Diese Fahrassistenzsysteme sind ab Juli 2024 Pflicht

Diese Fahrassistenzsysteme sind ab Juli 2024 Pflicht

Die EU will die Unfallzahlen auf Europas Straßen weiter senken. Deshalb schreibt sie für Neuwagen ab dem 7. Juli 2024 eine Reihe neuer Assistenzsysteme vor. Wir sagen, welche das sind – und was sie können.

Fahrhelfer: Der Notfall-Spurhalteassistent kann das Auto zurücklenken, wenn unbeabsichtigtes Verlassen der Fahrspur droht.

Fahrhelfer: Der Notfall-Spurhalteassistent kann das Auto zurücklenken, wenn unbeabsichtigtes Verlassen der Fahrspur droht.

Volkswagen

Insgesamt 2830 Verkehrstote sind im vergangenen Jahr 2023 deutschlandweit zu beklagen gewesen. Das ist eine traurige Zahl. Jeder ums Leben gekommene Mensch ist einer zu viel. Und doch: Gemessen daran, wie sich die Situation noch vor gut fünfzig Jahren dargestellt hat, darf von einer sehr positiven Entwicklung gesprochen werden. Der furchtbare Rekord des Jahres 1970 belief sich noch auf 21.332 Verkehrsopfer- wohlgemerkt bei einem Fahrzeugbestand, der nur etwa ein Drittel des heutigen betragen hat.

Es war (zumindest in Westdeutschland) die Zeit mit einer Promillegrenze von 1,5, aber ohne Anschnall- und Kindersitzpflicht, ohne Landstraßen-Tempolimit von 100 km/h, ohne Airbags und ohne Handy, mit dem man schnell die Rettungskräfte herbeitelefonieren konnte. Aber auch Assistenzsysteme haben den Rückgang bei den Straßenverkehrsopfern herbeigeführt – das Antiblockiersystem ABS beispielsweise, das Elektronische Stabilitätsprogramm ESP oder die Reifendrucküberwachung.

Die Zahl der vorgeschriebenen Fahrassistenten wird sich ab Juli 2024 um ein weiteres erhöhen, denn die EU hat sich zum Ziel gesetzt, auf Europas Straßen bis zum Jahr 2038 rund 25.000 Menschenleben zu retten und mindestens 140.000 schwere Verletzungen zu vermeiden. Auto- und Motorradfahrer hat man dabei ebenso im Blick wie Fußgänger und Radler. Den Assistenzsystemen im Auto kommt deshalb eine wichtige Rolle zu, weil laut einer EU-Statistik bei bis zu 95 Prozent aller Verkehrsunfälle menschliches Versagen die Ursache ist.

Konkret verpflichtend wird die erweiterte Zahl elektronischer Helfer ab dem 7. Juli 2024 und da für Neuwagen. Neue Fahrzeugtypen, die eine Homologation erlangen wollen, benötigen die Assistenten bereits seit dem 6. Juli 2022. “Bereits zugelassene Fahrzeuge sind von der Regelung nicht betroffen”, stellt die Gesellschaft für Technische Überwachung (GTÜ) aber klar, eine Um- oder Aufrüstung – die technisch oft auch gar nicht zu bewerkstelligen wäre – wird also nicht verlangt.

Das sind die neu vorgeschriebenen Assistenzsysteme – und ihre Aufgaben:

Alkolock

Die “alkoholempfindliche Wegfahrsperre” sieht vor, dass der Fahrer vor Fahrtantritt seine Atemalkoholkonzentration misst, indem er in ein dafür vorgesehenes Röhrchen pustet. Liegt der Wert zu hoch, blockiert eine Steuereinheit den Anlasser. In dieser Gänze wird das Alkolock-System vorerst allerdings nicht zur Pflicht. Zunächst schreibt die EU nur die Einrichtung einer Schnittstelle vor, an die später das entsprechende Kontrollgerät angeschlossen werden kann.

Black-Box

Die Black-Box oder Event Data Recorder (EDR) ist ein Datenrekorder, der permanent beispielsweise Geschwindigkeit, Bremsungen, die Neigung und die Position des Autos auf der Straße, den Anschnallstatus der Passagiere, gegebenenfalls aber auch Airbag-Auflösungen erfasst und aufzeichnet. Aus datenschutzrechtlichen Gründen werden die Daten anonymisiert sowie lediglich über eine sehr kurze Sequenz hinweg erhoben und immer wieder überschrieben. Eine Speicherung erfolgt nur dann, wenn es zu einem Unfall kommt. Gerichten und Sachverständigen, die den Unfallhergang rekonstruieren müssen, soll so die Arbeit erleichtert werden.

Intelligenter Geschwindigkeitsassistent

Der “Intelligent Speed Assistent” (ISA) warnt optisch und akustisch, wenn die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten wird und kann das Fahrzeug automatisch einbremsen. Dem Fahrer ist es aber möglich, das System durch Gasgeben zu überstimmen. Zudem lässt sich der ISA auch abschalten. Allerdings muss das bei Fahrtantritt jedesmal aufs Neue erfolgen. Bei seiner Arbeit macht sich das System die vorhandenen GPS-Daten und/oder die kamerabasierte Verkehrszeichenerkennung zunutze.

Müdigkeitserkennung

Müdigkeits- oder Aufmerksamkeitswarner überwachen die Konzentration des Fahrers. Die einfacheren, indirekten Systeme analysieren Parameter wie das Lenkverhalten, das Tempo oder die Fahrzeit und setzen sie in Relation zueinander. Aufwendigere Driving-Monitoring-Systeme nutzen zusätzlich eine Innenraumkamera und erfassen so, ob die Blickrichtung abschweift, die Blinzel-Frequenz der Lider steigt oder die Augen gar gefährlich lange geschlossen bleiben. Wird ein Risiko detektiert, erfolgt die Empfehlung, eine Pause einzulegen.

Notbremsassistent

Er erkennt Kollisionsgefahren, warnt, unterstützt aber auch beim Bremsen und kann gegebenenfalls – im Rahmen des physikalisch Möglichen – eine Vollbremsung initiieren. Dem Notbremsassistenten arbeiten vernetzte Umfeldsensoren (Radar, Laser) und Kameras zu.

Notbremslicht

Das Notbremslicht oder adaptives Bremslicht wird bei einem abrupten Bremsmanöver aktiv. Bei einer Vollbremsung ab 50 km/h müssen alle Rückleuchten aufleuchten und die Bremslichter pulsieren, um den nachfolgenden Verkehr zu warnen. Sobald das Fahrzeug steht, schaltet sich die Warnblinkanlage zu und das Bremslicht leuchtet dauerhaft. Ausgelöst wird das System durch Verzögerungssensoren beziehungsweise durch das ABS.

Notfall-Spurhalteassistent

Der Spurhalteassistent beziehungsweise die Spurverlassenswarnung unterstützt den Fahrer dabei, mit dem Auto innerhalb der richtigen Spur zu bleiben. Gerät man ungewollt (also ohne Setzen des Blinkers) auf oder über die Fahrbahnmarkierung, erfolgt eine Warnung, beispielsweise über leichte Vibrationen im Lenkrad. Der Notfall-Spurhalteassistent tut noch mehr. Er kann auch aktiv eingreifen und das Auto zurück in die Spur lenken.

Rückfahrassistent

Er soll vor allem ungeschützte Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger oder Radfahrer absichern, die sich während eines Rückwärtsfahrmanövers hinter dem Fahrzeug befinden. Auch andere Hindernisse werden mithilfe von Radarsystemen, Kameras oder Ultraschallsensoren erkannt. Besteht eine Kollisionsgefahr, erfolgt eine Warnmeldung.

Eigenverantwortung bleibt

Man halte die “elektronischen Helfer grundsätzlich für sinnvoll”, heißt es bei der GTÜ. Anders als der Mensch am Steuer können die wachsamen Beifahrer nicht müde werden, zudem besitzen sie wesentlich geschärftere Sinne. Auf die Unfehlbarkeit darf man sich aber nicht verlassen, auch – so die GTÜ – “weil witterungsbedingte Einflüsse wie Nebel, Schnee oder starker Regen manches System an seine Grenzen bringen können”. Wichtig ist es deshalb, sich stets zu vergegenwärtigen, dass es letztlich der Fahrer beziehungsweise die Fahrerin selbst ist, bei dem/der die Verantwortung für das Führen des Kraftfahrzeugs liegt.

Ulla Ellmer