“Für immer mein Verein”: Schalke läuft im Sondertrikot auf

Angelehnt an den königsblauen Fangesang “Für immer mein Verein” ist ein Trikot – von jungen Vereinsmitgliedern gestaltet – entstanden, das am Samstag gegen Paderborn getragen wird.

Der FC Schalke 04 zeigt sein Sondertrikot.

Der FC Schalke 04 zeigt sein Sondertrikot.

Schalke 04

Wenn der FC Schalke 04 am Samstag den SC Paderborn 07 empfängt (13 Uhr, LIVE! bei kicker), werden die Königsblauen in einem Sondertrikot auflaufen. Gestaltet wurde es von neun Mitgliedern im Alter von 18 bis 25 Jahren, wie die Knappen am Mittwoch mitteilten. 

“Eine Hommage an die Geschichte des Klubs”

“Das Sondertrikot ist ein Resultat der Ideen, Wünsche und Vorstellungen unserer jungen Mitglieder. Das Shirt ist eine Hommage an die Geschichte des Klubs, der Slogan auf der Brust ein Gruß in die Gegenwart – wir hören das Lied schließlich Woche für Woche von unseren großartigen Fans”, wird Matthias Tillmann, Vorstandsvorsitzender des FC Schalke 04, auf der Vereinswebsite zitiert.

Das Trikot ist dunkelblau mit weißen Elementen und verbindet unterschiedliche Epochen des S04-Kosmos: Auf der Vorderseite zeigt das Trikot das Wappen der Knappen von 1924, pünktlich zum 100-jährigen Wappen-Jubiläum. Die zentrierte Logodarstellung unterstreicht den Retro-Charakter. Die Verbindung zwischen Vergangenheit und Moderne spiegelt sich zusätzlich in einem Hologramm des Retro-Wappens und des aktuellen S04-Logos wider. Der Fangesang “Für immer mein Verein” steht im Zentrum des Designs.

Das Liedgut findet sich auch im Nacken des Trikots wieder: “Egal ob jung, ob alt, egal ob groß, ob klein.” Die Flutlichtmast-Prägung auf der Vorderseite ist eine besondere Erinnerung an das Parkstadion und der geschwungene Schalke-Rückenflock vervollständigt das Sondertrikot.

“Rückblickend bleiben viele einmalige Erinnerungen, für die ich sehr dankbar bin, wie beispielsweise Stadionbesuche, neue Freundschaften, aber vor allem ein mit Leidenschaft und Liebe zum Detail gestaltetes Trikot, von Fans für Fans”, so die 19-jährige Lina, Schalke-Mitglied und Teil des Designteams.

Vom Erlös des Sondertrikots (99,95 Euro Erwachsene) und 69,95 Euro (Kinder) spendet der FC Schalke 04 50.000 Euro an Schalke hilft! Im Anschluss an die Partie gegen den SC Paderborn 07 werden die Matchworn-Trikots der Knappen über die Plattform United Charity versteigert. Die Summe aus der Auktion der Shirts geht zusätzlich an die vereinseigene Stiftung. Der Spendenempfänger wurde von den jungen Mitgliedern selbst ausgewählt. Auch aus diesem Grund ist die vereinseigene Stiftung der Knappen, die sich in besonderem Maße für die Menschen aus Gelsenkirchen und der Region einsetzt, als Ärmelflock auf dem Jersey zu finden, wie der Klub mitteilte.

Toni Schumacher im Interview: “Man kann nie zwei Wege gleichzeitig gehen”

Geschont hat sich Toni Schumacher während seiner Karriere nie. Und verstellt erst recht nicht. Ein Gespräch zum Geburtstag über Schmerzen, positive Verrücktheit, Ehrlichkeit und Rückgrat.

Wir treffen uns nach einer Pressekonferenz, auf der Toni Schumacher in seiner Eigenschaft als Botschafter der Host-City Köln anlässlich der EM 2024 Rede und Antwort stand. Danach bleibt Zeit, über seinen runden Geburtstag am kommenden Mittwoch zu sprechen.

Toni Schumacher wird 70. Was macht diese Zahl mit Ihnen?

Nächste Frage. (lacht)

Wie alt waren 70-Jährige für den jungen Toni Schumacher?

Das waren damals alte Menschen für mich. Aber diese Sicht auf ältere Menschen hat sich geändert, Gott sei Dank. 70 ist nur eine Zahl, auch wenn sie sich nicht gut anhört.

Weil?

Weil ich mich ohne Schmerzen im Knie fühle wie 48. Ich korrigiere mich: Wie 44. Dann könnte ich noch einmal Fußball spielen.

Sie fühlen sich jünger, als Sie sind?

Viel jünger.

Vor zwei Wochen starb Andreas Brehme. Welche Gedanken gingen Ihnen nach dieser Meldung durch den Kopf?

Das war eine Schock-Nachricht. Mensch, der Andi war ja noch fast zehn Jahre jünger als ich. Er war ein fantastischer Kumpel und ein sensationeller Fußballer. Das tut mir leid, es hat mich sehr getroffen.

Gartenarbeit ist für mich wie Meditation.

Toni Schumacher

Sie selbst haben es sich im vergangenen Jahr nicht nehmen lassen, in Eigenregie Ihren großen Garten komplett umzubuddeln.

Ja, weil ich gerne kreativ bin und anpacke. Es war sehr anstrengend, aber eben auch eine gute Erfahrung, was möglich ist und was nicht.

Was ist denn noch möglich?

Jeder weiß, dass ich mich während meiner aktiven Zeit nie geschont habe. Das spüre ich heute noch an meinen Knochen und Gelenken. Aber diese Schmerzen sind Alltag, ich weiß, woher sie kommen. Und wenn ich über die gute, alte Zeit spreche, dann werden die Schmerzen nach und nach erträglicher. Das ist positiv, wenn man das so in den Griff bekommt. Schlimmer ist es, wenn man sich mit Corona infiziert und das voll auf die Gelenke schlägt. Das passierte mir im Januar. Ich musste mehrfach am Knie punktiert werden, meine Hüfte schmerzte. Das ist dann nicht so einfach wegzustecken. Zum Glück fühle ich mich jetzt wieder topfit.

Noch mal zurück zu Ihrem Garten. Kam bei diesem Projekt die angeborene leichte “positive Verrücktheit”, die Ihnen zeit Ihrer Karriere eigen war, noch einmal zum Vorschein?

Ich habe sehr viel investiert, von morgens acht bis abends acht Berge von Schutt und Dreck und Steinen getragen. Aber das liegt in meiner Natur, das habe ich von meinem Vater. Er hat ein Leben lang auf dem Bau gearbeitet. Ich versuche genauso wie er, zunächst alles selbst zu machen. Und wenn es nicht funktioniert, dann rufe ich einen Freund an, der mir sicher helfen kann. Da bin ich mir auch nicht zu schade. Falscher Ehrgeiz schadet nur. Am Ende standen das fertige Projekt und der Spaß, den die Sache gemacht hat.

Die wenigsten Toni-Schumacher-Fans wissen, dass Gartenarbeit ganz oben auf Ihrer Aktivitäten-Liste steht …

Das ist für mich wie Meditation. Da habe ich Ruhe, Konzentration, ich schaue auf den Rhein, der direkt bei uns vorbeifließt, die Eichhörnchen, die durch die Gärten flitzen.

Das klingt überraschend idyllisch. Was hat der 70-Jährige sonst noch vor? Was ist mit der Weltreise, von der viele Ältere träumen?

Unsere Reisen gehen meist dahin, wo unsere Kinder leben. Oliver in den USA, Vanessa auf Fuerteventura, Perla studiert in Schottland, geht demnächst für ein Semester nach Kanada. Zum Geburtstag kommen alle zu uns, da habe ich die komplette Familie zusammen.

Lassen Sie uns über Fußball sprechen. Sie sind Botschafter der Host-City Köln für die EM 2024.

Das ist eine große Ehre für mich. Als Spieler hatte ich nie das Glück, ein Turnier in Deutschland zu spielen. Ich bin sehr stolz, meine Heimatstadt zu repräsentieren, und nehme diese Aufgabe sehr ernst. Ich bin sicher, diese EM wird ein großer Erfolg, auch abseits des Rasens, und wir Kölner wollen da ganz vorne sein. Wir heißen die Gäste mit offenem Herzen und offenen Armen willkommen.

Was ist übrig von dem Fußball, den Sie mitgeprägt haben?

Wenn ich vergleiche, dann komme ich zu dem Ergebnis, dass wir nicht so ferngesteuert waren. Heute wird häufig nur noch via Instagram kommuniziert oder bei Presseterminen, bei denen meist vorher feststeht, was hinterher geschrieben wird. Das ist nicht meine Mentalität, und es ist nicht authentisch.

Lieber einen Knick in der Karriere als einen Knick im Rückgrat.

Schumacher über seine ehrliche Art, die nicht bei jedem gut ankam

Sie waren bekannt dafür, Ihre Meinung auch lautstark zu vertreten …

Wofür ich einen hohen Preis gezahlt habe. Wenn ich an mein erstes Buch denke, nach dessen Veröffentlichung sie mich aus der Nationalmannschaft und beim 1. FC Köln rausgeschmissen haben. Und das an meinem Geburtstag, sehr feinfühlig. Aber ich war nie und bin bis heute kein Mensch, der negativ denkt. Von meiner Mutter habe ich eine Menge gelernt, vor allen Dingen aber Fleiß und Ehrlichkeit. Mit diesem Buch war ich ehrlich. Eine Menge Dinge, die ich angeprangert und vorgeschlagen habe, sind eingetroffen.

An welche denken Sie?

Am deutlichsten sicherlich die Einführung der Doping-Kontrollen, auch wenn der DFB immer betonte, dies habe nichts mit mir zu tun. Aber auch die Umwandlung der Klubs in Kapitalgesellschaften, die Einführung des Vierten Offiziellen, mehr Frauen und Kinder in moderneren Stadien, großflächige Videobildschirme – dies waren nur ein paar Themen, die ich angeschnitten habe und die später umgesetzt wurden. Der Spiegel ernannte mich zum 25. Jahrestag der Veröffentlichung zum “Nostradamus des deutschen Fußballs”.

Hegen Sie noch Groll gegen die, die Sie damals verbannten?

Nein, ich bin den Verantwortlichen sogar dankbar. Mir wurde die rosa-rot-weiße FC-Brille vom Gesicht gerissen und damit eine Zukunft beschert, von der ich niemals geträumt hätte. Die Erfahrung mit dem Abstieg auf Schalke, die Erfolge in der Türkei, beim FC Bayern, bei Borussia Dortmund und Bayer Leverkusen, das waren fantastische Jahre mit Erlebnissen, die ich ohne diesen Rausschmiss niemals gehabt hätte. Rudi Völler schimpft heute noch mit mir, weil er davon überzeugt ist, dass ich 1990 bei der WM gespielt hätte und Weltmeister geworden wäre. Aber dafür gibt es keine Garantie, ich hätte mich verletzen können, dann hätte ich nicht gespielt. Nein, man kann nie zwei Wege zur gleichen Zeit parallel gehen. Du musst dich immer für einen Weg entscheiden. Und ich habe mich für diesen Weg entschieden. Lieber einen Knick in der Karriere als einen Knick im Rückgrat.

Am Ende war der “Anpfiff” auch die erfolgreichste Sportler-Autobiografie, die Ihnen ein Vielfaches dessen aufs Konto spülte, was Sie beim FC zuletzt verdient hatten.

Das war nie meine Intention. Aber schwer war das ja auch nicht. Beim FC habe ich am Anfang 1200 Mark brutto verdient (im Monat, d. Red), mein letzter Vertrag belief sich auf 220.000 Mark pro Jahr. Ich war absoluter Führungsspieler und sagte dem Präsidenten Peter Weiand bei den Verhandlungen damals: Das kann gerne die Gehaltsobergrenze sein, dann darf aber auch kein anderer Spieler mehr verdienen! Das sagte er mir zu, und kurze Zeit später erhöhte er Dieter Müllers Gehalt auf 250.000 Mark. Ich habe die Faust in der Tasche geballt und weitergemacht. Vertrag war Vertrag, und ich habe niemals einen gebrochen.

Sie haben vier große Turniere gespielt für den DFB, standen dabei dreimal im Finale. Gibt es ein Spiel, das alles überstrahlt?

Das größte und wichtigste Spiel war 1982 das Halbfinale gegen Frankreich. Diese Partie hat alles in den Schatten gestellt. Sowohl was das fußballerische Niveau angeht als auch die Dramatik und die Emotionen. Mein Zusammenprall mit Patrick Battiston, der 1:3-Rückstand, die Aufholjagd, dann das Elfmeterschießen, in dem ausgerechnet ich, der absolute Bad Boy, zweimal richtig reagiere. Das war für alle Beteiligten ein nie da gewesener Ritt auf der Achterbahn der Gefühle. Ich weiß nicht, wie viele Mannschaften geschafft hätten, was diese beiden Teams an diesem Abend in Sevilla geschafft haben. Es war ein Jahrhundertspiel.

Hannes Löhr, Toni Schumacher

Schumacher (re.) mit Hannes Löhr nach dem Double mit dem 1. FC Köln in der Saison 1977/78.
imago images/Pfeil

Kommen wir zu einem schwierigen Thema. Wie ist Ihr Verhältnis zum 1. FC Köln heute?

Ich genieße es, einfach Fan zu sein. Man muss immer differenzieren zwischen dem Verein und den jeweils handelnden Personen. Mit dem FC ist es wie mit einer Liebesbeziehung. Es gibt Höhen und Tiefen, doch am Ende bleibt die Liebe.

Sie sind mit 541 Pflichtspielen wohl auf ewig Rekordspieler der Geißböcke. In die virtuelle Hall of Fame des Klubs wurden Sie bislang nicht aufgenommen. Irritiert Sie das?

Diese Frage würde ich Ihnen gerne stellen.

Aber ich stelle hier doch die Fragen … Wurden Sie denn, wie vom amtierenden Präsidium angekündigt, in Gespräche eingebunden?

Nein.

Steigt der FC ab?

Es sieht dramatisch aus. Der Rückstand auf Platz 15 ist groß. Es geht in Sachen Relegationsplatz nur noch um Mainz und den FC.

In einem möglichen Relegationsduell könnte der FC auf den Hamburger SV mit Steffen Baumgart treffen. Sie halten dies für eine schwierige Konstellation. Warum?

Weil dann noch mehr Dampf auf dem Kessel ist als ohnehin.

Wo sehen Sie denn die größten Probleme?

Wie viele Tore haben wir geschossen? 16 bis vor dem Leverkusen-Spiel. Davon mehr als die Hälfte nach ruhenden Bällen. Wir kommen nicht oft vor das Tor. Das macht es schwer, ein Spiel zu gewinnen. Von der wöchentlich zunehmenden nervlichen Belastung ganz zu schweigen. Ich drücke die Daumen, dass es am Ende gut geht. Aber: Durch die Transfersperre wird es kommende Saison sicher nicht einfacher.

Zum Abschluss die Frage, die auf keinen Fall fehlen darf: Würden Sie im Rückblick etwas anders machen? Oder sind Sie da angekommen, wo Sie hinwollten?

Ich bin dem Fußball dankbar für alles, was ich erreicht habe. Es war eine super Zeit.

Interview: Frank Lußem

Schalke: Voller Platz, volle Auswahl für Geraerts

Trainer Karel Geraerts von Schalke 04 hat aktuell die volle Auswahl für seine Mannschaft – alle Spieler sind einsatzbereit.

Karel Geraerts beim Training seiner Schalker.

Karel Geraerts beim Training seiner Schalker.

IMAGO/RHR-Foto

Den ohnehin schon vollen Platz verkleinerte Karel Geraerts am Dienstag ganz bewusst noch ein bisschen. Fast über die ganze Trainingseinheit am Vormittag ließ der belgische Trainer sein Team auf zwei große Tore spielen, die nur rund 20 Meter auseinander standen, viele Abschlüsse, Zweikämpfe und ein hohes Tempo waren so garantiert – und sogar die Keeper Marius Müller, Ralf Fährmann und Michael Langer kamen immer mal wieder zum – zumindest manchmal erfolgreichen – Abschluss.

Die Stimmung war nach dem durchschlagenden Erfolg gegen den FC St. Pauli verständlicherweise gut, im Vergleich zu den Problemen der Vorwochen hat Schalke mal wieder eine gefühlte 180-Grad-Wende hingelegt. Ein Grund auch für Geraerts, gute Laune zu haben, war aber nicht nur die vergangenen Partie, in der sein hohes Risiko bei der Aufstellung auf ganzer Linie belohnt wurde, sondern auch der Blick ins sprichwörtliche Lazarett.

Drei Spieler fehlen im Training – aber nicht am Samstag

Das nämlich ist im Grunde komplett geleert, aktuell stehen dem Coach alle Spieler seines Kaders zur Verfügung. Zwar fehlten am Dienstag Simon Terodde, Thomas Ouwejan und Dominick Drexler auf dem Rasen, alle dürften aber Optionen für die kommende Partie gegen den SC Paderborn am Samstag (13 Uhr, LIVE! bei kicker) sein. Der Stürmer und der Linksaußen trainierten individuell, der sportlich aktuell ohnehin wenig gefragte Drexler musste wegen einer Erkrankung passen.

Dafür stand ein U-23-Akteur zum ersten Mal bei Profis auf dem Platz: Der belgische Mittelfeldspieler Marouane Balouk ist zwar kein absoluter Leistungsträger der Regionalliga-Mannschaft (12 Spiele, 1 Tor), steht aber voll im Saft.  “Wir brauchten einen Spieler, der ein intensives Training mitgehen kann”, erklärte Lizenzspielerleiter Gerald Asamoah: “Er hat zuletzt nicht so viel gespielt und wurde häufig nur eingewechselt, deshalb ist er bei uns dabei.”

Patrick Kleinmann

Schluss mit Feierstimmung: Müller fordert “vollen Fokus auf Paderborn”

Nach dem 3:1 gegen Primus St. Pauli müssen die Schalker nun den “vollen Fokus auf Paderborn” legen, wie Marius Müller fordert. Der Torwart weiß: Die Königsblauen brauchen jetzt Konstanz, sie befinden sich weiterhin in bedrohlicher Lage.

Am Wochenende durfte kurz gefeiert werden, nun heißt es bei Marius Müller und Schalke 04 wieder: volle Konzentration auf die Mission Klassenerhalt.

Am Wochenende durfte kurz gefeiert werden, nun heißt es bei Marius Müller und Schalke 04 wieder: volle Konzentration auf die Mission Klassenerhalt.

IMAGO/Team 2

Schalke 04 hat die bislang beste Saisonleistung mal so richtig ausgekostet. Die Königsblauen waren in prächtiger Wochenend-Stimmung nach ihrem 3:1-Coup gegen Tabellenführer FC St. Pauli, als zum Auftakt des 24. Spieltags am Freitagabend fast alles auf Seiten des Abstiegskandidaten perfekt funktioniert hat. Die Partie brachte gleich mehrere Schlüsselfiguren hervor, vier Schalker haben es in die kicker-Zweitligaelf des Tages geschafft, drei davon sind Abwehrspieler (Brandon Soppy, Tomas Kalas und Ron Schallenberg, hinzu kommt Doppelpacker Yusuf Kabadayi).

Doch nun müssen sich die Gelsenkirchener wieder ihrer Situation besinnen: Die Lage im Abstiegskampf bleibt auch nach den Bonuspunkten gegen den Primus bedrohlich. Sie konnten “den Moment kurz genießen”, sagt Torwart Marius Müller, um zu mahnen: “Ab Montag zählt nur noch Paderborn, da fragt keiner mehr nach dem Spiel gegen St. Pauli.” Er ist sich der nach wie vor angespannten Situation bewusst: “Wir müssen demütig bleiben”, fordert der 30-Jährige.

Schalke 04 muss nun endlich einmal Konstanz an den Tag legen – als Basis zunächst einmal, was die grundsätzliche Leistung betrifft. Gegen St. Pauli hat man gesehen, wozu diese Mannschaft tatsächlich im Stande ist, wenn sie als Einheit auftritt, die Pläne von Trainer Karel Geraerts konzentriert umsetzt und sich auch von Rückschlägen wie dem 1:2-Anschlusstreffer kurz vor Beginn der siebenminütigen Nachspielzeit nicht aus dem Konzept bringen lässt.

XXL-Krisensitzung hat offensichtlich positive Auswirkungen

Konstanz benötigt der Absteiger aber auch mit Blick auf seine Rückrunden-Ergebnisse. Schon nach dem 1:0-Sieg gegen Eintracht Braunschweig Anfang Februar wollten die Schalker eine Serie starten, die Ernüchterung folgte bereits eine Woche später beim 0:1 in Kiel. Einen erneuten Anlauf unternahm der Klub zu Hause beim 1:0 durch das Elfmetertor von Kenan Karaman gegen den SV Wehen Wiesbaden, es folgte die schlimmste Halbzeit der Saison, als Schalke nach einer in allen Belangen indiskutablen Vorstellung 0:3 in Magdeburg unterging.

Schalke 04: Die nächsten Gegner

Unabhängig von der Darbietung gegen St. Pauli macht nun Mut, dass die XXL-Krisensitzung vor einer Woche offensichtlich positive Auswirkungen auf das Gemeinschaftsgefüge hat, außerdem darf Schalke jetzt zum zweiten Mal hintereinander vor eigenem Publikum antreten. Das Spiel gegen den SC Paderborn findet am Samstag (13 Uhr, LIVE! bei kicker) in der Veltins-Arena statt, in der die Königsblauen bisher eine akzeptable Punkteausbeute vorweisen können. In der Heimtabelle rangieren sie mit derzeit 22 Zählern auf Platz 6 der 2. Liga.

Toni Lieto

Viele Schalker Schlüsselfiguren statt ein einziger Matchwinner

Müller, Soppy, Schallenberg, Kabadayi, Terodde, Topp, allen voran Trainer Geraerts: Beim überraschenden 3:1 gegen Primus St. Pauli zeigte Schalke 04 die bislang beste Saisonleistung über 90 Minuten, als Schlüsselfiguren drängen sich gleich mehrere Protagonisten auf.

Zwei von einigen Schlüsselfiguren beim FC Schalke 04: Doppelpacker Yusuf Kabadayi (li.) und Trainer Karel Geraerts.

Zwei von einigen Schlüsselfiguren beim FC Schalke 04: Doppelpacker Yusuf Kabadayi (li.) und Trainer Karel Geraerts.

IMAGO/Team 2

Matchwinner? So will Yusuf Kabadayi nach dem 3:1-Sieg gegen den FC St. Pauli, zu dem er mit zwei Treffern entscheidend beigetragen hat, lieber nicht bezeichnet werden. “Wir sind als Kollektiv aufgetreten, auch die Fans haben ihren Anteil”, sagte der 20-Jährige bescheiden. Natürlich war die Leihgabe aus dem Unterbau des FC Bayern am Freitagabend eine Schlüsselfigur für Schalke – mit der Note 1,5 kürte ihn der kicker zum “Spieler des Spiels”. Richtig ist aber ebenso, dass sich bei der bislang besten Saisonleistung der Königsblauen über 90 Minuten noch einige andere Protagonisten positiv hervortaten.

Spielbericht

Marius Müller: Der Torwart bildete die Grundlage für den Verlauf, den das Spiel zugunsten der Schalker nahm. Mit einem herausragenden Reflex bewahrte er sein Team nach zehn Minuten vor einem Rückstand. Connor Metcalfes Schuss wehrte der Keeper zur Ecke ab, worüber er selbst kurzeitig so aus dem Häuschen war, dass sich seine Freude durch einen heftigen Tritt gegen den Pfosten entlud. Dabei lockerte sich ein Stollen an der Sohle, wie Müller später amüsiert verriet: “Zum Glück habe ich die Unterseite des Schuhs benutzt.” Er habe in der Vergangenheit “auch schon einmal mit dem Mittelfuß” zugetreten, “das ging dann nicht so gut aus”. Auch gegen den Tabellenführer hat sich einmal mehr bestätigt: Müller ist Schalkes größter Rückhalt im Abstiegskampf.

Brandon Soppy: Der als “Soforthilfe” angepriesene Winterzugang musste aufgrund von Fitnessdefiziten bis zum 24. Spieltag auf sein Startelfdebüt warten, doch dabei bewies er als Rechtsverteidiger, wie wichtig er für die Stabilität der Defensive sein kann.

Ron Schallenberg: Seine Rolle war die größte Überraschung des Tages, der Kniff ging auf: Schallenberg, im Sommer als Chefsechser verpflichtet, wurde anstelle des Dauerbrenners Marcin Kaminski in die Innenverteidigung beordert, als Partner des einmal mehr starken Tomas Kalas wusste Schallenberg zu begeistern. “Wir haben als gesamte Mannschaft sehr mannorientiert gespielt. Wir wollten St. Pauli zwingen, lange Bälle zu schlagen. Dafür musste ich immer wieder vorschieben, das habe ich gemacht”, erklärte der 25-Jährige seine Aufgabe.

Simon Terodde: Der Startelf-Stürmer, zuvor zweimal nur Reservist, war an allen drei Toren beteiligt. Beim 1:0 ließ er den Ball clever durch, unmittelbar vor dem 2:0 zwang er Torwart Nikola Vasilj zu einer Glanztat, die in Kabadayis Treffer mündete, das 3:1 in der Nachspielzeit leitete er mit einem verlängerten Ball auf Vorlagengeber Keke Topp entscheidend ein.

Podcast

Schalke 04 in der Krise: Von der 2. Liga ins Fußball-Nirwana?


15:38 Minuten

alle Folgen

Keke Topp: Fast wäre der junge Angreifer in die Fallrückziehertor-Fußstapfen von Klaus Fischer getreten, doch sein spektakulärer akrobatischer Versuch kurz nach seiner Einwechslung (63.) landete nicht im Netz (68.). “Ich bin ein verrückter Hase”, sagte Topp später grinsend. “Wenn der Ball drin gewesen wäre, hätten sie mich hier einfangen müssen.” Trotzdem avancierte auch Topp noch zu einer prägenden Figur: Er gewann ein wichtiges Kopfballduell vor dem 2:1 und legte das 3:1 durch Kenan Karaman mustergültig auf.

Karel Geraerts: Mit der mutigen Idee, Schallenberg in der Innenverteidigung neben Tomas Kalas aufzubieten, hat er sogar seinen Hamburger Amtskollegen Fabian Hürzeler vor an diesem Abend unlösbare Herausforderungen gestellt. St. Pauli habe “nicht erwartet”, dass Geraerts seine Spieler “Mann gegen Mann pressen lassen” würde, gab Hürzeler zu. Keeper Müller meinte: “Hätten wir uns hinten reingestellt, wäre es ganz schwer geworden.”

Die sehr waghalsige personelle Umstellung des königsblauen Coaches hätte fürchterlich schiefgehen und Geraerts auf der Trainerabschussliste ein paar Plätze nach oben katapultieren können, doch sein ausgeklügelter Ansatz entpuppte sich als Basis des Erfolgs. Geraerts hat Courage bewiesen. Oder, wie es Torhüter Müller nonchalant formulierte: “Er hat Eier gezeigt.”

Toni Lieto

“Für solche Spiele trainiere ich”: Doppelpacker Kabadayi “einfach nur glücklich”

Beim 3:1-Sieg des FC Schalke 04 wurde Yusuf Kabadayi zum Matchwinner. Nach seiner Nicht-Berücksichtigung im Spieltagskader der Vorwoche ein emotionaler Moment für den Youngster.

Yusuf Kabadayi zahlte das in ihn gesetzte Vertrauen gegen St. Pauli zurück.

Yusuf Kabadayi zahlte das in ihn gesetzte Vertrauen gegen St. Pauli zurück.

IMAGO/Pakusch

Wer sich die jüngsten Partien des FC Schalke 04 ins Gedächtnis ruft, der weiß, dass Yusuf Kabadayi angesprochen auf seine Gefühlslage vor dem überraschenden, aber verdienten 3:1-Sieg gegen Spitzenreiter St. Pauli wohlüberlegt von “schweren Wochen” sprach. Gegenüber Sky machte er nach der Partie, in der er durch seinen Doppelpack zum Matchwinner der Knappen geworden war, keinen Hehl aus der angespannten Situation rund um die Kabinenaussprache der Schalker Profis.

“Danach war ich sehr emotional”, so Kabadayi, den natürlich auch die sportliche Ausgangslage beschäftigt hatte: “Wir waren vor der Partie 14., St. Pauli ganz klar Erster und die beste Mannschaft der Liga.” Differenzen, die Königsblau durch einen intensiven Auftritt mehr als nur ausgleichen konnte. “Die Mannschaft hat einfach das umgesetzt, was der Trainer wollte, und in jeder Situation gezeigt, dass wir zusammenhalten.”

Dass es schlussendlich seine eigenen Treffer waren, die entscheidend zum Heimsieg beigetragen hatten, machte den 20-Jährigen “einfach nur glücklich und dankbar”. Schließlich sei es trotz guter Trainingsleistungen nicht selbstverständlich, von der Tribüne direkt in die Startelf zurückzukehren, weshalb er festhielt: “Familie Mitspieler, Trainer, der ganze Staff – alle standen hinter mir. Ich habe dieses Vertrauen bekommen und hoffe, dass ich es zurückzahlen konnte.” Ob der beiden persönlichen Erfolgserlebnisse dürfte man dies wohl recht sicher bejahen. 

Schallenberg glänzt in neuer Rolle

Selbiges gilt auch für Ron Schallenberg. Der Sechser agierte gegen die Kiezkicker in ungewohnter Innenverteidiger-Rolle und sorgte mit dafür, dass die so spielfreudigen Gäste kaum nennenswerte Abschlüsse verzeichnen konnten. “Letztendlich hatte ich nicht so viel Zeit nachzudenken. Der Trainer hat es mit gestern gesagt”, verriet der ehemalige Paderborner nach dem Spiel, und sprach ein Lob für Nebenmann Tomas Kalas aus: “Viel mehr Sicherheit kann man nicht ausstrahlen.”

Ganz so neu, wie von den meisten Beobachtern gedacht, war die Position im Abwehrzentrum für den 25-Jährigen aber ohnehin nicht gewesen. “Ich habe das tatsächlich mal eine halbe Saison in der Oberliga gespielt. Aber äußerst unerfolgreich”, grinste Schallenberg, der probiert habe, sich keinen Kopf zu machen und seinen Job zu erledigen. “Das ist ganz gut gelungen.”

Geraerts genießt Vertrauen im Kader

Als gut gelungen kann man daher auch Karel Geraerts’ Maßnahmen abstempeln, der für Schallenberg in den letzten Wochen teils zu harsche Kritik abbekommen hatte. “Völliger Quatsch” sei es etwa, dass das Team seinem Coach nicht mehr folge: “Da ist viel Gelaber dabei. Das stimmt einfach nicht.” Der Belgier genieße viel mehr weiterhin das vollste Vertrauen Schallenbergs. “Der Trainer stellt die Mannschaft auf, von der er denkt, sie hat die beste Chance auf den Sieg.” Dass dies gerade gegen den Tabellenführer geglückt ist, “hat ihm heute Recht gegeben”, sei aber gleichzeitig in der Gesamtbetrachtung “nur ein kleiner Schritt”. 

Entsprechend geht es bei Königsblau nun darum, den nächsten Schritt zu gehen. Kommende Woche reist der SC Paderborn nach Gelsenkirchen. Zweimal in Serie vor heimischer Kulisse antreten zu können, soll für Kabadayi zur Initialzündung werden. “Jeder, der hier mal gespielt hat, weiß, dass es nicht einfach ist, hier bei 60.000 Fans zu spielen. Wir haben unfassbar krasse Fans, die uns nach vorne pushen. Für solche Spiele trainiere ich tagtäglich.” 

“Für solche Spiele trainiere ich”: Doppelpacker Kabadayi “einfach nur glücklich”

Beim 3:1-Sieg des FC Schalke 04 wurde Yusuf Kabadayi zum Matchwinner. Nach seiner Nicht-Berücksichtigung im Spieltagskader der Vorwoche ein emotionaler Moment für den Youngster.

Yusuf Kabadayi zahlte das in ihn gesetzte Vertrauen gegen St. Pauli zurück.

Yusuf Kabadayi zahlte das in ihn gesetzte Vertrauen gegen St. Pauli zurück.

IMAGO/Pakusch

Wer sich die jüngsten Partien des FC Schalke 04 ins Gedächtnis ruft, der weiß, dass Yusuf Kabadayi angesprochen auf seine Gefühlslage vor dem überraschenden, aber verdienten 3:1-Sieg gegen Spitzenreiter St. Pauli wohlüberlegt von “schweren Wochen” sprach. Gegenüber Sky machte er nach der Partie, in der er durch seinen Doppelpack zum Matchwinner der Knappen geworden war, keinen Hehl aus der angespannten Situation rund um die Kabinenaussprache der Schalker Profis.

“Danach war ich sehr emotional”, so Kabadayi, den natürlich auch die sportliche Ausgangslage beschäftigt hatte: “Wir waren vor der Partie 14., St. Pauli ganz klar Erster und die beste Mannschaft der Liga.” Differenzen, die Königsblau durch einen intensiven Auftritt mehr als nur ausgleichen konnte. “Die Mannschaft hat einfach das umgesetzt, was der Trainer wollte, und in jeder Situation gezeigt, dass wir zusammenhalten.”

Dass es schlussendlich seine eigenen Treffer waren, die entscheidend zum Heimsieg beigetragen hatten, machte den 20-Jährigen “einfach nur glücklich und dankbar”. Schließlich sei es trotz guter Trainingsleistungen nicht selbstverständlich, von der Tribüne direkt in die Startelf zurückzukehren, weshalb er festhielt: “Familie Mitspieler, Trainer, der ganze Staff – alle standen hinter mir. Ich habe dieses Vertrauen bekommen und hoffe, dass ich es zurückzahlen konnte.” Ob der beiden persönlichen Erfolgserlebnisse dürfte man dies wohl recht sicher bejahen. 

Schallenberg glänzt in neuer Rolle

Selbiges gilt auch für Ron Schallenberg. Der Sechser agierte gegen die Kiezkicker in ungewohnter Innenverteidiger-Rolle und sorgte mit dafür, dass die so spielfreudigen Gäste kaum nennenswerte Abschlüsse verzeichnen konnten. “Letztendlich hatte ich nicht so viel Zeit nachzudenken. Der Trainer hat es mit gestern gesagt”, verriet der ehemalige Paderborner nach dem Spiel, und sprach ein Lob für Nebenmann Tomas Kalas aus: “Viel mehr Sicherheit kann man nicht ausstrahlen.”

Ganz so neu, wie von den meisten Beobachtern gedacht, war die Position im Abwehrzentrum für den 25-Jährigen aber ohnehin nicht gewesen. “Ich habe das tatsächlich mal eine halbe Saison in der Oberliga gespielt. Aber äußerst unerfolgreich”, grinste Schallenberg, der probiert habe, sich keinen Kopf zu machen und seinen Job zu erledigen. “Das ist ganz gut gelungen.”

Geraerts genießt Vertrauen im Kader

Als gut gelungen kann man daher auch Karel Geraerts’ Maßnahmen abstempeln, der für Schallenberg in den letzten Wochen teils zu harsche Kritik abbekommen hatte. “Völliger Quatsch” sei es etwa, dass das Team seinem Coach nicht mehr folge: “Da ist viel Gelaber dabei. Das stimmt einfach nicht.” Der Belgier genieße viel mehr weiterhin das vollste Vertrauen Schallenbergs. “Der Trainer stellt die Mannschaft auf, von der er denkt, sie hat die beste Chance auf den Sieg.” Dass dies gerade gegen den Tabellenführer geglückt ist, “hat ihm heute Recht gegeben”, sei aber gleichzeitig in der Gesamtbetrachtung “nur ein kleiner Schritt”. 

Entsprechend geht es bei Königsblau nun darum, den nächsten Schritt zu gehen. Kommende Woche reist der SC Paderborn nach Gelsenkirchen. Zweimal in Serie vor heimischer Kulisse antreten zu können, soll für Kabadayi zur Initialzündung werden. “Jeder, der hier mal gespielt hat, weiß, dass es nicht einfach ist, hier bei 60.000 Fans zu spielen. Wir haben unfassbar krasse Fans, die uns nach vorne pushen. Für solche Spiele trainiere ich tagtäglich.” 

Klaus Fischer: “Beckenbauer hat abgewunken, also volle Pulle bis zum Abpfiff”

An diesem Freitag bestreitet der FC Bayern als erster Klub sein 2000. Bundesligaspiel, wenn er beim SC Freiburg antritt. Die höchste Niederlage in bislang 1999 Partien setzte es am 9. Spieltag der Saison 1976/77 gegen Schalke. S04-Stürmer Klaus Fischer (74) erinnert sich.

Einer der größten Torjäger in der Geschichte des FC Schalke 04: Klaus Fischer.

Einer der größten Torjäger in der Geschichte des FC Schalke 04: Klaus Fischer.

IMAGO/Revierfoto

Wie präsent ist Ihnen das 7:0 mit dem FC Schalke beim FC Bayern, Herr Fischer?

Wir hatten damals auch eine sehr gute Mannschaft und fuhren nach München, um zu gewinnen. Mit einem 7:0 hat natürlich trotzdem niemand gerechnet. Aber, wie sagt man so schön: Wenn es läuft, dann läuft es.

Wann merkten Sie, dass es an diesem Tag läuft?

Bei meinem Tor zum 3:0 unmittelbar nach der Pause hat Franz Beckenbauer abgewunken. Da wusstest du, was los ist. Wir haben nicht aufgehört, nach vorne zu spielen, zumal wir gar nicht besonders defensiv spielen konnten. Es macht schließlich Spaß, wenn es so gut läuft und die Tore fallen. Also: Volle Pulle bis zum Abpfiff.

Die Aufstellungen

Wussten Sie unmittelbar nach dem 7:0, dass dies ein Rekord gegen die Bayern war?

Nein, über so etwas hat man sich damals keine Gedanken gemacht. Aber klar, wann verlieren die Bayern schon mal mit 0:7? Sie waren amtierender Sieger im Europapokal der Landesmeister, mit Franz, Gerd Müller, Sepp Maier, Katsche Schwarzenbeck und Uli Hoeneß standen fünf Weltmeister auf dem Platz, dazu der junge Kalle Rummenigge.

Können Sie sich an den Spielverlauf erinnern? Sie trafen viermal, dazu Erwin Kremers, Manfred Dubski und Rüdiger Abramczik.

Wir wussten um unsere Chance, fuhren ohne Angst hin. Bei meinen Toren war alles dabei, ich habe noch jedes vor Augen, unter anderem ein Seitfallzieher und ein Flugkopfball. Vier Tore schießt man ja nicht jeden Tag – und schon gar nicht gegen Sepp Maier.

Ich habe ehrlich gesagt bis heute keine Erklärung dafür.

Klaus Fischer auf die Frage, warum er mit Schalke nie Meister wurde

Wie haben die Bayern-Stars reagiert?

Erwin Kremers und ich waren hinterher mit Franz Beckenbauer noch auf einer Veranstaltung. Er war wie immer korrekt und hat unsere Leistung anerkannt. Es ist ja nicht so, dass wir sie jedes Mal auseinander genommen haben. 1972 verloren wir zum Beispiel mit 1:5 am letzten Spieltag und damit die Deutsche Meisterschaft.

Gutes Stichwort: Warum ist die damalige Schalker Truppe nie Meister geworden?

Ich habe ehrlich gesagt bis heute keine Erklärung dafür.

Wird jemals wieder eine Mannschaft in der Bundesliga mit 7:0 gegen die Bayern gewinnen?

Das werde ich nicht erleben und glaube das auch nicht. Und meine Schalker wären ja schon froh, wenn sie überhaupt mal wieder gegen den FC Bayern spielen dürften.

Interview: Frank Linkesch

DFL-Bosse im Interview: “Rechtliche Perspektive heilt nicht die moralischen Debatten”

Nach dem geplatzten Investoren-Deal der DFL sprechen die Liga-Geschäftsführer Dr. Marc Lenz und Dr. Steffen Merkel im kicker-Interview. Ein Gespräch über Kommunikations-Defizite, verpasste Chancen und Kinds Votum.

Herr Merkel, Herr Lenz, würden Sie gerne wissen, wie Martin Kind im Dezember wirklich abgestimmt hat?

Marc Lenz: Nein, von niemandem der 36 Klubs, denn es gab im Liga-Verband Konsens für eine geheime Abstimmung. Grundsätzlich sind für die Zukunft der Bundesligen aber breite und akzeptierte Mehrheiten im Liga-Verband zentral, damit wir zukunftsweisende Themen auch umsetzen können.

Das Problem in Hannover ist ein jahrelanger ungelöster klubinterner Konflikt.

Ist die DFL sehenden Auges in diese Problematik rund um das Votum von Martin Kind gerannt, die Differenzen in Hannover zwischen e.V. und der Kapitalgesellschaft waren bekannt?

Steffen Merkel: Ich teile diese Meinung nicht. Wer dieser Ansicht ist, verkennt, dass wenige Tage vor der Abstimmung noch von weit mehr als 24 Klubs auszugehen war, die für einen solchen Prozess stimmen. Die Situation kam aber insbesondere deswegen zustande und hat zu so einer Kontroverse geführt, weil wir ein Abstimmungsergebnis mit exakt 24-mal Ja, zehnmal Nein und zwei Enthaltungen hatten.

Wäre es 29 zu sieben oder 28 zu acht ausgegangen, wie man aufgrund der Vorgespräche eher vermuten konnte, hätte niemand über das vermeintlich entscheidende Votum eines einzelnen Klubs diskutiert.

Lenz: Das Problem in Hannover ist ein jahrelanger ungelöster klubinterner Konflikt. Die Regelung gibt es seit 2004, mit einem einvernehmlich bestätigten Vertrag in 2019 und Streitigkeiten insbesondere seit 2022 auf Grundlage unterschiedlicher Auslegungen.

Bei DFL-Mitgliederversammlungen ist – mit Blick auf Hannover 96 genau wie jeden anderen Klub – entscheidend, dass die Lizenznehmer berechtigt vertreten sind und rechtmäßige Beschlüsse gefasst werden können. Das ist erst einmal die juristische Ebene, auf der die Rechtmäßigkeit des Beschlusses vom 11. Dezember auch extern mehrfach bestätigt wurde …

… was die Fans nicht interessierte, weil es auch eine moralische Ebene gibt.

Lenz: Richtig, die formale und rechtliche Perspektive heilt nicht die Debatten, die sich auf moralischer Ebene und in Bezug auf die Akzeptanz entwickelt haben. Hier muss aber auch die Gesamtperspektive der DFL berücksichtigt werden, und somit auch das parallele Verfahren vor dem Bundeskartellamt, das 2018 infolge eines Ligabeschlusses initiiert wurde.

Damals übrigens mit 18-Ja-Stimmen, also einer deutlich schmaleren Mehrheit als im Dezember 2023 für einen Partnerprozess. Es geht um die kartellrechtliche Rechtssicherheit für die Regel. Daran arbeitet das Präsidium seit Jahren, ein konkreter Vorschlag wurde im März 2023 eingereicht. Ohne die Verzögerungen, die durch einen Befangenheitsantrag gegen das Kartellamt entstanden sind, wäre die 50+1-Regel wohl im September oder Oktober des vergangenen Jahres gestärkt worden.

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Die Liga und der “strategische Partner”

Die Diskussion um einen DFL-Investor

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  • Für Investitionen u.a. in Digitalisierung wollte die DFL-Führung Kapital von einen Investor einholen.
  • Die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit wurde bei der geheimen Abstimmung auf die Stimme genau erreicht.
  • Nach einer außerordentlichen Sitzung hat die DFL beschlossen, den Partnerprozess nicht weiterzuführen. 

Können Sie die Kritik am Beschluss der DFL-Mitgliederversammlung nachvollziehen?

Merkel: Der Beschluss aus dem Dezember hatte ein Akzeptanzproblem. Aus juristischer Sicht war nach externer Prüfung jedoch auch klar, dass die Entscheidung rechtmäßig gefasst wurde und es eine klare Mehrheit der Klubs dafür gab. Für das DFL-Präsidium und uns als haftende DFL-Geschäftsführer bedeutete das den Auftrag, den Prozess fortzuführen. Diesen Auftrag, den die Klubs erteilt haben, müssen wir schon annehmen und ausführen – insbesondere weil auch aus den Reihen der Klubs in den ersten Wochen nach der Mitgliederversammlung am 11. Dezember lediglich vereinzelte Stimmen für eine Neuabstimmung zu vernehmen waren.

Hans-Joachim Watzke hat in dieser Woche bei einer BVB-Medienrunde verlauten lassen, dass sich Gruppierungen von lediglich 500 bis 800 Fans pro Klub durchgesetzt hätten, Umfragen nennen wesentlich höhere Zahlen an Kritikern. Teilen Sie die Einschätzung des DFL-Präsidiumssprechers?

Merkel: Ich würde sagen, und so habe ich auch Hans-Joachim Watzke verstanden, dass die organisierten Fans, die die Speerspitze des Ganzen waren, eine solche Größenordnung haben und dass die große Mehrheit der Stadionbesucher und Fußballinteressierten dem Ganzen deutlich weniger emotional und entschieden gegenüberstand.

Lenz: Wir haben sehr umfangreich kommuniziert und viele Details dargelegt, um dieses kontroverse und auch komplexe Thema einzuordnen. Auch die Klubs haben sich intensiv damit befasst. Wir hatten in den vergangenen 18 Monaten sehr viele Sitzungen dazu, um die unterschiedlichen Perspektiven innerhalb des Liga-Verbandes einfließen zu lassen. Allein die Arbeitsgruppe tagte 14-mal, wir hatten rund zehn Präsidiums- und Aufsichtsratssitzungen und genauso viele Klub-Treffen.

Da ist nichts in Hinterzimmern oder im Hau-Ruck-Verfahren gelaufen. Aber die Argumente für eine Partnerschaft sind nicht bis in die Fanszenen an den 36 Standorten durchgedrungen und sie sind von anderen Aspekten überlagert worden. Das muss man festhalten.

DFL “hätte den Klubs ein gutes Ergebnis präsentiert”

Wobei zuletzt im Liga-Verband der Kreis der Befürworter immer kleiner wurde …

Lenz: Wir hätten den 36 Klubs nach den Verhandlungen ein sehr gutes Ergebnis präsentiert, davon bin ich überzeugt, innerhalb der roten Linien, mit Sicherung der Mehrwerte, zu guten wirtschaftlichen Konditionen und mit Überraschungen zur Absicherung von Liga und Klubs. In den vergangenen Wochen wurde sehr emotional diskutiert, und das drehte sich fast nur noch um Debatten über Hannover 96 und die 50+1-Regel, weniger um den Kern und die Gestaltung der angestrebten Partnerschaft sowie die Weiterentwicklung.

War es dann Balsam auf Ihre Seele, dass beispielsweise Christian Keller und Axel Hellmann gesagt haben, dass die Kommunikationsprobleme bei den Klubs lagen?

Merkel: Beide haben geäußert, die Führung des eigentlichen Prozesses durch die DFL sei sehr gut gewesen. Das freut uns und das hat unser Team, das diesen Prozess über Monate gestemmt hat, auch verdient. Wir haben nach unserem Empfinden zu jeder Zeit sehr konstruktiv mit den Klubs zusammengearbeitet und wir haben auch nach dem Ende des Prozesses viele gute und offene Gespräche geführt – auch mit denjenigen, die nicht für eine Partnerschaft waren.

Ich finde, mit dem, was Axel Hellmann und Christian Keller gesagt haben, haben sie die Aufgabenteilung zwischen der DFL und den Klubs zutreffend eingeordnet. Es empfiehlt sich in dieser Hinsicht, auch mal einen Schritt zurückgehen: Teilweise wirkt es in der öffentlichen Debatte, als gäbe es auf der einen Seite eine autonome DFL und auf der anderen Seite die Klubs. Da wird die tatsächliche Struktur völlig verkannt.

Die 36 Klubs bilden den Liga-Verband und dessen Mitgliederversammlung als höchstes Organ – und dieser Verband hat eine Liga-Organisation in Frankfurt, die wir seit Juli führen. Unsere Aufgabe ist es, bestmögliche Rahmenbedingungen für den deutschen Profifußball zu schaffen. Alles, was wir tun, machen wir für die Bundesliga und die 2. Bundesliga.

0:1 für alle, die an einer positiven Weiterentwicklung der Zentralvermarktung interessiert sind.

Wie schwierig war es, sich zum Abbruch des Investorenprozesses durchzuringen? Und hat man sich damit erpressbar gemacht?

Lenz: Zu Teil eins der Frage: Ich sehe es als ein 0:1 für alle, die an einer positiven Weiterentwicklung der Zentralvermarktung interessiert sind. Eine starke Zentralvermarktung ist die Basis für langfristige Stabilität der Klubs und des Liga-Verbandes. Von daher war es auch keine einfache Entscheidung für das Präsidium, sondern eine notwendige Reaktion auf die geringer werdende Akzeptanz im Liga-Verband. Es gab zunehmend Signale von Klubs, dass sie zwar die Partnerschaft befürworten, aber auf Basis verschiedenster Gründe aktuell nicht daran festhalten können.

Merkel: Und zum zweiten Teil: Nein. Der Liga-Verband und die DFL werden weiter langfristig angelegte und strategisch wichtige Entscheidungen treffen und treffen müssen. Ich glaube nicht, dass der Abbruch des Prozesses eine Blaupause für weitere Probleme ist, sondern dass hier mehrere spezielle Faktoren zusammenkamen: Seit Jahren schwelende unterschiedliche Auffassungen darüber, wo der Fußball hinwill, haben sich im Thema strategische Partnerschaft Bahn gebrochen.

Hinzu kam die Debatte über die moralische Legitimation des Votums, die in der Konsequenz dazu führte, dass selbst weitgehende Protestformen wie lange Spielunterbrechungen bis zuletzt toleriert wurden. Das alles zusammengenommen, haben wir in den vergangenen Wochen eine außergewöhnliche Situation erlebt.

Das darf aber nicht dazu führen, dass künftig bei jedem Thema, das kontrovers ist, Spiele unterbrochen werden und damit massiver Einfluss auf den sportlichen Wettbewerb genommen wird. Daran kann niemand ein Interesse haben. Trotzdem sind Ableitungen aus dem Prozess zu treffen.

Lenz: Beispielsweise müssen im Liga-Verband Absprachen zu weitreichenden Themen intensiv geführt und auch innerhalb der Klubs gestärkt werden, damit eine breite Basis auch nach Abstimmungen und in den Folgeprozessen fortbesteht.

Die 50+1-Regel ist und bleibt klarer Bestandteil, aber wir wissen auch, dass es einige Themen zu regeln gilt.

Vergangenes Wochenende protestierten Eintracht-Fans gegen den VfL Wolfsburg und die Ausnahmen bei 50+1, befürchten Sie eine neue Welle?

Lenz: Davon gehen wir aktuell nicht aus und wir appellieren auch da, sich mit den Fakten auseinanderzusetzen. Das Präsidium und wir haben sehr klar gemacht, dass 50+1 für uns ein sehr hohes Gut ist. Wir haben als Geschäftsführung direkt nach unserem Einstieg im Juli die Zielsetzung formuliert, dass wir die Bundesliga und 2. Bundesliga als sportlich attraktive Ligen erhalten wollen, die wirtschaftlich wettbewerbsfähig bleiben – und das mit finanziell stabilen Klubs und mit 50+1.

Die 50+1-Regel ist und bleibt klarer Bestandteil, aber wir wissen auch, dass es einige Themen zu regeln gilt. Angefangen bei der grundlegenden kartellrechtlichen Rechtssicherheit bis hin zu Einzelthemen in der Umsetzung.

Können Sie den Unmut gegen die Alimentierung einiger Klubs nachvollziehen?

Lenz: Ja und nein, denn auch hier muss das Gesamtbild gesehen werden. Es gibt viele Traditionsvereine, die extern subventioniert werden oder Anteilseigner haben, und nicht nur einige wenige ausgewählte Klubs, die gerne als Beispiel genutzt werden. Zudem wird dies sowohl durch das Zusagenangebot der DFL an das Bundeskartellamt adressiert als auch durch neue Regularien zur Stärkung der finanziellen Stabilität, die aktuell erarbeitet und diskutiert werden.

Nach dem Scheitern steht nun die Teil-Autonomie der Bundesliga im Raum. Was würde das konkret bedeuten?

Merkel: Sie spielen auf eine Aussage von Hans-Joachim Watzke an, der aber zugleich betont hat, dass ihm die Einheit der 36 Klubs wichtig ist. Das sehen wir als Geschäftsführung auch so. Bei dem Gedankenmodell Teil-Autonomie könnten die Ligen noch stärker über eigene Geschicke entscheiden.

Beispielsweise insofern, als nach einem Grundsatzbeschluss des Präsidiums zur Aufteilung der Erlöse zwischen den Ligen die dann folgende konkrete Verteilung von Medienerlösen – also dem Fernsehgeld – innerhalb der Ligen jeweils ligaintern durch die entsprechenden Vertreter im Präsidium geregelt werden könnte und nicht wie bisher in einem Beschluss des gesamten Gremiums.

Ein weiteres Beispiel ist, dass die Besetzungen von Präsidium und Aufsichtsrat der DFL getrennt vonstattengehen könnten, die jeweilige Liga würde allein über ihre Vertreter entscheiden. Wichtig ist mir aber: Das ist primär kein Thema der DFL-Geschäftsführung, sondern der Klubs – denn die notwendigen Satzungsänderungen müsste die Mitgliederversammlung beschließen.

Der Investitionsbedarf in die Vermarkung des deutschen Profi-Fußballs wird auch von den Klubs nicht bestritten, kommt jetzt eine abgespeckte Version?

Merkel: Durch eine Partnerschaft mit einem Private-Equity-Unternehmen sicher nicht. Wir machen uns als DFL-Geschäftsführung schon lange und unabhängig von der Suche nach einem strategischen Partner Gedanken, wie wir die Liga im Sinne der 36 Klubs entwickeln können. Wir stellen sicher nicht unsere Arbeit ein, der Partnerprozess war längst nicht das einzige Thema auf unserer Agenda. Alles weitere werden wir in den nächsten Wochen in den Gremien und Regionalkonferenzen diskutieren. Vor der Entscheidung für die Suche nach einem strategischen Partner wurden bereits mögliche Alternativen besprochen.

Binnenfinanzierung oder Fremdfinanzierung als Plan B

Nämlich?

Merkel: Ein Stichwort lautet Binnenfinanzierung, bei der man für eine gewisse Zeit den Abgabensatz an die DFL erhöhen müsste. Oder eine Fremdfinanzierung, um die nötigen Investitionen per Kreditaufnahme zu ermöglichen. Im November haben aber nur rund eine Handvoll Klubs solche Modelle befürwortet. Daher muss man schon sehr genau schauen, ob, nachdem Plan A nicht geklappt hat, ein schon einmal verworfenes Konstrukt das Richtige sein kann, um mindestens zwei Drittel der Klubs hinter sich zu bringen.

Ist die Möglichkeit der Binnenfinanzierung angesichts der wirtschaftlichen Situation mancher Klubs überhaupt realistisch?

Lenz: Nur wenige Klubs haben uns signalisiert, dass dieses Modell für sie eine Option ist – primär wirtschaftlich starke Klubs, mit guter Eigenkapitalposition und sportlich nationalem Fokus auf die Bundesliga. Generell erachten wir die Finanzierung auf Liga-Ebene für bevorzugt, auch zum Schutz der Finanzierungs- und Eigentümerstrukturen von Klubs.

Vielen ist nicht bewusst, dass dies im Ausland anders ist, denn dort wird Investitionskapital auf Basis gering regulierter Eigentümer über die Klubs generiert. In der Premier League wurden über Klub-Eigentümer in den vergangenen zehn Jahren mehr als sechs Milliarden Euro investiert, um die heutige starke Stellung zu schaffen – auch für Investitionen in Infrastruktur und Nachwuchsleistungszentren. Dies ist in der Bundesliga nicht möglich, und daher gilt es Lösungen auf Liga-Ebene für Investitionen in die Zentralvermarktung zu finden.

Christian Heidel sprach bei einer Binnenfinanzierung von sieben bis acht Millionen Euro pro Saison, die Mainz 05 weniger zur Verfügung hätte. Ist das die Hausnummer?

Merkel: Legt man die Investitionspläne aus dem Partnerprozess zugrunde, läge die Größenordnung etwa bei 8 bis 9 Prozent der Medieneinnahmen, die auf den aktuellen Abgabensatz von 7,75 Prozent obendrauf kämen. Zudem wurde aus meiner Sicht in der Debatte bislang eine Sache komplett außer Acht gelassen: Ob die Binnenfinanzierung überhaupt ein Modell sein kann, hängt sicher auch vom finanziellen Ergebnis der Ausschreibung der Medienrechte im deutschsprachigen Raum und den sich daraus ergebenden Spielräumen ab.

Merkel befürchtet keine negativen Auswirkungen auf die Medienrechte

Mit Blick auf die nationalen Medienrechte – das Wiederreichen der Milliardengrenze pro Saison gilt laut Experten als Erfolg: Spüren Sie Auswirkungen auf den Prozess?

Merkel: Ich befürchte keine negativen Auswirkungen, weil wir das Konzept unabhängig von dem Partnerprozess entwickelt haben. Im Dezember hat die DFL-Mitgliederversammlung ohne Gegenstimme entschieden, dass in der Rechteperiode ab 2025 eine noch umfassendere Unterstützung von Medienpartnern durch die Klubs möglich wird. Die Berichterstattung über beide Ligen bei unseren künftigen Medienpartnern wird sowohl unter der Woche als auch am Spieltag verstärkt. Dafür haben wir die notwendigen Mittel vorgesehen.

Eine strategische Vermarktungspartnerschaft wäre langfristig angelegt gewesen, nur gewisse Investitionen hätten schon kurzfristig Relevanz für die Ausschreibung gehabt, etwa die in den Rechteschutz und Kampf gegen illegale Livestreams. Da werden wir sehen müssen, was wir umsetzen können, wobei wir auch da bereits Dinge angeschoben haben.

Dass jeder geworfene Tennisball den Wert der nationalen Medienrechte schmälern soll, wie mancherorts zu lesen war, hat aber wenig mit den Realitäten der Ausschreibung zu tun, auch wenn das Bild der Unterbrechungen keines ist, das wir langfristig abgeben wollen.

Lenz: Eher gilt umgekehrt, dass ein Abschluss mit einem Vermarktungspartner neben dem sehr guten Ausschreibungskonzept ein weiteres positives Signal an Medienpartner gewesen wäre.

Konkret gefragt: Gab es messbare Reichweitenausschläge in die eine oder andere Richtung während der Proteste?

Merkel: Eine positive Entwicklung haben wir nicht feststellen können, ein Geschäftsmodell wird daraus also nicht entstehen (schmunzelt). Aber auch ins Negative gab es keine Ausschläge. Dennoch beschäftigt es unsere Medienpartner, die der Bundesliga und der 2. Bundesliga zum Teil schon seit Jahrzehnten verbunden sind. Wenn fünf Samstagsspiele in der Konferenz unterschiedlich lange unterbrochen sind, haben sie plötzlich keine parallele Halbzeitpause mehr und damit Auswirkungen auf die Vermarktbarkeit von Werbeblöcken. Auch die Verlängerung von Satellitenkapazitäten kostet auf Dauer richtig Geld.

Ohne Stärkung der Zentralvermarktung besteht das Risiko abnehmender Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit.

Haben sich die Fans selbst ins Knie geschossen, weil die Klubs womöglich Ticketpreise erhöhen, um Investitionen zu finanzieren?

Lenz: Eine Finanzierung ohne Partner oder externe Lösung könnte die Klub-Finanzen unter Druck setzen. Die Stellschrauben der Klubs, unter anderem Ticketpreise, sind aber ein vereinsinternes Thema. Wir haben stets darauf hingewiesen, dass die Zentralvermarktung eine wirtschaftliche Versicherung für die 50+1-Regel ist. Ohne Stärkung der Zentralvermarktung besteht das Risiko abnehmender Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit der Bundesligen, und daraus folgend Druck auf die Eigentümerstrukturen von Klubs. Um das Risiko zu lindern, gilt es andere Wege für eine Stärkung der Zentralvermarktung zu finden.

Klubs könnten auch die Ausgaben drosseln. Ausgegangen von den 8 bis 9 Prozent an Abgaben: Würde das den nationalen Wettbewerb wirklich so sehr treffen?

Lenz: Wären wir eine geschlossene nationale Liga wie die großen US-Ligen, ließe sich das mit nationalen Obergrenzen regeln. Im Gesamtkontext des europäischen Wettbewerbs aber würde die Attraktivität unserer Ligen leiden und ein sportlicher und wirtschaftlicher Abstieg der Bundesligen eingeleitet.

Sie haben aber vollkommen Recht: Kosten, Defizite und Eigentümer müssen international umfänglich reguliert werden. Hieran arbeiten wir seit Jahren intensiv. Mit Gehaltskosten unter 50 Prozent der Umsätze agieren Bundesliga-Klubs schon jetzt sehr rational und wesentlich gesünder als Klubs in anderen Top-Ligen. Es gilt Regularien zu etablieren, die gesund handelnde Ligen und Klubs schützen und die finanzielle Stabilität im europäischen Fußball generell forcieren.

Die DFL hat einen Vorschlag der absoluten Kaderkostenobergrenze eingereicht bei der UEFA. Wie sind da die Entwicklungen?

Merkel: Wir setzen uns klar dafür ein. Allerdings gilt es die rechtlichen Konsequenzen des EuGH-Urteils zur Super League zu berücksichtigen. Das Thema absolute Kostenobergrenze ist eine sehr umfangreiche Diskussion und ist nichts, was in zwei, drei Monaten entschieden sein wird.

Zählen Sie neben UEFA und ECA auch auf die EU-Kommission?

Lenz: Ja. Wir prüfen und arbeiten auf einigen Wegen. Die UEFA zeigte in ihrem Finanzreport zuletzt positive und negative Entwicklungen des europäischen Fußballs auf, und im Hinblick auf negative Entwicklungen gilt es durch verbandsrechtliche Regularien der UEFA zu reagieren und die Werte des europäischen Sportmodells zu schützen. Darüber hinaus gibt es den politischen Weg, sowohl auf Basis des EuGH-Urteils als auch, zum Beispiel, mit der sogenannten Drittstaatensubventionsverordnung, die Investitionen aus Drittstaaten und deren Auswirkungen auf den Wettbewerb in der EU adressiert.

Zwei zentrale Themen: Starke Zentralvermarktung und gute Finanz- und Eigentümerregeln

Das wird dem ECA-Vorsitzenden Nasser Al-Khelaifi, der über sein Engagement beim katarischen Sportfonds auch CEO von Paris St. Germain ist, nicht gefallen.

Lenz: Möglicherweise gefällt das dem ECA-Vizevorsitzenden, Bayerns Vorstandsvorsitzenden Jan-Christian Dreesen, mehr als anderen Klubs (schmunzelt). Wobei auch die ECA und der ECA-Vorstand gesamtheitlich an einem gesunden wirtschaftlichen Fußball interessiert sein werden. Natürlich gibt es Klubs und Verbände, die eher in eine andere Richtung und weniger Regulierung tendieren. Aber wir merken zugleich, dass es zunehmend Ligen und Klubs gibt, die mit uns gemeinsam gegen gewisse Fehlentwicklungen vorgehen. Ich sehe Chancen, dass wir in den kommenden Jahren vorankommen.

Für unser deutsches Modell sind diese beiden Themen zentral. Wir brauchen erstens eine starke Zentralvermarktung, weil sie die Grundlage für attraktive Ligen und solidarisch finanzierter Klubs unter den Bedingungen von 50+1 ist. Und wir brauchen zweitens international gute Finanz- und Eigentümerregeln. Für beides arbeiten wir jeden Tag.

Interview: Michael Ebert, Benni Hofmann