Schäfers Abschied: Das Ende der Wolfsburger Fußballromantik

Schäfers Abschied: Das Ende  der Wolfsburger Fußballromantik

Geschäftsführer Marcel Schäfer verlässt den VfL Wolfsburg, die Niedersachsen stehen vor den Scherben einer Saison. Und müssen feststellen: Für Romantik ist in diesem Geschäft wenig Platz. Ein Kommentar von kicker-Reporter Thomas Hiete.

Abschied aus Wolfsburg: Geschäftsführer Marcel Schäfer wurde am Mittwoch freigestellt.

Abschied aus Wolfsburg: Geschäftsführer Marcel Schäfer wurde am Mittwoch freigestellt.

DeFodi Images via Getty Images

Der VfL Wolfsburg ohne Marcel Schäfer, das war seit 2007, als er als junger Spieler von 1860 München zu den Niedersachsen wechselte, fast nicht mehr vorstellbar. Der gebürtige Aschaffenburger wurde Deutscher Meister, Pokalsieger, Vereinsikone, Identifikationsfigur. Er wurde Wolfsburger. Und blieb dies auch nach seiner “Bildungsreise” in die USA, wo er 2018 in Tampa schließlich seine aktive Karriere beendete und seinen Karriereplan fortsetzte, in dem er in der sportlichen VfL-Führung Verantwortung übernahm. Erst als Sportdirektor, seit Februar 2023 als Geschäftsführer. Das Gesicht eines Klubs wurde auch zum Boss, was für ihn letztlich Fluch und Segen zugleich war.

Es gibt  kaum einen Wolfsburger, einen VfL-Fan, zu dem Schäfer nicht eine persönliche Geschichte hat. Die große und emotionale Geschichte endete am Mittwoch stark unterkühlt. Mit wenigen Zeilen machte der VfL offiziell, dass der gemeinsame Weg mit ihm beendet ist. Ohne Zitat, ohne Würdigung seiner Verdienste.

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Der Abgang von Schäfer ist auch das Ende der Fußballromantik in Wolfsburg. Schäfer und der VfL bildeten über viele Jahre hinweg eine perfekte Symbiose. Der Klub, in dem sich nicht wenige Söldner seit ewigen Zeiten die Klinke in die Hand gaben, fand einen fähigen Fußballer und intelligenten Menschen, der sich wie kein anderer mit dem Verein, der Stadt und dem Standort identifizierte. Und Schäfer bekam das Umfeld, in dem er sich  verwirklichen konnte. Erst als Sportler, anschließend als Fußballfunktionär.

Jedoch: Die Zeiten, in denen das Geld im Überfluss vom Eigner zur Tochter floss, sind vorbei, der hoch ambitionierte Manager musste feststellen, dass er an wirtschaftliche Grenzen stößt. Und als Geschäftsführer mit dem VfL in Zukunft kaum an die Erfolge seiner aktiven Zeit würde anknüpfen können. Sein Entschluss, den Weg freizumachen für einen Neuanfang, resultierte aus der Enttäuschung über die eigene Arbeit, die nicht so aufging wie gewünscht. Sämtliche Angebote, unter anderem sollen Eintracht Frankfurt und auch schon RB Leipzig in der Vergangenheit angeklopft haben, hatte er bislang abgeblockt. Und war nun, als RB erneut ernst machte, empfänglich für den Schritt raus aus der Stadt. Das ist Fußball-Business.

Kalter Wind in den vergangenen Wochen

In dem Emotionen eine große Rolle spielen. Der Wind, der Schäfer in den vergangenen Monaten des sportlichen Niedergangs entgegenblies, wurde zunehmend kälter. Menschen, die ihn früher auf den Schultern trugen, wollten Erklärungen für Fehlentscheidungen haben. Warum hielt er so lange Niko Kovac fest, warum kamen dieser und jener Spieler? Warum gelang es ihm nicht, den Klub wieder erfolgreich werden zu lassen? Fans, die Schäfer feierten, forderten nun seinen Rausschmiss. Der nun auf eine für den Klub, der vor den Scherben dieser Saison steht, ungünstigste Art und Weise erfolgte.

Schäfer konnte und wollte es in Wolfsburg nicht jedem recht machen. Und sieht für sich, sollte er tatsächlich den Schritt nach Leipzig vollziehen, die Chance, an einem wirtschaftlich besser aufgestellten Standort womöglich seine beruflichen Träume zu verwirklichen. Der Zeitpunkt dafür könnte freilich schlechter nicht sein. Spätestens seit dem vergangenen Sonntag steckt der VfL im Abstiegskampf, und der Klub und Volkswagen reagieren so, wie es auch in der Wirtschaft Normalität ist, wenn ein Manager von VW zu Mercedes wechseln will. Die Zusammenarbeit wurde mit sofortiger Wirkung beendet. Das ist das Geschäft. Und kein bisschen romantisch.