Jagdsaison in der DTM: Weniger Fahrer, mehr Hersteller, beinharte Konkurrenz

An diesem Wochenende startet die DTM in Oschersleben in ihre 40. Saison. Auf Champion Preining wartet eine schwierige Mission Titelverteidigung – auch wenn sich im Vergleich zur Vorsaison einiges verändert hat.

Die Verfolger im Nacken: Titelverteidiger Thomas Preining (vorne, neongrüner Porsche) ist der Gejagte.

Die Verfolger im Nacken: Titelverteidiger Thomas Preining (vorne, neongrüner Porsche) ist der Gejagte.

IMAGO/HochZwei

Von zu viel Realismus lässt man besser die Finger. In langen Schlangen stehen Interessierte an, wenn rund um die Rennen der DTM Profi-Simulatoren zur Probefahrt locken. Zwei Modelle stehen zur Auswahl: Das günstigere zu 5000 Euro, die bessere Variante, bei dem sich Cockpit und Sitz fast so bewegen wie im Rennwagen, kostet ab 20.000 Euro aufwärts. Aber Vorsicht: Erwischt man die Curbs am Streckenrand zu rabiat, schlägt das Lenkrad ebenso hart zurück. In Zandvoort brach sich im vergangenen Jahr ein Junge beim Simracing das Handgelenk.

Die Nähe zu den Fans hat eben auch ihre Tücken, dabei ist es ein Prädikat, mit dem sich die DTM seit jeher schmückt. Während die Formel 1 ihren sündhaft teuren Schickimicki-Paddock-Club als Laufsteg für Promis nutzt, sind beispielsweise am Norisring oder wie nun am Wochenende zum Saisonstart in Oschersleben auch die Zuschauer der Stehtribünen im Fahrerlager willkommen. Das hat etwas von deutscher Nascar und wurde natürlich auch unter der Regie des ADAC nicht geändert.

Acht Autos weniger, dafür höchst unterschiedliche Sounds

Der Automobilclub, traditionell im Motorsport engagiert, ist seit der vergangenen Saison Ausrichter der DTM. Auch im zweiten Jahr will man keine Experimente eingehen. Das Wochenendformat mit einem 20-minütigen Qualifying am Morgen und einem Rennen (60 Minuten plus eine Runde) am Samstag und am Sonntag sowie das Boxenstopp-Fenster von Minute 20 bis 40 bleiben unverändert. Das Feld allerdings ist auch aus finanziellen Gründen massiv geschrumpft. Waren im Vorjahr noch 28 Autos am Start, sind es nun acht weniger, aber gleich sieben verschiedene Hersteller. Seit die reinen Werkseinsätze Geschichte sind und private Teams ihre GT3-Renner auf die Strecke schicken, gibt es eine früher kaum gekannte Markenvielfalt mit höchst unterschiedlichen Sounds: Während der AMG-Mercedes kraftvoll dunkel röhrt, kreischen Lamborghini und Ferrari um die Strecken.

Ich glaube nicht, dass man zulassen wird, dass wir das noch mal holen.

Olaf Manthey

Im Vorjahr holte sich Thomas Preining im Porsche die Meisterschaft vor Mirko Bortolotti im Lamborghini. Der Linzer feierte gleich doppelte Premiere: Preining war der erste DTM-Champion aus Österreich, und Porsche konnte mit dem ersten Titel just zum 75. Geburtstag der Marke eine Lücke in der Firmengeschichte schließen. Der 25-jährige Preining, Sohn eines früheren Motorradrennfahrers, geht als einer der Favoriten in diese Saison, auch wenn sein Teamgründer Olaf Manthey nach den Tests dem Portal Motorsport-Total sagte: “Ich glaube nicht, dass man zulassen wird, dass wir das noch mal holen.”

Ausgeglichenheit dank BoP?

Manthey ist kein Verschwörungstheoretiker, sondern weiß um die Schwierigkeiten bei der Balance of Performance (BoP). Mit Zusatzgewichten oder reglementierter Motorleistung wollen die Veranstalter die unterschiedlichen Hersteller stets auf ein ähnliches Leistungsniveau bringen. “Eine gute sportliche Show, bei der alle mitspielen können”, will schließlich auch Manthey sehen. “Es muss ja immer gut durchmischt sein.” Für hitzige Diskussionen aber sorgt die BoP schon seit Jahren.

Wer Preinings gefährlichste Jäger werden, ist daher wieder kaum vorhersehbar. In den 16 Wertungsläufen der DTM 2023 gab es zwölf verschiedene Sieger. Ähnlich könnte es in diesem Jahr werden. Schubert-BMW beispielsweise schickt mit René Rast, Marco Wittmann und dem Südafrikaner Sheldon van der Linde drei ehemalige DTM-Champions an den Start. Mit Dörr (McLaren) und Paul Motorsport (Lamborghini) sind indes zwei Mannschaften ganz neu dabei, die als Familienbetrieb durchgehen, inklusive eigenem Nachwuchs am Steuer.

Gut 550 PS haben die Rennwagen, sie fahren erneut mit Treibstoff, der zur Hälfte aus erneuerbaren Komponenten besteht. Nachhaltigkeit ist natürlich ein gern verbreitetes Thema beim ADAC, der inzwischen auch Fahrräder repariert. An zwei Wochenenden wird es Rennen des vollelektrischen NXT Gen Cup zu sehen geben. Die einstige Vision einer DTM Electric gilt aber als gescheitert.

Auch ein prominenter Name aus dem Fahrerfeld ist nur noch im Rahmenprogramm der DTM zu sehen. David Schumacher musste die Serie nach zwei Jahren mit den Plätzen 28 und 25 wieder verlassen. Er tritt jetzt im ADAC GT Masters an, weil Mercedes-AMG in der DTM nur noch auf sogenannte Performance-Fahrer setzt. “Und diesen Status habe ich noch nicht”, sagt der 22-jährige Sohn des früheren Formel-1-Piloten Ralf Schumacher. Die Ambitionen aber bleiben auch als Junior-Fahrer eine Klasse tiefer hoch: “Das Ziel ist die Meisterschaft”, sagt David Schumacher. Seine Saison startet ebenfalls in Oschersleben. Die Rennen der DTM wird Schumacher trotzdem begleiten: als TV-Experte bei ProSieben.

Das Fahrerfeld 2024

Team / Hersteller Fahrer
Abt Sportsline / Audi Kelvin van der Linde
Abt Sportsline / Audi Ricardo Feller
Schubert Motorsport / BMW Marco Witmann
Schubert Motorsport / BMW Sheldon van der Linde
Schubert Motorsport / BMW René Rast
Emil Frey Racing / Ferrari Jack Aitken
Emil Frey Racing / Ferrari Thierry Vermeulen
Grasser Racing / Lamborghini Luca Engstler
Grasser Racing / Lamborghini Christian Engelhart
Paul Motorsport / Lamborghini Maximilian Paul
SSR Performance / Lamborghini Mirko Bortolotti
SSR Performance / Lamborghini Nicki Thiim
Dörr Motorsport / McLaren Ben Dörr
Dörr Motorsport / McLaren Clemens Schmid (Einsatz nach Blinddarm-OP noch offen)
Team HRT / Mercedes Luca Stolz
Team HRT / Mercedes Arjun Maini
Team Winward / Mercedes Lucas Auer
Team Winward / Mercedes Maro Engel
Manthey-EMA / Porsche Ayhancan Güven
Manthey-EMA / Porsche Thomas Preining

Dieser Artikel erschien erstmals in der Montagsausgabe des kicker am 22. April.

Martin Gruener