Wie der NFL-Draft 1983 den American Football geprägt hat

Wie der NFL-Draft 1983 den American Football geprägt hat

Peyton Manning ist eine absolute NFL-Legende. Im Rückblick fällt dem langjährigen Quarterback der Colts und Broncos aber auf: Das Jahr 1983 ist auch für seinen Werdegang entscheidend gewesen. Aushängeschilder wie John Elway und Dan Marino haben das Spiel damals grundlegend verändert.

Zwei ewige Quarterback-Größen: Broncos-Ikone John Elway und Dolphins-Legende Dan Marino (re.).

Zwei ewige Quarterback-Größen: Broncos-Ikone John Elway und Dolphins-Legende Dan Marino (re.).

Patrick McMullan via Getty Images

Noch bevor eine Regular Season in der National Football League offiziell anfängt, kann das Schicksal einiger Teams schon entschieden sein – und zwar im absolut positiven wie höchst negativen Sinne. Wann genau? Im alljährlichen Draft, der Lotterie voller auf die Chance wartender Rookies – die dieser Tage erst wieder über die Bühne geht und mit der etwa mit Spannung erwarteten 1. Runde schon gegangen ist.

Beispiele gefällig? Die NFL-Karriere von Spielmacher JaMarcus Russell etwa, der im NFL-Draft 2007 an allererster Stelle von den Raiders gedraftet worden war, glich einem einzigen Flop. Stichworte: leere Video-Bänder, Lügen und eine klare, abfällige Meinung selbst auf “nfl.com”. Die Liga selbst nämlich bezeichnete Russell als “schlimmsten Draft-Pick der Geschichte, sogar schlimmer als Ryan Leaf”. Und jener Leaf (Erstrunden-Pick 1998, 2. Stelle von den San Diego Chargers) sollte in 25 Spielen nur unter 50 Prozent seiner Pässe bei kümmerlichen 14 Touchdowns anbringen – dabei aber ganze 36 (!) Picks werfen.

Es gibt aber auch die anderen Ausreißer wie etwa die Football-Lotterie des Jahres 1989. Vier Jackpots (und eine große Niete) hatte es damals gegeben – mittendrin: die Quarterback-Legende und der heutige TV-Kommentator Troy Aikman (drei Super Bowls mit den Dallas Cowboys).

Wenn es aber um den Draft geht, der die National Football League spielerisch in eine neue Evolution gelenkt hat, dann dürfte vielen Experten und Kennern das Jahr 1983 in den Sinn kommen. Denn dieser Auswahlprozess veränderte einige Teams nachhaltig – Titel inklusive.

Namen brennen sich ins Gedächtnis bei der “class of 1983”

Im New York Sheraton Hotel fand das Prozedere damals statt, zwischen dem 26. und 27. April. Am Ende sollten gleich sechs Quarterbacks in der ersten Runde über die Bühne gehen – so viele wie noch nie zuvor und auch seither nicht mehr. Mit Ausnahme der diesjährigen Lotterie 2024 mit ebenfalls sechs Spielmachern. Es war die legendäre “class of 1983”, versehen mit anfangs recht eigenwilligen Sturköpfen.

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#91: Die Aufreger der 1. NFL Draft Runde


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So hatten die Baltimore Colts (heute in Indianapolis beheimatet) einen gewissen Quarterback John Elway als First Overall Pick gezogen, tradeten diesen aber direkt weiter zu den Denver Broncos – weil sich Elway geweigert hatte, für die Colts zu spielen und sogar mit einem Abmarsch in Richtung Baseball-Karriere gedroht hatte. Neben dem starken Running Back Curt Warner (Seahawks an Position 3) oder Offensive Tackle Jim Covert (späterer Super-Bowl-Sieger, Bears an 6) folgten etwas später noch die Spielmacher Todd Blackledge (Chiefs an 7), Jim Kelly (Bills an 14) , Tony Eason (Patriots an 15), Ken O’Brien (Jets an 24) und kein Geringerer als Dan Marino (Dolphins an 27).

Sprung voraus: Elway, Kelly, Eason und Marino schafften es in ihren Laufbahnen mindestens einmal in den Super Bowl. Elway, Kelly, O’Brien und Marino dazu mindestens einmal in den Pro Bowl – und Elway, Kelly und Marino später in die Pro Football Hall of Fame.

Die Leiden des Kelly – und das fehlende Marino-Puzzlestück

Das wunderte zu diesem Zeitpunkt natürlich keinen mehr: Denn Elway, zwischen 1983 und seinem Karriereende 1998 für die Broncos aktiv (später sogar auch General Manager zwischen 2011 und 2020), gewann gleich zweimal mit dem Franchise aus Colorado den Titel. Anfang 1998 in seinem vorletzten NFL-Jahr durch ein 31:24 gegen die Green Bay Packers und Anfang 1999 als Krönung seiner Karriere durch ein 34:19 gegen die Atlanta Falcons. Beides unter dem legendären Head Coach Mike Shanahan, Vater des heutigen 49ers-Trainers Kyle.

Jim Kelly

Musste mit den Buffalo Bills viermal am Stück kurz vor dem Ziel klein beigeben: Quarterback Jim Kelly.
IMAGO/Icon Sportswire

Der durch den Draft 1983 nach Buffalo gelotste Kelly, der sich zuerst geweigert sowie deswegen zwischen 1983 und 1985 in der NFL-Konkurrenzliga United States Football League erfolgreich für die Houston Gamblers gespielt hatte und schließlich doch widerwillig zu den Bills gekommen war, erlebte dagegen trotz einer herausragenden Laufbahn einen sportlichen Horror. In seinen elf Jahren mit den Bills (1986 bis 1996) führte er das Franchise ab 1990 viermal in Folge in den Super Bowl. Und viermal wurde dieser verloren – 19:20 gegen die New York Giants, 24:37 gegen die damaligen Washington Redskins, 17:52 gegen die Dallas Cowboys und 13:30 erneut gegen die Dallas Cowboys.

Kelly war damals Teil des “K-Gun”, einer ungewöhnlichen und sich das ganze Spiel über hindurchziehenden “hurry-up, no-huddle offense”. Als Quarterback des schnellsten Angriffs der Liga wurde Kelly fünfmal in den Pro Bowl gewählt. 1996 trat er schließlich im Alter von 36 Jahren zurück. Mit 101 Saisonsiegen war er zu diesem Zeitpunkt erst der neunte Quarterback, der 100 NFL-Spiele gewonnen hatte. 2001 ehrten ihn die Bills zudem, indem sie seine Nummer 12 zurückzogen und seither nie mehr vergaben. Die Hall-of-Fame-Aufnahme folgte ein Jahr später.

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Und dann war da neben dem eher enttäuschenden Blackledge (Chiefs), Eason (mit den Patriots 1985/86 mit 10:46 im Super Bowl gegen die Bears untergegangen) und O’Brien (Passing Leader 1985 mit den Jets) auch noch Mister Marino am Start. Auch wenn zu seiner Geschichte unglaublicherweise ebenfalls kein Super-Bowl-Sieg gehört, so hat “Dan The Man” Geschichte geschrieben und sich auf ewig in den Annalen des American Football verankert. Marino war schlicht ein Ausnahmekönner. Er hatte lange die Rekordmarken für geworfene Yards (61.361) und vollständige Pässe (4967) sowie diverse weitere Pass-Rekorde gehalten, die erst Jahre und Jahrzehnte später von Herrschaften wie Brett Favre, Tom Brady, Peyton Manning und Drew Brees geknackt werden konnten. Die Dolphins, für die Marino ausschließlich im Einsatz gewesen war (1983 bis 1999), errichteten ihm zu Ehren im Jahr 2000 eine Statue vor dem Hard Rock Stadium.

Große Worte von Elway

“Diese Jungs – besonders Dan, wie er den Ball quasi immer sofort losschnallen hat lassen – haben das Niveau vorangetrieben”, sagte Hall of Famer Peyton Manning (zwei Ringe mit Colts und Broncos) erst im vergangenen Jahr 2023 über jene Generation bei ESPN und kam aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus: “Was Dan gleich vom Start weg abgerissen hat … unglaublich. Ich meine, 48 Touchdowns allein in seinem zweiten Jahr … das sind herausragende Errungenschaften für die damalige (defensivgeprägte; Anm. d. Red.) Zeit. Die Attitüde war eine andere, du durftest zum Beispiel Receiver festhalten und all solche Sachen machen.”

Das ist wirklich etwas so Einzigartiges!

John Elway über den Draft 1983

Manning weiter: “Es dauerte 20 Jahre, bis einige dieser Rekorde gebrochen wurden. Und wie Leute heutzutage über Quarterbacks denken, wie das Spiel gespielt werden sollte, wie es aussehen muss – ein großer Teil davon führt auf diese Jungs zurück.” Zum Vergleich dazu passend: Zehn Jahre vor dem Draft 1983 hatten Football-Teams im Schnitt 281,9 Total Yards, also Passing und Rushing, aufgestellt. Ab 1983 sprang das auf 409,3 Total Yards hoch. 2022 dann, um kurz auf die Neuzeit zu kommen, waren es 440,3 Yards im Schnitt pro Offense.

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Kein Wunder, dass Broncos-Legende Elway – später eben als General Manager in Denver oft bei der alljährlichen Lotterie selbst gefragt – mal über den damaligen Draft sagte: “Das ist wirklich etwas so Einzigartiges! Ich meine, wir waren zu sechst (Quarterbacks; Anm. d. Red.) in dieser Draft-Klasse und es gab Leute in der Hall of Fame wie Eric Dickerson, Bruce Matthews und was auch immer, Darrell Green auch, alle in dieser ersten Runde. Nachdem ich viel Zeit in diesen Draft-Räumen verbracht und die Bretter (mit potenziellen großen Spielern; Anm. d. Red.) gestapelt habe, bin ich mir nicht sicher, ob du allzu viele Draft-Klassen wie diese nochmal sehen wirst. Aber ich, Jimmy und Danny … Ich werde mich immer besonders fühlen, mit ihnen in einer Gruppe gewesen zu sein.”

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