Würzburg auf Kurs Heimrecht: Die Gründe für die Fabelsaison

Würzburg auf Kurs Heimrecht: Die Gründe für die Fabelsaison

Obwohl die Würzburg Baskets einen der kleinsten Etats der Liga haben, sind sie in dieser Saison nicht nur auf bestem Weg in die Play-offs: Sie haben sogar eine realistische Chance auf den Heimvorteil. Sich über die Saison hinaus dort festzusetzen, dürfte trotzdem schwierig werden.

Ein eingespieltes Team: Die Würzburger um Vokuhila-Mann Seljaas, Topscorer Livingston II, den besten Verteidiger Bess und Identifikationsfigur Ugrai (v. li.).

Ein eingespieltes Team: Die Würzburger um Vokuhila-Mann Seljaas, Topscorer Livingston II, den besten Verteidiger Bess und Identifikationsfigur Ugrai (v. li.).

IMAGO/HMB-Media

In der BBL gibt es mit den Niners Chemnitz, die weiterhin an der Tabellenspitze stehen, momentan nicht nur ein vermeintliches Überraschungsteam: Mindestens genauso unerwartet sind nämlich die Würzburg Baskets als aktueller Tabellenvierter zehn Spieltage vor Ende der Hauptrunde auf Kurs Heimrecht in der ersten Play-off-Runde. Zwei vermeintlich kleinere Vereine stehen neben den Euroleague-Mannschaften Bayern München  und Alba Berlin damit momentan unter den ersten Vier. Ein wichtiger Grund für den Würzburger Erfolg: ein gutes Händchen auf dem Transfermarkt und die konstante Arbeit von Trainer Sasa Filipovski. Dabei sah es für den Würzburger Basketball vor etwas mehr als zwei Jahren überhaupt nicht nach einer rosigen Zukunft aus.

Rückblick in den Dezember 2021: s. Oliver Würzburg, unter diesem Namen firmiert der Basketball-Bundesligist aus Unterfranken zu dem Zeitpunkt noch, liegt auf dem vorletzten Tabellenplatz der BBL. Kurz vor Weihnachten erschüttern gleich zwei Ereignisse an einem Tag die Würzburger Fans bis ins Mark: Trainer Denis Wucherer, der die Mannschaft in den Vorjahren stets von allen Abstiegssorgen ferngehalten hatte, muss seinen Posten räumen. Und noch schlimmer: Namenssponsor s. Oliver kündigt seinen Ausstieg an – wichtiges Geld wird in Zukunft also fehlen. War es das jetzt mit Bundesliga-Basketball in der Heimatstadt von Dirk Nowitzki?

Zum damaligen Zeitpunkt kein unrealistisches Szenario beim ohnehin eher klammen Verein. Der installiert als Ersatz für Wucherer einen hierzulande unbekannten Head Coach: Sasa Filipovski. Der Slowene führt die Mannschaft dank der bis dahin besten Rückrunde der Vereinsgeschichte noch ins Tabellenmittelfeld und beendet die Saison als Zwölfter. Bereits vor Saisonende verlängert der Trainer seinen Vertrag um gleich drei Jahre. In der Vereinsmitteilung wird er damals wie folgt zitiert: “Dieser Schritt ist für mich die Möglichkeit, hier in Würzburg etwas aufzubauen. Die Stadt hat großes Potenzial als Basketballstandort.”

Finanziell schwache Klubs müssen Mut im Scouting beweisen

Im März 2024 lässt sich sagen: Die Möglichkeit hat Filipovski genutzt. Als vermeintlich kleiner Bundesligist eine Mannschaft über mehrere Jahre aufzubauen, ist im schnelllebigen Basketballkosmos jedoch nahezu unmöglich. Wodurch es noch wichtiger für die finanziell eher schwächeren Vereine wird, mutige Entscheidungen auf dem Spielermarkt zu treffen. So schnupperten die Baskets in der vergangenen Saison bereits lange an den Play-offs, ehe der Mannschaft im Endspurt besonders das Verletzungspech zu schaffen machte. Dennoch: Viele Spieler konnten ihren Marktwert steigern – und verließen die Stadt am Main. Filipovski und Sportdirektor Kresimir Loncar mussten nahezu alle Leistungsträger ersetzen.

bbl, 25. spieltag

Das ist ihnen vor der laufenden Saison bravourös gelungen, sodass sich auch das angesprochene Potenzial als Basketballstandort noch mehr als zuvor zeigt: Regelmäßig ist die tectake-Arena ausverkauft. Die Stimmung in der kleinen, im Volksmund gerne “Turnhölle” genannten Spielstätte ist mit wenigen Arenen deutschlandweit zu vergleichen. Für die laute Unterstützung liefert die Mannschaft auf dem Parkett auch reichlich Gründe: Würzburg hat 15 der letzten 17 Ligaspiele für sich entschieden, zuletzt gewann man innerhalb von acht Tagen dreimal mit mehr als 20 Punkten Differenz.

Würzburg forciert das Spiel über die kleinen Spieler

Coach Filipovski setzt dabei offensiv vor allem auf kleine Eins-gegen-eins-Spieler, wie Otis Livingston II: Der Guard ist mit knapp 20 Punkten pro Partie Top-Scorer der Liga, Anfang des Jahres erzielte er in Tübingen 42 Zähler in einem Spiel. So viele Punkte waren einem BBL-Spieler seit 21 Jahren nicht mehr gelungen. In der vergangenen Saison spielte Livingston für Crailsheim und Bayreuth, stieg mit den Oberfranken am Ende der Saison ab. Einen fränkischen Basketballstandort, den die Würzburger inzwischen überholt haben. Wie auch, zumindest vorübergehend, den ehemaligen Serienmeister Bamberg Baskets, der nach einer 39-Punkte-Schmach im Derby in Würzburg im Februar Head Coach Oren Amiel entließ.

Aber nicht nur mit der Verpflichtung von Livingston bewiesen Filipovski und Loncar Mut: Flügelspieler Zach Seljaas, mittlerweile für seinen Vokuhila-Look bekannt, spielte in der vergangenen Saison noch in der Pro A und schaffte mit Tübingen den Aufstieg. Eine Etage höher legt er im Würzburger Trikot 13,6 Punkte pro Spiel auf. Bereits in der Vorsaison holten die Unterfranken mit Stanley Whittaker einen Leistungsträger aus Liga zwei – der in Würzburg zum Topscorer avancierte, vor dieser Spielzeit aber nach Italien wechselte. Weitere Spieler auf den kleinen Positionen, die zweitstellige Punktwerte verbuchen, sind Darius Perry, der aus Ungarn kam, und Isaiah Washington. Letzterer stieg mit seinen Frankfurtern letztes Jahr ebenfalls aus der BBL ab.

Herzstück des Teams sind also ohne Frage die kleinen Positionen: Nur mit kleinen Spielern geht es aber auch nicht. Vor der Saison kehrte Big Man Max Ugrai aus Heidelberg zu seinem Heimatverein zurück. Der erfahrene Routinier Owen Klassen und Collin Welp, Sohn des 2015 verstorbenen Europameisters von 1993, Christian Welp, teilen sich mit Ugrai die Hauptlast unter den Körben. Durch den Spielstil im Angriff, der mehr auf Einzelaktionen der starken Individualisten denn auf Ballbewegung aus ist, erzielt das Team zwar die wenigsten assistierten Körbe der BBL, verliert dafür aber auch nicht so oft den Ball. Zudem ist die Mannschaft von außen gefährlich: 38,6 Prozent Dreierquote dokumentieren das.

Sasa Filipovski

Hat in dieser Saison oft Grund zum Jubeln: Würzburgs Erfolgstrainer Sasa Filipovski.
IMAGO/HMB-Media

Kurze Rotation könnte in den Play-offs zum Problem werden

In der Defensive ist die kleine Aufstellung der Baskets dafür prädestiniert, über das ganze Feld Druck auf die Gegner auszuüben. Würzburg klaut durch die aggressive und gut abgestimmte Verteidigung die zweitmeisten Bälle im Ligavergleich. Defensiv sind zwei Spieler hervorzuheben: Da wäre zum einen Kapitän und Lokalmatador Felix Hoffmann. Der steht zwar nicht viele Minuten auf dem Parkett, ist sich für defensive Drecksarbeit aber nie zu schade. Defensiver Anführer der Würzburger ist aber Forward Javon Bess. Der Ex-Göttinger kann fast alle Positionen verteidigen und ist aktuell wohl heißester Anwärter auf den Titel des Defensive Player of the Year in der BBL. Aber auch offensiv übernimmt er Verantwortung, scort im Schnitt zweistellig bei einer starken Dreierquote.

Gute Zutaten auf beiden Seiten des Feldes also für die Würzburger, um die aktuelle Platzierung bis zum Ende der Hauptrunde zu halten und zum ersten Mal seit 2016 die BBL-Endrunde zu erreichen. Zudem ist die Mannschaft durch die eher kleine Rotation bereits eingespielt. Aber: Die Leistungsträger müssen dadurch viele Minuten gehen, vier Spieler stehen durchschnittlich länger als 27 Minuten auf dem Parkett. Ob die Mannschaft in den Play-offs das Viertelfinale übersteht, dürfte auch davon abhängen, ob alle Spieler verletzungsfrei bleiben. Der Ausfall eines Leistungsträgers könnte Filipovski angesichts der kurzen Rotation und der kürzeren Regenerationsmöglichkeiten in der Postseason nämlich vor Probleme stellen.

In Zukunft muss auch die Hallenthematik wieder diskutiert werden

Zuerst einmal steht für die Unterfranken aber das wichtige Duell beim deutschen Meister ratiopharm Ulm auf dem Programm, den man mit einem Auswärtssieg auf Distanz halten könnte (Samstag, 18.30 Uhr). Zeit zur Wiedergutmachung, das Hinspiel in der Liga ging nämlich knapp an die Ulmer. Und auch im Pokal eliminierten die Schwaben Würzburg mit nur vier Punkten Differenz im Achtelfinale.

Wie es dann über die Saison hinaus bei den Baskets weitergeht, ist schwer zu prognostizieren. Ob die Würzburger ihre aktuelle Vormachtstellung in Franken behaupten können, hängt in naher Zukunft vor allem vom Personal ab: Spieler wie Livingston und Seljaas dürften schwer zu halten sein, es wird also wieder auf ein gutes Gespür beim Scouting ankommen. Den erfolgreichen Spielstil mit eher kleineren Spielern dürfte Filipovski dabei zwangsläufig beibehalten, jeder Zentimeter kostet bekanntlich Geld.

Ein existenzielles Thema kommt in nicht allzu ferner Zukunft aber auch auf den Tisch: Die Mindestkapazität der Hallen beträgt ab 2032 laut BBL-Regularien 4.500 Plätze, wovon die aktuelle Spielstätte mit einer Kapazität für maximal 3.140 Zuschauer weit entfernt ist. Bisher ist ein in Würzburg schon oft diskutierter Hallenneubau aber gescheitert. Zuerst einmal geht es in diesem Sommer aber darum, wieder die passenden Spieler für die Bundesliga-Mannschaft zu finden. In den vergangenen Jahren ist Trainer Filipovski und Co. das ja ganz gut gelungen.

Amadeus Wolff