Deutschland 2024: Viel Liebe und Kekse für alle!

Deutschland 2024: Viel Liebe und Kekse für alle!

Mein Tag bei der EM heißt diese Kolumne. Ich hatte das Vergnügen, diesen Tag bei dieser EURO schon zweimal zu erleben. Samstag war ich in Köln beim Sieg der Schweizer über die Ungarn, Montag in Frankfurt beim Coup der Slowaken gegen die Belgier. Hier meine gnadenlos subjektiven und nicht repräsentativen Erkenntnisse.

Zwar keine Kekse, dafür Vanilleplunder für die slowakischen Fans nach dem Überraschungssieg gegen Belgien: Juraj Kucka (li.) zeigt sich als Gönner.

Zwar keine Kekse, dafür Vanilleplunder für die slowakischen Fans nach dem Überraschungssieg gegen Belgien: Juraj Kucka (li.) zeigt sich als Gönner.

IMAGO/Jan Huebner

Die Leute lieben das Turnier! Ich habe außerordentlich viele begeisternd fröhliche Menschen gesehen. Grenzenlos stolz, ihr Trikot und den Schal in den Zügen, Straßenbahnen, Städten und Stadien zu zeigen. Gruppen-Selfies vorm Stadion zu machen. Wild abzugehen, wenn ihr Team ein Tor schießt oder gar gewinnt. Sie können es kaum fassen, dass sie bei dieser EM dabei sein dürfen. Wir Deutschen kommen mehrheitlich auch ganz gut weg. Dass so viele Einheimische zu den Fan-Festen strömen, das gefällt den Gästen. “You know how to party!” Das ist der wahre Sommermärchen-Spirit.

Die Stadien sind magisch! Zu Hause mit der Family (liebe Grüße!) auf dem Sofa EM gucken ist super. Die Magie des Stadions kommt aber auch gewaltig. Das Knistern vor dem Anpfiff, der gladiatorenmäßige Einmarsch, die Hymne und dann das Wichtigste, genau: das Spiel! Ähnlich gute Live-Unterhaltung bieten ansonsten nur Bands wie die Foo Fighters. Schade allerdings, dass sich fast nur noch die Reichen den Besuch leisten können und viele bei der Heim-EM daheimbleiben müssen. Etwas billigere Plätze und weniger Gewinn für die UEFA hätten es auch getan.

Die Bahn hat gewonnen! Ich saß insgesamt acht Stunden länger in Zügen und Bahnen, als es hätte sein sollen. Kein Zug kam pünktlich, und das sage ich, eigentlich ein Freund der Bahn. Doch die Realität war so: Signalstörungen, gesperrte Strecken wegen des Hochwassers, eine verspätete Crew, ein Brand in einem Zug am Würzburger Bahnhof. Da kam alles zusammen. Für mich ist die Bahn trotzdem ein Gewinner, denn in meinen Zügen regte sich keiner auf! Stattdessen wurden Späßchen gemacht. “This is german railway, always to late”, erzählte eine Omi gechillt einem Chinesen, der höfliche nickte: “Ah, yes, good to know!” Selbst Bahn-Mitarbeiter mussten lachen, wenn sie den nächsten unplanmäßigen Halt verkünden durften. Dieser lockere Umgang ist der Jackpot. Wütende Passagiere hätten den ICE von Düsseldorf nach München in der Nacht auf Montag auseinandergenommen. Doch die Crew reagierte clever: Kekse für alle! Schon war Ruhe.

So geht Außenseiter! Eine kicker-Kolumne sollte auch was mit Fußball zu tun haben, oder? Also dann: Die Slowaken schlugen die Belgier nicht nur wegen des VAR, sondern weil sie so spielten, wie ein Underdog spielen muss: Sie attackierten mutig, liefen in hohem Tempo an und suchten selbst ihr Glück. Sie rannten und rannten – 120 Kilometer als Team. Lediglich 112 hatten die Ungarn runtergerissen, selten mit hoher Geschwindigkeit. Sie überließen den Schweizern den Ball und die Kontrolle. Die Gier, zu jagen, fehlte komplett. Aber nur mit ihr kannst du auch als Außenseiter was holen.

Das ist ein guter Tipp an die Ungarn für ihr nächstes Spiel gegen … Deutschland! Da sitze ich vorm Fernseher, entspannt und ohne Verspätung. Aber auf jeden Fall mit Keksen.

Bernd Salamon