DFB-Vizepräsident Frymuth: “Die EM ist Fluch und Segen”

DFB-Vizepräsident Frymuth: “Die EM ist Fluch und Segen”

Der Amateurfußball lebt von den Ehrenamtlichen. Aus aktuellem Anlass hat der beim Deutschen Fußball-Bund für dieses Thema zuständige Vizepräsident Peter Frymuth aktuelle Probleme bei der Gewinnung neuer Ehrenamtlicher benannt und sieht der kommenden Europameisterschaft dabei nicht ausschließlich hoffnungsvoll entgegen.

Der DFB lädt am 27. April insgesamt 100 Ehrenamtliche zu einem Abend ins Deutsche Fußballmuseum in Dortmund ein, um sie im Rahmen des sogenannten “Club 100” für “herausragendes Engagement rund um ihre Fußballvereine” auszuzeichnen. Vorher hat der beim Verband für das Ehrenamt zuständige Vizepräsident Peter Frymuth mit dem kicker über dieses Thema, aber auch über andere aktuelle Herausforderungen gesprochen.

Herr Frymuth, Ende April werden in Dortmund 100 im Fußball tätige Menschen für ihr ehrenamtliches Engagement ausgezeichnet. Wie zufrieden ist der DFB grundsätzlich beim Thema Ehrenamt?

Aus Sicht der Vereine, deren Blick wir als Verband einnehmen sollten, komme ich zu dem Ergebnis: Eher nicht so zufrieden. Wir haben gerade in den Ballungszentren einen hohen Zulauf an Kindern und Jugendlichen, wo noch immer viele zusätzliche Ehrenamtliche gebraucht werden. Das ist das eine. Und auf der anderen Seite hören wir immer wieder, dass Ehrenamtliche manchmal enttäuscht sind, wie wenig ihre Arbeit wertgeschätzt wird.

Wie lässt sich das Ehrenamt aus Ihrer Sicht attraktiver gestalten?

Über unsere Ehrenamtsaktionen gestalten wir eine lebendige und flächendeckende Anerkennungskultur. Solche Veranstaltungen wie jetzt der “Club 100” in Dortmund sind aber eben auch nur Gesten. Das kann kein realer Äquivalent für das sein, was die Verantwortlichen in den Vereinen leisten. Es fehlen andere, auch sehr greifbare Arten der Anerkennung, wie es etwa die Erhöhung steuerlicher Freibeträge für Ehrenamtliche wäre. Wenn man ehrlich rechnet, spart die Arbeit dieser Menschen der öffentlichen Hand hohe Kosten. Denn das sagt ja der Begriff schon aus, sie arbeiten ehrenamtlich und werden deshalb nicht bezahlt und sind doch gleichzeitig eine große Hilfe für unser Land und die Gesellschaft.

Müsste die Politik mehr machen?

Ja, auf jeden Fall müsste die ein oder andere Initiative mehr kommen. Ich habe das Beispiel Freibeträge erhöhen genannt. Dazu kommt ein Schlagwort, das man derzeit überall hört: Entbürokratisierung. Es geht um die Frage, wie man die Vereinsarbeit für Ehrenamtliche in den Vereinen von der Bürokratie punktuell befreien oder zumindest entlasten kann?

Aber ist der finanzielle Aspekt wirklich der entscheidende Hebel, um das Ehrenamt attraktiver zu gestalten?

Zunächst können wir im Fußball mit Stolz feststellen, dass sich in unseren Vereinen sehr viele Ehrenamtliche bewegen, sehr engagiert sind und sehr viel Freude daran haben. Wir reden über 470.000 Menschen im Fußball-Ehrenamt. Zählt man auch die Helfer dazu, die also mal beim Sommerfest oder als Fahrdienst einspringen, sind es 1,7 Millionen. Diese Ehrenamtlichen müssen wir erhalten, und da sind manchmal auch Bürokratie und andere Erschwernisse ein Grund, warum Leute aufhören.

Es wäre fatal, wenn eine positiv verlaufende EM im Ergebnis dann dazu führen würde, dass sich die Wartelisten bei Vereinen verlängern.

Peter Frymuth

Wie viel Rückenwind kann die bevorstehende Europameisterschaft geben?

Die EM ist Fluch und Segen. Zuerst der Segen: Ich bin überzeugt, dass der aktuelle Zulauf an Kindern und Jugendlichen aber auch älterer Erwachsener – Stichwort Walking Football – durch die EM einen weiteren Schub erhalten könnte. Der Fluch dabei ist, dass wir auf vielen Sportanlagen heute schon Kapazitätsprobleme haben, dass wir heute schon bei Vereinen Wartelisten haben. Es wäre fatal, wenn eine positiv verlaufende EM im Ergebnis dann dazu führen würde, dass sich die Wartelisten bei Vereinen verlängern.

Ist es ein spezielles Ziel, dass sich im Fußball mehr Frauen ehrenamtlich engagieren?

Ich würde mir wünschen, dass da noch ein stärkerer Zufluss kommen würde, denn wir wollen den Frauen- und Mädchenfußball weiterentwickeln. Wichtig ist auch, dass wir beim Thema Integration stark sind. Es ist jeder Mensch willkommen, der mithilft.

Die muss man unterstützen und nicht kritisieren oder sogar niedermachen.

Peter Frymuth über Nachwuchsschiedsrichter

Erfolgsmeldungen gab es zuletzt beim Thema Schiedsrichter. Hier hat sich die Zahl der aktiven Schiedsrichter erstmals seit vielen Jahren erhöht. Wie nachhaltig ist diese Entwicklung?

Nach rund 15 Jahren Rückgang stieg die Zahl der Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter 2022/23 um mehr als sechs Prozent. Was in diesem Zusammenhang in den Landesverbänden geleistet wird, ist enorm. Aber wir kommen hier natürlich an den Punkt, an dem es ganz wichtig ist, nicht nur die Neuen dabei zu unterstützen, dass sie dabeibleiben, sondern insgesamt die Schiedsrichter zu behalten, denn es ergibt wenig Sinn, wenn wir in einem Landesverband meinetwegen an irgendeiner Stelle einen Neulingslehrgang mit 50 Teilnehmern haben, aber im Laufe des gleichen Kalenderjahres melden sich 51 Schiedsrichter ab. Auch deshalb ist das Thema Gewaltprävention sehr wichtig, bei dem wir gucken müssen, dass wir die Vorfälle auch im Zusammenhang mit Schiedsrichtern minimieren. Dabei meine ich nicht nur die Vorfälle, bei denen es tätlich wird, sondern auch die Verbalattacken gegen junge Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter, die gerade ihr drittes oder viertes Spiel pfeifen. Die muss man unterstützen und nicht kritisieren oder sogar niedermachen.

Das ist leicht gesagt, aber wenn der eigene Kreisligist am Wochenende einen Elfmeter nicht gepfiffen bekommt, werden bei manchem wieder die Emotionen durchgehen.

Das ist leider die Realität, aber trotzdem dürfen wir nicht aufhören, daran zu arbeiten. Ich gehöre zu denen, die sagen, wir müssen die Probleme vor allem am Rande der Spielfelder reduzieren. Es gehört zur Ehrlichkeit, dass die von Ihnen beschriebenen Emotionen immer mal wieder vorkommen. Wir können nur versuchen, die Vorfälle möglichst weit zu reduzieren. Mit unseren Aktivitäten sind wir auf dem richtigen Weg.

Die jetzige Variante wurde so beschlossen und ist tragfähig.

Peter Frymuth über die Aufstiegsregelung zur 3. Liga

Fast schon ein Dauer-Thema ist die Aufstiegsregelung zur 3. Liga. Immer wieder hört man Kritik von Fans und Vereinen. Plant der DFB diesbezüglich etwas zu ändern?

Nein, das ist nicht geplant. Die jetzige Variante wurde so beschlossen und ist tragfähig. Die Vertreter aus dem Norden, Nordosten und Bayern haben immer gesagt, dass sie ihre Spielklassenstruktur behalten wollen und haben dem jetzigen Prinzip, dass der direkte Aufstiegsplatz in diesen drei Staffeln jährlich rolliert, zugestimmt.

In der Regionalliga Nordost tummeln sich zahlreiche Traditionsvereine, während es in Bayern immer schwieriger zu werden scheint, aufstiegswillige Mannschaften zu finden.

Dass der Nordosten eine stark traditionell geprägte Liga stellt, ist unstreitig. Dass die Regionalliga Bayern aber Probleme hätte, potenzielle Aufsteiger zu benennen, diesen Eindruck habe ich nicht.

Im Moment können wir nicht erkennen, dass Vereine Formate anderer Art entwickelt haben wollen.

Peter Frymuth zum Stichwort “Baller League”

Zuletzt sind im Amateurfußball neue Wettbewerbsformate wie die “Baller League” kontrovers diskutiert worden. Wie steht der DFB zu solchen Formaten und muss Ihr Verband auch über solche neuen Wettbewerbsformen nachdenken?

Der DFB orientiert sich immer an den Bedürfnissen der Vereine, und im Moment können wir nicht erkennen, dass Vereine Formate anderer Art entwickelt haben wollen, beziehungsweise dass Vereine überhaupt Ressourcen haben, sich mit weiteren Themen zu befassen. Aufgabe des DFB ist nicht, von oben etwas überzustülpen, was die Vereine vielleicht gar nicht wollen. Viel wichtiger ist, die Vereine bei dringenderen Problemen zu unterstützen.

Zum Beispiel?

Wir haben in den Landesverbänden rund 80 Clubberater im Einsatz, die zu den Vereinen gehen. Diese Berater sind eine zusätzliche Schnittstelle zwischen Verein und Landesverband, die sich mit den Bedürfnissen der Vereine befassen und sie unterstützen.

Bei welchen Themen können diese Clubberater den Vereinen am dringendsten helfen?

Ein Thema ist beispielsweise, wie man sicher mit Finanzen umgeht. Aber auch, wie man Trainerinnen und Trainer gerade von Jugendmannschaften stufenweise qualifiziert. Wir können auch vernetzen und Hilfestellung geben, wenn es zum Beispiel Probleme mit dem Sportplatz gibt. Dann versuchen die Landesverbände ihre Vereine im Austausch mit der lokalen Politik zu unterstützen.

Um die Klammer zum Beginn dieses Gespräch zu schließen: Der “Club 100” am 27. April könnte für Sie auch eine passende Gelegenheit sein, mit der Basis ins Gespräch zu kommen.

Gerade beim “Club 100” hören wir sehr stark in die Basis hinein. Ich freue mich auf die Begegnungen und Gespräche im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund.

Stefan Wölfel