Mit Buhrufen nach Blankenhain: Southgates Kampf gegen die “Eiszeit”

Mit Buhrufen nach Blankenhain: Southgates Kampf gegen die “Eiszeit”

England gilt bei der EM 2024 als einer der Top-Favoriten – doch von Euphorie war bei der Generalprobe nichts zu sehen und erst recht nichts zu hören. Gareth Southgate versuchte einen verbalen Trick.

Stolpernd nach Deutschland: Kapitän Harry Kane und seine Teamkollegen enttäuschten bei der EM-Generalprobe gegen Island.

Stolpernd nach Deutschland: Kapitän Harry Kane und seine Teamkollegen enttäuschten bei der EM-Generalprobe gegen Island.

IMAGO/PA Images

Jede Generalprobe hat für Fußballer einen großen Vorteil: Sie können eigentlich nichts falsch machen. Gelingt sie, gehen sie mit einem guten Gefühl in die eigentliche Aufgabe. Und wenn sie schief geht, kam die Warnung halt gerade noch zur rechten Zeit. Diesen Rhetorik-Trick hatte auch Englands Nationaltrainer Gareth Southgate am Freitagabend bitter nötig.

Von den Fans, die bis zum Abpfiff in Wembley ausgeharrt hatten, verabschiedeten nicht wenige die Three Lions mit Buhrufen gen Deutschland. Das 0:1 gegen Island, das nicht für die diesjährige EM qualifiziert ist und seit dem Achtelfinale 2018 Englands Angstgegner ist, wertete die Sun als “Return of the Ice Age”, die Rückkehr der Eiszeit. Ungefähr so fühlt sich die Stimmung knapp eine Woche vor dem Turnierstart bei dem Team an, das laut den Buchmachern Top-Favorit auf den Titel ist.

“Langweilig”, “trostlos”: Diesmal rettet niemand die Stimmung

“Wir haben nicht gut genug gespielt, um sie zu begeistern”, zeigte Southgate Verständnis für die kühle Reaktion der Fans. Ex-Nationalspieler und BBC-Experte Matt Upson nannte den Auftritt “langweilig” und “trostlos”. Beim holprigen 3:0-Sieg gegen Bosnien-Herzegowina vier Tage zuvor hatten die Joker die Stimmung gerettet, diesmal schaffte das keiner. Hinten wurden zu viele Chancen zugelassen, vorne zu wenige genutzt.

Southgate, dem in der Vergangenheit immer wieder mangelnder Mut bei der Kader-Auswahl vorgeworfen worden war, hatte zuletzt mit seinen Personalentscheidungen für Aufsehen gesorgt und neben dem angeschlagenen Harry Maguire überraschend auch Jack Grealish gestrichen, während der Premier-League-Zehnte Crystal Palace mit vier Spielern die meisten im finalen Aufgebot stellt. Gleichzeitig offenbarten die Testspiele allerdings, dass Southgate die richtige Mischung für seine Stammelf noch längst nicht gefunden hat.

Sorgen um Stones – Wohin mit Foden?

Der ohnehin körperlich anfällige John Stones, nach Maguires Abreise Southgates wichtigster Innenverteidiger, musste mit Knöchelproblemen zur Pause ausgewechselt werden. Offen ist, wer neben Declan Rice im defensiven Mittelfeld startet – womöglich gar der 20-jährige Adam Wharton, der gegen Bosnien-Herzegowina ein starkes Debüt hinlegte und gegen Island auf der Bank blieb. Und wo soll Phil Foden spielen, der am Freitag zentral ran durfte, wo er für ManCity 2023/24 oft glänzte, diesmal aber enttäuschte?

Southgate muss sich im EM-Quartier in Blankenhain, das die Mannschaft am Montag bezieht, noch viele Gedanken machen. “Es war eine unzusammenhängende und enttäuschende Leistung und wir haben nicht genug Charakter gezeigt”, bilanzierte der Nationaltrainer, der mit Spät-Einsteiger Jude Bellingham noch ein Ass im Ärmel hat. “Aber ich denke, das ist gut für uns vor einem internationalen Turnier.” Eine erfolgreiche EM-Premiere, das sagte er nicht, wäre trotzdem bestimmt besser gewesen.