Wiederentdeckt: Dieser Bulli läuft auf Schienen!

Wiederentdeckt: Dieser Bulli läuft auf Schienen!

Die Oldtimer-Spezialisten von Volkswagen haben ein besonders seltenes Exemplar des VW T1 “Bulli” restauriert und wieder zum Laufen gebracht. Allerdings nicht auf der Straße, sondern auf Bahnschienen. Das ist die Geschichte:

Nanu, was fährt denn da? Der Draisinen-Bulli ist ein ungewöhnlicher Anblick.

Nanu, was fährt denn da? Der Draisinen-Bulli ist ein ungewöhnlicher Anblick.

VWNO

Der Oldtimer-Abteilung von Volkswagen-Nutzfahrzeuge (VWNO) ist schon viel Ungewöhnliches unter die Augen und vor die Restaurierungs-Werkzeuge gekommen. Vor allem der legendäre Bulli T1 gab und gibt immer wieder Anlass zum Staunen. Erst vor zwei Jahren war er beispielsweise als spektakulärer “Raupen-Fuchs” mit Kettenantrieb wiederentdeckt und zu neuem Leben erweckt worden. Mehr dazu können Sie hier nachlesen.

Einsatzfahrzeug in Diensten der Bahn

“Es gibt nicht viele Bulli-Varianten, die wir bisher noch nicht gesehen haben oder gefahren sind”, sagt Tobias Twele, der sich als Projektleiter mit den Schätzen der Unternehmensgeschichte beschäftigt, “diese Draisine gehört aber eindeutig dazu”. Draisine? Tatsächlich: Der Bulli, von dem Twele spricht, hat weder Reifen noch ein Lenkrad. Stattdessen trägt er ein “DB”-Logo auf der feuerroten Stirn und fährt auf Schienen. Denn die Straße ist von Anfang an nicht das Refugium dieser T1-Rarität gewesen. Entwickelt wurde sie, weil die Deutsche Bundesbahn (DB) Mitte der 1950er-Jahre ein gleistaugliches Einsatzfahrzeug gesucht hatte. Und um die Kosten für eine teure Neuentwicklung zu sparen, wurde kurzerhand ein Volkswagen-Transporter umfunktioniert und mit einem Eisenbahn-Fahrgestell versehen.

Den Umbau nahmen zwei Firmen vor, zum einen Martin Beilhack aus Rosenheim und zum anderen die Waggon- und Maschinenbau GmbH Donauwörth. Je 15 Exemplare des “Kleinwagens mit Verbrennungsmotors” (Klv-20) verließen im Jahr 1955 die Produktionsgebäude, um die Mitarbeiter der Bahn- und Signalmeistereien bei Inspektions- und Reparaturfahrten zu unterstützen. Aufs Altenteil geschickt wurden die Bahn-Bullis erst in den 1970er-Jahren – gut möglich also, dass sich manch einer noch an die ungewöhnlichen Schienenfahrzeuge erinnert.

Zum Wenden angehoben

Motorisiert war der Draisinen-Bulli mit einem Volkswagen-Industriemotor, konkret einem Vierzylinder-Boxer-Benziner mit 28 PS und 1,2 Litern Hubraum. Sieben Personen konnten mitfahren, ein Lenkrad gab es erwähntermaßen nicht, wohl aber einen Rückwärtsgang. Benötigt wurde er letztlich aber nicht, denn die ins Fahrwerk integrierte Hebe-Drehvorrichtung machte es möglich, den T1 anzuheben, zu wenden und in umgekehrter Fahrtrichtung wieder aufs Gleis zu setzen.

Draisinen-Bulli

Sehr schlicht: So sieht der “Leitstand” des Klv-20 aus.
VWNO

Nicht nur der Schienen-Bulli mit der Fahrgestellnummer 20-5011 selbst konnte rekonstruiert werden, sondern auch dessen Geschichte: Zunächst hatte der spezielle T1 beim Bahnbetriebswerk im niederbayerischen Plattling Dienst getan, danach folgte ein Jobwechsel zur dortigen Signalmeisterei. Das Rentenalter verbrachte der Schienen-Bus zunächst in der Pfalz und später bei einem Eisenbahn-Sammler in Hessen, bevor der Umzug nach Hannover in die Oldtimer-Sammlung von Volkswagen Nutzfahrzeuge erfolgte.

Jungfernfahrt durch Thüringen

Nach rund siebzig Jahren und sorgfältiger Restaurierung brach der Bahn-T1 Mitte Mai zu seiner zweiten Jungfernfahrt auf, die ihn über die Draisinenstrecke bei Lengenfeld unterm Stein in Thüringen führte. “Ein sehr emotionaler Moment” sei es gewesen, mit dem Team das erste Mal über das 24 Meter hohe Lengenfelder Viadukt zu fahren, schwärmt Oldtimer-Spezialist Twele. Für den Bahn-Bulli war es freilich nur eine kurze Rückkehr zur Fahrpraxis, im VWN-Fundus darf er sich nun wieder schonen. Und wartet wahrscheinlich gespannt auf den nächsten raren Neuzugang, der ihm Gesellschaft leisten wird.