanek rutschte beim Versuch, sich dem einschussbereiten Francisco Conceicao entgegenzuwerfen, auf dem vom Regen durchnässten Rasen aus.

Es war das Siegtor und der finale Nackenschlag für die Tschechen, deren Coach Ivan Hasek nach der Partie ein gemischtes Fazit zog: “Alle haben gut fürs Team gearbeitet. Aber es war keine ideale Leistung von uns. Wir haben uns zu tief hintenreindrängen lassen und den Ball nicht gehalten. So tief wollten wir nicht stehen. Nach Ballgewinnen hätten wir besser sein müssen, da waren wir vor allem in der ersten Halbzeit nicht gut, in der zweiten Halbzeit etwas besser.”

Die Leistung seines Torhüters lobte der erst seit Januar als Nationaltrainer amtierende Hasek: “Wir wussten, dass wir ihn brauchen würden. Er hat uns im Spiel gehalten und in der ersten Halbzeit eine Großchance von Cristiano Ronaldo vereitelt. Er hat seinen Job gemacht.”

Stanek selbst zog Selbstvertrauen aus dieser Parade, “die hat mir Sicherheit gegeben – es ist immer gut, wenn man bei der ersten Großchance gleich voll da ist”. Das Eigentor von Hranac nannte er wie auch das zweite Gegentor “unglücklich”, er sei beim Ausgleich mit seinem Abwehrspieler “so nah beieinander gewesen, dass es so kam, wie es kam”. Vorwürfe an seine Adresse gab es nicht, auch nicht von ihm selbst an Hranac: “Ich wollte helfen, er wollte helfen. Da kann ich ihm nichts verübeln.”

Stanek war bis zu seinem Wechsel im Januar zu Slavia Prag Teamkollege von Hranac bei Viktoria Pilsen, er hält viel von ihm: “Ich konnte seine Fortschritte im Verlauf der letzten Saison sehen und ziehe meinen Hut vor ihm. Er war auch gegen Portugal gut, die Gegentore waren unangenehm.” Und dass der italienische Schiedsrichter Marco Guida vor dem 2:1 ein Foul von Nelson Semedo an David Doudera tief in der tschechischen Hälfte nicht ahndete, missfiel Stanek: “Es ist frustrierend, er hätte in der Situation pfeifen können.” Eher müssen. Aber die Schuld am späten K.o. gab Stanek nicht dem Referee, er haderte mit dem eigenen Team: “Das zweite Tor entstand aus dem Druck, den die Portugiesen in der Schlussphase entwickelt haben. Unsere zweite Halbzeit war fußballerisch besser als die erste, aber am Ende war es ein bisschen wie Warten auf den Tod.”

Nach der Auftaktniederlage gegen den Gruppenfavoriten wollen die Tschechen am Samstag in Hamburg gegen EM-Neuling Georgien den ersten Sieg landen. Bevor es für ihn selbst Richtung Leipziger Stadion ging, konnte Trainer Hasek am Dienstag noch einige Minuten des Spiels der Georgier gegen die Türkei (1:3) am TV verfolgen. Er weiß, was seine Mannschaft erwartet: “Es ging in hohem Tempo auf und ab. Die Georgier haben mehrere individuell sehr starke Spieler, wir werden vorbereitet sein. Und es wird bei uns einige Änderungen geben.”

Staneks Glaube ist ungebrochen

Stanek dürfte wieder das Startelf-Ticket fürs Tor erhalten. Sein Glauben ans eigene Team ist ungebrochen, aber der Schlussmann fordert eine Steigerung: “Portugal war ein großes Spiel gegen eine Mannschaft, deren Qualität höher ist als unsere. Trotzdem hätten wir mit etwas besserer Verteidigung ein schönes Ergebnis erzielen können. Das Spiel hat gezeigt, dass wir noch viel zu tun haben und dass wir uns verbessern müssen. Und ich weiß, dass wir besser werden.”

Steffen Rohr