Steilpass für den deutschen Weg

Steilpass für den deutschen Weg

Hat der EuGH mit seinen Urteilen die 50+1-Regel gestärkt? Jurist Alexander Schleuch sieht dank anderer Sprüche gute Argumente.

Bei Fans beliebt, unter Juristen umstritten? Die 50+1-Regel in Deutschland.

Bei Fans beliebt, unter Juristen umstritten? Die 50+1-Regel in Deutschland.

IMAGO/Noah Wedel

Während die Bundesliga-Saison in die entscheidende Phase eintritt – wobei die Meisterschaft ja bereits vergeben ist – rüsten sich die Juristen im Ringen um kartellrechtliche Fragen. Beim Bundesgerichtshof BGH etwa steht die Revision in der Abberufungssache Hannover 96 e.V. gegen den eigenen Geschäftsführer, Martin Kind, an; zudem sind bereits spannende Urteile gefällt worden: der Dreiklang des Europäischen Gerichtshofs EuGH in den Verfahren Super League, Royal Antwerp und Internationale Eislaufunion ISU im Dezember 2023. Und nun ist zu den EuGH-Sprüchen ein interessanter Aufsatz des Bonner Universitätsprofessors Alexander Scheuch erschienen, der mit Blick auf die 50+1-Regel einen Steilpass für den deutschen Weg sieht.

In der aktuellen Ausgabe der Juristen-Zeitung publizierte der frühere Justiziar des 1.FC Köln seine Anmerkung zum EuGH-Urteil namens “Vorgaben für die Zulassung von Konkurrenzwettbewerben durch Monopolsportverbände – ESL (Super League)”. Scheuch kommt zu dem Schluss, dass die Gesamtabwägungen der Luxemburger Richter “bei den Befürwortern von 50+1 Hoffnungen wecken” dürfen.

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Missbrauch marktbeherrschender Stellung?

Bei FIFA und UEFA sieht der EuGH zwar eindeutig ein bezwecktes Wettbewerbsverbot. “Denn jedenfalls dort, wo es an transparenten, klaren und nicht diskriminierenden Zulassungsregeln fehlt, sind auch solche Konkurrenten außen vor, die sich an alle schutzwürdigen Werte und Regeln des Sports halten”, schreibt der Experte für Bürgerliches Recht, Handels-, Gesellschafts- und Zivilprozessrecht. Entsprechend liegt ein Missbrauch marktbeherrschender Stellung vor wegen der gegen die Super-League-Gründer 2021 ausgesprochenen (und mittlerweile wieder kassierten) Sanktionen der Konföderation, zudem ein Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit.

Das klingt auf den ersten Blick ungut für 50+1, was ja eindeutig eine Wettbewerbsbeschränkung darstellt. Diese besagt, dass die Stimmrechtsmehrheit in einer Lizenzgesellschaft im deutschen Fußball immer beim Mutterverein liegen muss, externe Geldgeber, also Einzel-Investoren oder Unternehmen, nicht die Mehrheit an dieser Kapitalgesellschaft übernehmen dürfen – Ausnahmen wie Bayer Leverkusen mit dem Bayer-Konzern, der VfL Wolfsburg mit der Volkswagen AG oder bis vor Kurzem die TSG Hoffenheim mit Dietmar Hopp im Hintergrund bestätigen die Regel.

Erst kürzlich hatten die Deutsche Fußball-Liga (DFL) und das Bundeskartellamt (BKartA) lange an einem Kompromiss gearbeitet, um 50+1 aus ihrer Sicht rechtssicher zu machen, indem sie bestimmte übergeordnete Interessen festschrieben sowie eine Art Luxussteuer für die Ausnahmen bei Verlustübernahmen durch die externen Geldgeber. Die Bonner Kartellwächter allerdings erklärten jüngst, den EuGH-Entscheid mit einfließen zu lassen.

EuGH übt Zurückhaltung bei “Homegrown-Player-Rule”

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Für Scheuch aber ist dies keine schlechte Nachricht für 50+1. Zwar rügte der EuGH in Sachen Super League “das plumpe und von Eigeninteresse geleitete Vorgehen der Verbände”, aber: “Schon in der Parallelsache Royal Antwerp übte der Gerichtshof deutlich mehr Zurückhaltung.”

Im Antwerp-Fall geht es um die sogenannte “Homegrown-Player-Rule” der UEFA, wonach Klubs eine Mindestzahl an selbst ausgebildeten Spielern im Kader führen müssen. In dieser Sache überließ es der EuGH “dem vorlegenden Gericht, zu beurteilen, ob die Vorschriften zur Kaderzusammensetzung eine Wettbewerbsbeschränkung bezwecken. Darüber hinaus ist zu bedenken: Nach der Logik des EuGH kann in der Rechtssache Wouters keine bezweckte “Wettbewerbsbeschränkung vorgelegen haben (…).”

50+1 keine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung?

Unerwünscht: Teile der deutschen Fan-Szene wollen keine Investoren in der DFL.

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IMAGO/Ulrich Wagner

In Kombination mit dem letztgenannten Fall werden die Sprüche aus dem Dezember spannend. Bei Wouters ging es um einen Fall außerhalb des Sports, weil eine Rechtsanwaltskammer Zusammenschlüsse zu fachübergreifenden Anwaltssozietäten verboten hatte. Scheuch sieht Parallelen zu 50+1: “Auch dieses beschränkte die Möglichkeit Dritter, in Unternehmen (dort: Rechtsanwaltskanzleien) einzusteigen. Insofern bestehen Ähnlichkeiten zur 50+1-Regel.”

Hieße im Umkehrschluss: Im Sinne der Erreichung legitimer Ziele könnte 50+1 nicht als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung erachtet werden, denn “die Regel schützt nicht primär die wirtschaftlichen Interessen des Verbandes bzw. seiner Mitglieder”. Vielmehr lässt sich argumentieren, sie solle gerade die vom EuGH als schutzwürdig erachteten Prinzipien und Werte des Profifußballs wahren. Schließlich betont der Gerichtshof in den Fällen ESL und Royal Antwerp abermals die soziale und kulturelle Bedeutung des Fußballsports.

“DFL und DFB dürften daher gut daran tun, sich bei einem Plädoyer für 50+1 auf soziokulturelle Gründe (Vereinsprägung des deutschen Fußballs, Verankerung in der Bevölkerung) zu konzentrieren”, empfiehlt Scheuch, schränkt aber ein: “Unter Konsistenzgesichtspunkten kritischer zu sehen sind dagegen die in der Praxis bestehenden Ausnahmen von der 50+1-Regel. Es sind auch primär diese historisch begründeten Sonderfälle (Leverkusen, Wolfsburg), an denen sich das BKartA stört. Erst recht sollte daher anderen faktischen Ausnahmegestaltungen (Stichwort: Hannover 96) ein Riegel vorgeschoben werden.”

Benni Hofmann