Ex-Trainer Riebau: “Jeddeloh steht genau dort, wo es hingehört”

Ex-Trainer Riebau: “Jeddeloh steht genau dort, wo es hingehört”

Key Riebau musste jüngst beim SSV Jeddeloh II gehen. Eine Entscheidung, die der einstige “Nagelsmann der Regionalliga” nicht nachvollziehen kann.

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In der vergangenen Woche hat der SSV Jeddeloh II Key Riebau beurlaubt. Im Interview mit dem kicker spricht der 33-Jährige über sein Unverständnis für diese Entscheidung, eigene Fehler und die Punkte, an denen der Klub sich seiner Meinung nach verbessern muss.

Herr Riebau, in der vergangenen Woche hat der SSV Jeddeloh II sich von Ihnen getrennt. Weshalb hat Sie dies trotz nur 25 Punkten aus 23 Spielen überrascht?

Der Zeitpunkt hat mich extrem gestört. Kurz zuvor hatten wir mit drei Siegen in Folge einiges an Punkten aufgeholt. Dass wir in Hamburg nach einer kräftezehrenden Woche mit drei Spielen Federn lassen, kann passieren. Das folgende Spiel gegen Norderstedt dann als “Do-or-die” auszurufen, kann ich nicht nachvollziehen. Vermutlich wurde intern bereits das Lohne-Spiel als ein solches “Do-or-die”-Spiel ausgerufen. Dann haben wir dreimal in Folge unter meiner Regie gewonnen. Danach hätte aus meiner Sicht mal ein bisschen Ruhe einkehren müssen.

Zuvor hatten Sie während der Saison allerdings von Mitte September bis Ende Februar kein einziges Spiel gewonnen. Viele Klubs hätten vermutlich schon viel früher reagiert.

Da gehe ich mit. Wenn der SSV im Winter gesagt hätte, dass er aufgrund der Ergebnisse nicht mehr zufrieden ist und sich deshalb trennen möchte, hätte ich die Argumentation nicht okay gefunden, aber dann wäre es eben so gewesen. Nach zehn Punkten aus sieben Spielen in der Rückrunde ist der Schritt meiner Meinung nach aber nicht gerechtfertigt. Der Punkteschnitt ist völlig in Ordnung. Und wir müssen ehrlich sein: Jeddeloh steht mit Blick auf die Kadertiefe und das Verletzungspech in der Tabelle genau dort, wo es hingehört. Wir hätten auf der ein oder anderen Position einfach tiefer besetzt sein müssen.

Sie haben in der vergangenen Woche betont, Sie seien sich sicher, dass Sie mit dem SSV noch den Klassenerhalt geschafft hätten. Was macht Sie da so optimistisch?

Wenn wir das Norderstedt-Spiel rauslassen, war die Tendenz positiv. Durch die kämpferischen Leistungen konnten wir das Spielerische wettmachen. Jetzt werden die Plätze wieder besser. Das wäre uns entgegengekommen. Auch das Restprogamm hätte für uns gesprochen, weil wir noch zweimal gegen den Bremer SV, einmal gegen Eimsbüttel und zu Hause gegen Spelle-Venhaus gespielt hätten. Ich bin mir sicher, dass wir da die nötigen Punkte geholt hätten. Außerdem: Wir haben in 23 Spielen auch nur achtmal verloren. Dazu kamen viele unglückliche Unentschieden.

Die Trainingsbedingungen ab Ende Oktober bis in den März taugen nicht für die Regionalliga.

Key Riebau über die Verhältnisse bei Jeddeloh II

Schon Mitte November monierten Sie, dass beim SSV wieder der Schlendrian einkehrt. Warum wiederholt sich dieses Prozedere seit Jahren immer wieder?

Hier muss der Verein wirklich ganz dringend ansetzen, um ein erfolgreiches Arbeiten für uns Trainer besser zu unterstützen. Die Trainingsbedingungen ab Ende Oktober bis in den März taugen nicht für die Regionalliga. Die Jungs müssen im Training die Möglichkeit haben, an ihre Grenzen zu gehen. Nur dann können sie das auch auf dem Feld, wenn das Spiel angepfiffen wird.

Sie waren aber ja bereits zuvor einmal Trainer in Jeddeloh und kannten daher die Bedingungen. Haben Sie das Problem jetzt unterschätzt? Oder wurden einige Versprechungen nicht erfüllt?

Das habe ich ein Stück weit unterschätzt. Ich habe gedacht, dass wir den Kunstrasenplatz in Edewecht häufiger nutzen können. Ab Ende Oktober waren die Witterungsbedingungen eine Katastrophe. Dennoch hat es mich überrascht, dass der Klub seit meinem ersten Weggang im November 2018 infrastrukturell nicht besser geworden ist.

War die Rückkehr nach Jeddeloh im Nachhinein ein Fehler?

Nein, ich würde diese Entscheidung wieder so treffen. Der Trainermarkt in der Regionalliga ist derart überlaufen, dass es immer ein Privileg ist, diesen Job machen zu dürfen. Ich kannte ja viele Verantwortliche und viele Spieler. Am Ende sind viele Dinge an der Kommunikation gescheitert. Da hätten wir einiges besser machen können.

Was lief aus Ihrer Sicht in der Kommunikation konkret falsch?

Ich weiß ja aus meiner ersten Zeit, wie es damals beim SSV war. Ansgar, Gerdi (der damalige Sportlicher Leiter Ansgar Schnabel und Geschäftsführer Gerhard Meyer, Anm. d. Red.) und ich haben damals eigentlich täglich geschnackt und uns über viele Themen ausgetauscht. Jetzt war es so, dass sich alle zurückgezogen haben. Jeder ist in seiner kleinen Jeddeloh-Welt und versucht, für sich das Bestmögliche zu machen. Aber sich mal an einen Tisch setzen und Probleme gemeinsam angehen? Das gab es einfach nicht. Es war nie so, dass man auf mich zukam und gefragt hat: “Hey, wie könntest du dir das vorstellen? Und was sollten wir aus deiner Sicht mal angehen?” Die Impulse gingen lediglich von mir aus. Im Team hätten wir viel mehr Kraft entwickeln können. In den Gesprächen mit den Spielern habe ich gemerkt, dass auch sie wenig Planungssicherheit haben. Ein Klub wie Jeddeloh muss den Kader aber einfach zweigleisig planen. Auch mit mir wurde nicht über meine Zukunft gesprochen. Nur im Winter gab es mal einen Austausch. Da habe ich schon gemerkt, dass es am seidenen Faden hängt.

Der Klub hat im Winter nochmal nachgelegt und Dennis Lerche, Bowen Wang, Allah Aid Hamid und Willem Hoffrogge verpflichtet. Warum hat es aus Ihrer Sicht dennoch nicht für den nachhaltigen Turnaround gereicht?

Trotzdem haben wir gesehen, welche Qualität der ein oder andere Spieler dem Team direkt geben kann. Lerche macht in seinen ersten vier Spielen gleich vier Tore. Wenn er dann aber direkt für sechs bis acht Wochen ausfällt, ist doch klar, dass dies etwas mit der Mannschaft macht. Das war im Sturmzentrum nicht zu kompensieren.

Mit Marcel Andrijanic, Ibrahim Temin, Shaun Minns und Miguel Fernandes sind vor der Saison mehrere Spieler mit Erfahrung gegangen. Hat dies stärker geschmerzt als der Klub zunächst dachte?

Was im Sommer gegangen ist, konnte qualitativ nicht aufgefangen werden. Temin hätte man niemals abgeben dürfen. Mit seiner Mentalität ist er für die Teamstruktur einfach enorm wichtig. Ja, wir haben einige talentierte Spieler dazugeholt. Und ja, mit Pierre Becken und Kamen Hadzhiev kam auch Erfahrung dazu. Aber am Grundgerüst des Teams wurde eben extrem gerüttelt. Und Hadzhiev hat uns im Winter dann ja auch wieder verlassen, weil es seinem kleinen Sohn in Bulgarien einfach besser geht. Dafür hatte ich nach einem guten Gespräch mit ihm totales Verständnis, aber für uns war das natürlich ein Verlust.

Ihm und vielen Jungs wünsche ich viel Erfolg. Tatsächlich mehr als dem Verein.

Key Riebau über Nachfolger Björn Lindemann

Ihr Vorgänger Björn Lindemann ist nun auch ihr Nachfolger. Im vergangenen Sommer betonte Lindemann, dass Ihr gutes Verhältnis darunter nicht leiden wird. Ist dies nun auch im umgekehrten Fall so?

Absolut. “Linde” ist ein geiler Typ. Wir haben auch schon telefoniert. Ihm und vielen Jungs wünsche ich viel Erfolg. Tatsächlich mehr als dem Verein.

Als Sie 2017 erstmals beim SSV mit gerade einmal 27 Jahren als Cheftrainer übernahmen, galten Sie als “Nagelsmann der Regionalliga”, führten den Klub ins Pokalfinale und spielten in der ersten Saisonphase ganz oben mit. Nun mussten Sie als Trainer zweimal in Jeddeloh und einmal in Delmenhorst gehen. Wie soll es für Sie persönlich als Trainer weitergehen?

Die Erfahrung, dies mit 27 schon machen zu dürfen, war extrem geil. Klar, ein oder zwei Sachen würde ich im Nachhinein anders angehen. Die Schnelllebigkeit im Geschäft ist schon krass. Mir ist es zu einfach, immer zu sagen, dass die Trainer nun ihren Stuhl räumen müssen. Auch in Delmenhorst waren viele Sachen gut. Ich habe aber Erfahrungswerte gesammelt, die ich anderen in meinem Alter voraushabe. Und ich bin ja auch erst 33 und will noch viele Dinge lernen.

NACHHOLSPIEL

Sie arbeiten als Lehrer, sind im Nordwesten also gebunden. Befürchten Sie, dass es das für Sie im höherklassigen Amateurbereich nun erst einmal war?

Der Markt ist brutal. Denken wir allein an Dario Fossi, Benedetto Muzzicato, Benjamin Duda oder Olufemi Smith. Alles sehr gute Trainer hier aus der Region, die aktuell ohne Verein sind. Ich denke, dass die Verantwortlichen anderer Vereine aber auch sehen, was ich an guter Arbeit geleistet habe. Immerhin bin ich mit 33 schon zweimal aus der Oberliga in die Regionalliga aufgestiegen. Mich würde es vor allem reizen, in den Leistungszentren oder mit einer U 23 zu arbeiten. Dort ist die Infrastruktur einfach eine ganz andere. Das könnte super zu mir passen.

Karsten Lübben