Münsters Erfolgsrezept: “Sind echte Freunde geworden”

Münsters Erfolgsrezept: “Sind echte Freunde geworden”

Die Mannschaft der Stunde lässt ganz Münster kopfstehen. Die anstehenden Top-Spiele werden nicht als Belastung, sondern als Ansporn empfunden.

Die Chemie stimmt bei den Spielern von Preußen Münster.

Die Chemie stimmt bei den Spielern von Preußen Münster.

IMAGO/Picture Point LE

War das nun ein folgenschwerer Rückschlag oder doch nur ein kleiner Dämpfer? Diese Frage stellte sich nach dem unglücklichen Westfalenpokal-Aus der Preußen im Elfmeterschießen in Bielefeld kaum jemand. Denn mittlerweile hat das beste Drittliga-Team 2024 ein dermaßen ausgeprägtes Selbstbewusstsein und -verständnis, dass sich kein Profi lange mit der ersten Enttäuschung in diesem Kalenderjahr aufhalten wollte.

Doch woher kommt das? Warum ist der Aufsteiger, der sich nichts anderes als den Klassenerhalt auf die Fahnen geschrieben hatte, inzwischen ein ernsthafter Kandidat für die 2. Liga? Coach Sascha Hildmann versuchte sich in den vergangenen Wochen immer mal wieder an Erklärungen.

Wir haben geräuschlos einen kleinen Umbruch hinbekommen.

Peter Niemeyer

Eine bemühte der Pfälzer immer wieder: “Die Jungs sind mittlerweile echte Freunde geworden.” Tatsächlich ist nichts über einen Konflikt in der Kabine bekannt, die Hierarchie ist intakt mit “Local Heroes” wie Kapitän Marc Lorenz, Simon Scherder oder Keeper Maximilian Schulze Niehues, aber auch Neuzugängen wie Sebastian Mrowca und Luca Bazzoli, die schnell tragende Rollen übernommen haben.

Überhaupt: Auf dem Transfermarkt landete der SCP im Sommer viele Volltreffer. Teilweise standen in der Hinrunde neun Zugänge in der Startelf. “Wir haben geräuschlos einen kleinen Umbruch hinbekommen”, sagt Sportchef Peter Niemeyer, der abermals ein hervorragendes Gespür für die Zusammensetzung des Kaders bewies.

Das wahrscheinlich größte Plus der Münsteraner ist die Ausgeglichenheit dieses Aufgebots. Auch wenn Hildmann auf ein Gerüst baut, ja sogar einer sehr breiten Achse mit je zwei Säulen in Abwehr (Scherder und Niko Koulis), Mittelfeld (Mrowca, Bazzoli) und Angriff (Malik Batmaz und Joel Grodowski) vertraut, muss er bei den regelmäßigen Ausfällen nie in Panik verfallen.

Münster besitzt das erfolgreichste Sturmduo der Liga

Von der Bank kommt immer Qualität, dort schmollt keiner. Johannes Schenk, Alexander Hahn, Dominik Schad, Rico Preißinger, Thorben Deters, Yassine Bouchama, Gerrit Wegkamp, Dominik Steczyk – sie alle waren länger Reservist und sofort da, wenn sie von Anfang an gebraucht oder eingewechselt wurden.

Acht Siege und drei Unentschieden nach der Winterpause sind eine Mega-Bilanz. “Vor allem, wenn man bedenkt, dass in dieser Liga fast jedes Spiel 50:50 ist”, wie Lorenz findet. Im zweiten Teil der Saison ist Münster das Maß der Dinge, mittlerweile ist der Neuling mit 53 Treffern das gefährlichste Team der Liga, hat mit dem Gespann Batmaz (14) und Grodowski (15) das erfolgreichste Sturmduo und ist auch mit 14 Jokertoren in dieser Rubrik die Nummer 1.

Heimstarke Preußen treten noch fünfmal zuhause an

Die Verantwortlichen scheuen sich zwar noch, diese Werte als Anlass für Träumereien zu akzeptieren, doch viele Spieler geben sich nach außen ehrgeizig und gestehen das, was eh jeder weiß: Die Preußen blicken natürlich auf die Tabelle und haben richtig Lust, in den verbleibenden acht Partien noch weiter oben anzuklopfen.

Zumal jetzt die Spitzenspiel-Wochen kommen: Heimspiele gegen Dresden und Regensburg, dann die Reise nach Ulm – dieser Dreiklang hat es in sich. Die Fans honorieren den Lauf selbstredend, bis auf die Kontingente für den Gästebereich ist für alle Heimspiele bis zum Saisonende schon jetzt keine Karten mehr zu bekommen. Dass Münster noch fünfmal zu Hause antreten darf und nur noch dreimal reisen muss – darunter kurze Wege nach Köln (145 km) und Verl (75 km) -, ist angesichts der Bilanz an der Hammer Straße mit dem Drittliga-Bestwert von erst einer Niederlage (1:3 gegen den SV Waldhof im September 2023) sicher kein Nachteil.

Im Aufstiegsfall: Preußen muss Stadion modernisieren

Die eigene Form, der Druck bei der Konkurrenz und die Unbekümmertheit sprechen für den SCP – die Wahrscheinlichkeit, dass die aktuelle Serie ja irgendwann mal reißen muss, dagegen.

Sollte es mit der Sensation namens Durchmarsch klappen, ginge die Arbeit aber erst richtig los. Denn obwohl der Stadionumbau nach jahrzehntelangem Investitionsstau beschlossene Sache ist, müsste sich der Klub auf die Hinterbeine stellen, um die zahlreichen DFL-Vorgaben für die 2. Liga zu erfüllen. “Es gibt im Lizenzierungsverfahren verschiedene Möglichkeiten, im ersten Jahr der Zweitliga-Zugehörigkeit Ausnahmegenehmigungen zu erwirken”, sagt Geschäftsführer Markus Sass, verweist aber zugleich auf Mindestkriterien. Themen wie Flutlicht und Leistungszentrum oder auch die sensible Frage, welches Ausweichstadion für den Fall der Fälle infrage käme, werden hinter den Kulissen pflichtgemäß diskutiert.

Thomas Rellmann