Tests, Trainingslager, endgültiger Kader: Die wichtigsten Termine bis zur EM

Nach den zwei gelungenen Tests steht für die DFB-Elf eine Pause an. Wie es für das Nagelsmann-Team bis EM-Start weitergeht – und wann der endgültige Kader nominiert werden muss.

Voller Fokus: Bundestrainer Julian Nagelsmann beim Spiel gegen die Niederlande.

Voller Fokus: Bundestrainer Julian Nagelsmann beim Spiel gegen die Niederlande.

IMAGO/Sven Simon

So mancher Akteur hat sich in den zwei Testspielen ins Rampenlicht befördern können. Man denke nur an Debütant Maximilian Mittelstädt oder auch Robert Andrich, der vor den beiden Siegen in Frankreich und gegen die Niederlande erst ein A-Länderspiel bestritten hatte.

Spielberichte

Nach der Partie in Frankfurt erklärte Julian Nagelsmann allerdings ein weiteres Mal, dass die EM-Tür für alle nach wie vor offen stehe. Doch allzu viel Zeit bleibt Akteuren wie Leon Goretzka oder Mats Hummels nicht mehr, um sich zu präsentieren.

Denn am 18. Mai steht bereits der letzte Bundesliga-Spieltag auf dem Programm, eine Woche später am 25. Mai geht das Finale im DFB-Pokal über die Bühne. Nagelsmann wird seinen EM-Kader zwischen Mitte und Ende Mai bekanntgeben, schließlich wird sich der EM-Tross bereits am 26. Mai zum Trainingslager in Blankenhain treffen.

Fünf Tage lang werden die Nationalspieler gemeinsam trainieren, ehe sie am 31. Mai ins EM-Quartier nach Herzogenaurach umziehen, wo das Trainingslager fortgesetzt wird. Nicht ausgeschlossen, dass einige dorthin nachreisen müssen: Am 1. Juni steigt in London das Finale der Champions League, die Beteiligung einer deutschen Mannschaft ist mit den zwei Viertelfinal-Teilnehmern Borussia Dortmund und Bayern München durchaus im Bereich des Möglichen. Antonio Rüdiger und Toni Kroos rechnen sich mit Real Madrid Chancen aus.

Die letzten Tests steigen Anfang Juni

Nur zwei Tage später, am 3. Juni, folgt das Testspiel gegen EM-Teilnehmer Ukraine in Nürnberg, am 7. Juni steht dann die Generalprobe gegen Griechenland in Mönchengladbach an. Offiziell übermitteln muss Nagelsmann seinen finalen EM-Kader am 7. Juni bis 24 Uhr.

Und eine Woche später geht es dann endlich los. Das erste Gruppenspiel steigt am 14. Juni in München gegen Schottland, das zweite am 19. Juni in Stuttgart gegen Ungarn und das dritte am 23. Juni in Frankfurt gegen die Schweiz. Und wenn alles wie gewünscht läuft, ist das DFB-Team auch am 14. Juli mit von der Partie, wenn in Berlin der Europameister gekürt wird.

Schulter-Tor als persönliche Bewerbung: Füllkrug und das “gute Gefühl”

Zweimal kam Niclas Füllkrug bei den DFB-Siegen in Frankreich (2:0) und gegen die Niederlande (2:1) von der Bank – und nahm vor allem in Frankfurt durch sein entscheidendes Tor zum 2:1 Einfluss. Der Stürmer bewirbt sich um die Rückkehr in die Startelf – und verspürt zweieinhalb Monate vor der EM ein “gutes Gefühl”.

Er erzielte das entscheidende 2:1 fürs DFB-Team: Niclas Füllkrug.

Er erzielte das entscheidende 2:1 fürs DFB-Team: Niclas Füllkrug.

imago images

Es gibt nicht viele Spieler im Kader, zu denen der Retro-Look der aktuellen DFB-Trainingskollektion so gut passt wie zu Niclas Füllkrug. Der 31-Jährige wirkt schließlich mit seiner lockeren Art, seinem körperlich robusten Stürmerstil und seinem eher unkonventionellen Weg in die Nationalmannschaft – im guten Sinne – etwas aus der Zeit gefallen. Als “positiv verrückt” bezeichnet Bundestrainer Julian Nagelsmann den Dortmunder Angreifer und bilanziert: “Er ist ein Typ, der für die Mannschaft wertvoll ist.”

Nagelsmann: “Oft nicht die ersten 30 Minuten entscheidend”

Für die Startelf nominierte er ihn bei den jüngsten Siegen in Frankreich (2:0) und gegen die Niederlande (2:1) dennoch nicht. Den Vorzug in der Sturmzentrale erhielt beide Male Kai Havertz. Füllkrug kam im Laufe der zweiten Hälfte von der Bank – und setzte vor allem am Dienstag in Frankfurt durch sein Siegtor in der 85. Minute positive Akzente als “Rollenspieler”, wie Nagelsmann seine Einwechselspieler bezeichnet.

“Bei einem Turnier sind oft nicht die ersten 30 Minuten entscheidend, sondern die letzten 30”, sagte der Bundestrainer in Frankfurt. “Wir haben eine ganz gute Struktur, haben Spieler für verschiedene Situationen auf der Bank. Das sind Spieler mit großen, tragenden Rollen – auch wenn es mal nur für 20 Minuten ist.” So wie David Raum, der die entscheidende Ecke herausholte. Wie Chris Führich, Thomas Müller oder Pascal Groß, die Esprit und Struktur brachten. Oder eben wie Füllkrug, der per Schulter das siegbringende Tor erzielte. Auftrag: erfüllt.

“Die Einwechslungen haben allgemein sehr gut gefruchtet, nicht nur weil ich das Tor gemacht habe”, bilanzierte Füllkrug. “Alle haben neue Energie und neue Dynamik ins Spiel gebracht. Insofern waren die Einwechslungen alle positiv, aber die Jungs vorher haben auch sehr gute Vorarbeit geleistet.”

Der Angreifer lobte das “sehr kontrollierte Spiel”, die Tatsache, “dass es nicht wild war, sondern konstant in der Leistung”, und “dass wir sehr gut umgesetzt haben, was wir uns im Training erarbeitet haben”. Wenige Einheiten genügten für eine signifikante Verbesserung in vielen Details des Spiels. Nicht nur in der Arbeit mit dem Ball, sondern insbesondere auch in der Struktur gegen den Ball sowie den Standards, die sowohl in Frankreich als auch gegen die Niederlande zu Torerfolgen führten.

Füllkrug: “Es ist eine sehr homogene Gruppe”

Die Ursache für die positive Entwicklung? Für Füllkrug lag sie auf der Hand: “Du hast natürlich eine ganz andere Gruppe beisammen, die anders zusammengestellt ist als die vorherige. Und dann helfen natürlich auch Erfolgserlebnisse”, sagte der BVB-Profi, der als einziger Dortmunder von Nagelsmann für die Länderspielperiode im März nominiert worden war – und möglicherweise auch der einzige Borusse bei der EM sein wird.

Mit großen Veränderungen im aktuellen Aufgebot ist derzeit nicht zu rechnen. Verständlich aus Füllkrugs Sicht: “Es ist eine sehr homogene Gruppe, die gerade gut funktioniert. Jeder, der dazukommen will, wird sich in diese Gruppe dort eingliedern müssen, wo er eingeplant ist. Der Bundestrainer wird bewerten, welche Qualitäten er noch hinzunehmen möchte oder muss.”

Perfektes Rollenspiel

Er selbst muss sich um seinen Platz im Aufgebot keine Gedanken machen. Je nach Gegner und Ausgangslage dürfte Nagelsmann situativ entscheiden, ob er Havertz oder Füllkrug den Vortritt lässt. Der Dortmunder akzeptiert diese Rollenaufteilung, hat das große Ganze im Blick – und zweieinhalb Monate vor der EM ein “gutes Gefühl”: “Wir haben gegen zwei Gegner gespielt, die mit einer Top-Besetzung angetreten sind, die in der Weltrangliste sehr gut dastehen. Und wir haben sie beide meiner Meinung nach ziemlich souverän geschlagen”, sagte Füllkrug in der Frankfurter Mixed Zone. “Ich bleibe in solchen Momenten gerne demütig, aber besonders die Zuschauer dürfen schon eine gewisse Euphorie verspüren.” Auch dank Füllkrugs perfektem Rollenspiel.

Matthias Dersch

Starke TV-Quote beim Erfolg der DFB-Elf: Bester Wert für RTL seit langem

Der zweite Sieg des DFB-Teams in Folge hat erneut für eine starke TV-Quote gesorgt. Für RTL war es die erfolgreichste Länderspiel-Übertragung seit fünf Jahren.

Ilkay Gündogan, Jamal Musiala und Co. sorgten für eine starke TV-Quote.

Ilkay Gündogan, Jamal Musiala und Co. sorgten für eine starke TV-Quote.

IMAGO/Team 2

Die deutsche Nationalmannschaft ist nicht nur mit zwei Siegen erfolgreich ins Europameisterschafts-Jahr gestartet, sondern hat den übertragenden Sendern auch Top-Quoten beschert. Das 2:1 am Dienstagabend gegen die Niederlande sahen nach Angaben von RTL im Durchschnitt 10,81 Millionen Menschen. Das bedeutete für den Kölner Privatsender einen Marktanteil von 41 Prozent.

Damit sahen den Sieg des DFB-Teams, den Niclas Füllkrug mit der Schulter in der Schlussphase sicherstellte, etwas mehr TV-Zuschauer als das 2:0 in Lyon gegen Frankreich am Samstagabend. Im ZDF verfolgten 10,121 Millionen (39,1 Prozent Marktanteil) den ersten Länderspiel-Sieg nach zuvor zwei Niederlagen und einem Remis.

Für RTL war es zugleich die erfolgreichste Länderspiel-Übertragung seit dem März 2019.

Oranje nur ein “Wachsfigurenkabinett” – “DFB-Fußball war wie das Leben selbst”

Nach dem 2:1-Erfolg der deutschen Nationalmannschaft über die Niederlande in Frankfurt sparte gerade die Presse im Nachbarland nicht mit Kritik am Auftritt von Oranje.

Unterschiedliche Gefühlslagen: Niclas Füllkrug (#9) feiert, die Oranje-Spieler sind bedient.

Unterschiedliche Gefühlslagen: Niclas Füllkrug (#9) feiert, die Oranje-Spieler sind bedient.

imago images

NIEDERLANDE

“De Volkskrant”: “Manchmal schien es, als ob das Wachsfigurenkabinett in Frankfurt zu Besuch war, so wenig Bewegung war in der Mannschaft. Der Unterschied zwischen den Spielen der Nachbarländer war ungefähr so groß wie der Unterschied zwischen Leben und Tod (…). Der Fußball der Mannschaft, die zum ersten Mal die Farben Rosa und Lila trug, war wie das Leben selbst. Kreativ, nach vorn gerichtet, mit klugen Pässen zwischen den Linien, mit Positionswechseln. (…) Auch bei den Deutschen lief vieles schief, aber die Absichten waren klar. Sie wollten gewinnen. Oranje wollte nicht verlieren.”

“De Telegraaf”: “Ronald Koeman wird in den kommenden Wochen viel tüfteln müssen, um eine EM-Auswahl zu formen, die zumindest als Außenseiter für den EM-Titel nach Deutschland reisen kann. Wie schon gegen Schottland blieben die Niederländer auch in Deutschland weit von ihrer Topform entfernt.”

“AD”: “Oranje glaubte kurzzeitig, mit einem akzeptablen Unentschieden auf die Europameisterschaft hinarbeiten zu können, doch ein Kopfball des eingewechselten Niclas Füllkrug bescherte den Deutschen knapp einen Zentimeter hinter der Torlinie doch noch den Sieg.”

SPANIEN

“AS”: “Kroos bringt Deutschland ins Spiel. Die Niederlande waren kein Gegner für Kroos und Deutschland, das sich mit seinem Comeback komplett regeneriert hat und zum Titel-Kandidaten aus eigener Kraft geworden ist.”

“Mundo Deportivo”: “Kroos’ Deutschland ist weiter auf dem Weg der Besserung. Deutschland (…) scheint die Krise vom November mit zwei enttäuschenden Niederlagen zumindest vorerst überwunden zu haben.”

“Ich habe hart dafür gearbeitet”: Mittelstädt stolz über seine Performance

VfB-Spieler erzielte das wichtige 1:1 per Traumtor 27.03.2024

“Ich habe hart dafür gearbeitet”: Mittelstädt stolz über seine Performance

1:52Nach dem 2:0-Sieg gegen Frankreich gewinnt die DFB-Elf gegen die Niederlande mit 2:1. Im Fokus war dabei Maximilian Mittelstädt, der vor dem 0:1 patzte, aber mit seinem Traumtor zum 1:1 danach brillierte.

“Heute ist er umgefallen gegen mich”: Müller scherzt über van Dijk

Weltmeister von 2014 zufrieden mit DFB-Auftritt 27.03.2024

“Heute ist er umgefallen gegen mich”: Müller scherzt über van Dijk

2:25Nach dem 2:1-Sieg gegen die Niederlande war die Stimmung bei der deutschen Nationalmannschaft gut. Thomas Müller beispielsweise scherzte in der Mixed Zone über Oranje-Verteidiger Virgil van Dijk, der ihm beim Vorbeigehen auf die Schulter klopfte.

Woltemade: Wirtz-Versuch und Übung mit Meister-Macher Gerland

Der Plan mit Nick Woltemade ist aufgegangen: Erstmals in der Startelf, war der Angreifer gegen Israel ein Aktivposten beim 2:0-Sieg, der Ausgangslage und Stimmung bei der U 21 merklich aufhellte.

Nick Woltemade stand erstmals in der U 21 in der Startelf. Und überzeugte.

Nick Woltemade stand erstmals in der U 21 in der Startelf. Und überzeugte.

IMAGO/Karina Hessland

Was bei der A-Nationalmannschaft am Samstag gegen Frankreich mit der ersten Aktion von Torschütze Florian Wirtz geklappt hatte, könnte ja auch ein Vorbild für die deutsche U 21 sein … “Vor dem Spiel war das Thema in der Gruppe”, verriet Cheftrainer Antonio Di Salvo im Nachgang, also wählte auch seine Mannschaft am Dienstagabend in Halle gegen Israel vom Anpfiff weg den direkten Weg nach vorne: “Das hat unserem Spiel dann auch gutgetan – und ich glaube auch an der Reaktion des israelischen Trainers gemerkt zu haben, dass man da schon beeindruckt war.”

Der Ball landete wenige Sekunden nach Spielbeginn tatsächlich in aussichtsreicher Position bei Nick Woltemade, der “nicht gedacht hätte, dass es so funktioniert”, wie der 22-Jährige nach seiner U-21-Startelfpremiere ausführte: “Und ja, mit ein bisschen mehr Glück und wenn ich mir den Ball nicht zu weit vorspiele, stehe ich allein vorm Tor.”

Der Wirtz-Versuch war also da, “eine Kopie war es leider nicht”, musste der Angreifer feststellen: “Sonst hätte ich den Ball reingeschossen – aber ich denke, es war ein guter Start.” Den der Profi vom SV Werder Bremen selbst maßgeblich mit eingeleitet hatte: Kurz darauf kam er sogar noch in der 1. Minute bereits zu seinem ersten Abschluss, in der 9. Minute zu einem weiteren.

Polen patzt, Deutschland macht “einen guten Schritt”

Die deutsche Herangehensweise war früh mehr als deutlich geworden, nachdem die Di-Salvo-Elf unbedingt wieder mehr Offensivgeist zu entfachen plante als das noch in der ersten Hälfte der letztlich torlosen Partie vom Freitag gegen den Kosovo der Fall war. Der Führungstreffer von Brajan Gruda bestätigte die überzeugende Anfangsphase, die möglicherweise auch dadurch noch einen Schub erfuhr, dass Tabellenführer Polen seine Partie gegen Bulgarien bereits vor Anpfiff in Halle mit 0:1 verloren hatte.

Die sich eröffnete Steilvorlage zur Übernahme von Platz eins in Gruppe D und somit der direkten Qualifikation für die 2025 in der Slowakei stattfindende EM wollte die DFB-Auswahl nicht ungenutzt lassen, wie Woltemade erklärte. So hatte er nach dem 2:0-Sieg vom Dienstag dann auch “gewissermaßen Erleichterung” im deutschen Lager ausgemacht: “Durch die Niederlage der Polen wussten wir, dass wir mit einem Sieg auf jeden Fall einen guten Schritt machen können.” Der letztlich auch die Stimmung nach dem kleinen Dämpfer gegen den Kosovo wieder merklich aufhellte – sogar ein Tablett mit Bier fand am frühen Abend den Weg in die deutsche Kabine.

Di Salvo über Woltemade: “Ein klasse Fußballer”

Di Salvo erklärte die Überlegung mit Offensiv-Aktivposten Woltemade, der gegenüber der Kosovo-Partie für Ansgar Knauff in die Startelf und hinter die Sturmspitze Youssoufa Moukoko gerückt war, jedenfalls als gelungen: “Ich denke, der Plan ist aufgegangen.” Als Zielspieler sollte der Bremer mit dem Rücken zum Tor die Bälle halten und das Spiel immer wieder verlagern, erläuterte der Cheftrainer: “Und man hat gesehen, was für ein klasse Fußballer er ist: Obwohl er so groß ist, traut man ihm das ja manchmal gar nicht zu, dass er die Bälle dann so fein runter nimmt und auch dribbeln kann.”

Was sich der 44-Jährige noch für das “gute Spiel” Woltemades gewünscht hätte, war, “dass er sich mit dem einen oder anderen Torschuss belohnt hätte”. Da liege laut Di Salvo noch sein “Potenzial nach oben: Er muss schon noch gucken, torgefährlicher zu werden, vielleicht sogar noch öfter zum Abschluss zu kommen. Da hat er ein, zwei Situationen, wo er den Ball dann doch abgespielt hat”. Daran würde man bei den U-21-Lehrgängen jedoch bereits explizit mit ihm arbeiten, “um an seinen Torschussqualitäten zu feilen”, so der Coach. Vor allem Co-Trainer Hermann Gerland habe “sich ihn nach jedem Training geschnappt”, erklärte Di Salvo durchaus amüsiert: “Und Hermann sagt immer: Übung macht den Meister.”

Tim Lüddecke

Die surreale Reise von Mittelstädt: “Maxi ist ein top Typ, der tut uns gut”

Maximilian Mittelstädt gehört zu den großen Gewinnern der Länderspiele. Zweifler gab es genug, das berichtete auch Bundestrainer Julian Nagelsmann und setzte zu einer kleinen Lobrede an.

Lebt seinen Traum: Maximilian Mittelstädt (li.).

Lebt seinen Traum: Maximilian Mittelstädt (li.).

DeFodi Images via Getty Images

Maximilian Mittelstädt müssen die derzeitigen Monate fast schon surreal vorkommen. Vor einem Jahr befand er sich bei Hertha BSC gleich mehrmals ohne Einsatz im Kader. Die Berliner steckten mitten im Abstiegskampf und stiegen am Ende als Tabellenletzter ab. Der Außenverteidiger verzeichnete am Ende 17 Einsätze.

Der Wechsel im Sommer zum VfB Stuttgart für 500.000 Euro wurde bei den Schwaben von vielen kritisch beäugt. Was folgte ist bekannt: Der VfB spielt die Liga schwindelig, stellt aktuell vier Nationalspieler und mittendrin ist Mittelstädt. Den Ritterschlag erhielt er ja schon nach dem 2:0-Sieg gegen Frankreich.

Ritterschlag von Kroos

“Wenn ich Maxi Mittelstädt sehe, wie abgeklärt der das gemacht hat in seinem ersten Länderspiel, das ist absolut hervorzuheben”, lobte Toni Kroos vor wenigen Tagen. Der linke Außenverteidiger wurde auch beim 2:1 gegen die Niederlande zu einem der Hauptdarsteller und befand bei RTL danach: “Es ist immer noch ein unbeschreibliches Gefühl.”

Dabei ging Mittelstädts zweites Länderspiel gar nicht gut los. Bereits in der vierten Minute unterlief ihm ein Fehlpass, der zum frühen Rückstand führte. Doch Nagelsmann gab sich Milde in der Beurteilung der Szene. Leider sei der Platz eine Katastrophe gewesen. “Kein guter Ball, keine Frage.” Aber auf einem normalen Platz hätte Jonathan Tah den Ball noch bekommen, so der Bundestrainer. Doch sowohl Tah als auch Mittelstädt rutschten beim Versuch zu klären weg. Normalerweise sei die Defensive dann schon wieder in Überzahl gewesen. “Auf einem guten Rasen verteidigen wir den, auch wenn es kein guter Ball war”, glaubt Nagelsmann.

“Der Platz war jetzt auch nicht im optimalen Zustand. Wir sind oft weggerutscht, aber klar darf das nicht passieren”, kommentierte Mittelstädt. Allerdings wog der Fehler nicht weiter schwer, schließlich traf er Minuten später nach einer Ecke per Traumtor zum 1:1.

“Der hat noch kein internationales Spiel, das ist zu früh”

Nagelsmann feierte den 27-Jährigen dafür. “Am Ende ist die Aktion von Maxi Mittelstädt doch genau das, was ich sehen wollte”, so sein Coach. “Alle haben gesagt: Der hat noch kein internationales Spiel, das ist vielleicht zu früh. Er macht einen Fehler, schießt ein Tor, macht danach wieder ein super Spiel”, fasste der Bundestrainer zusammen und schob hinterher: “Sehr guter Spieler, viel Ehrgeiz, viel Power und dazu noch ein top Typ, der tut uns gut.”

Einen Formknick befürchtet Nagelsmann bei Mittelstädt nicht. “Da bin ich guter Dinge, weil er einen sehr guten Trainer und eine gut funktionierende Mannschaft hat. Ich hoffe, dass er in diesem Drive bleibt.”

So darf Mittelstädt schon von der EM träumen. “Man merkt, dass hier was entsteht und die Euphorie wächst “, sagte er noch, bevor er sich wahrscheinlich noch ein paar Mal selbst zwickte, ob das auch alles real ist, was ihm da gerade so widerfährt.

Viele Sieger, doch Nagelsmann ist der größte Gewinner

Binnen vier Tagen hat die deutsche Nationalmannschaft die Stimmung im EM-Gastgeberland gedreht. Julian Nagelsmann ist der große Gewinner der März-Länderspiele. Ein Kommentar von kicker-Chefreporter Oliver Hartmann.

Bundestrainer Julian Nagelsmann ist der große Gewinner der März-Testspiele.

Bundestrainer Julian Nagelsmann ist der große Gewinner der März-Testspiele.

picture alliance/dpa

Den in Lyon eingeschlagenen Weg fortsetzen, so lautete die Forderung von Julian Nagelsmann vor dem Nachbarschaftsduell gegen die Niederlande. Und diese Vorgabe setzte seine Mannschaft in Frankfurt eindrucksvoll um. Es war weniger das nackte 2:1-Ergebnis, das die knapp 50.000 Zuschauer im Stadion nach dem Schlusspfiff bejubelten – sondern die Art und Weise, wie sich die DFB-Auswahl dieses Erfolgserlebnis erkämpfte und erarbeitete. Weil es ein Sieg der Moral und des Willens war. Und weil die deutsche Mannschaft in einer beherzten und mit dem Siegtreffer von Niclas Füllkrug belohnten Schlussphase demonstrierte, dass sie sich nicht mit einem Unentschieden zufriedengeben wollte.

Erst das 2:0 gegen den Vize-Weltmeister Frankreich, nun das 2:1 gegen den WM-Viertelfinalisten und Weltranglisten-Sechsten Niederlande: Wer hätte nach den tristen November-Auftritten gegen die Türkei (2:3) und Österreich (0:2) ein solches Frühlingserwachen des im FIFA-Ranking auf Platz 16 abgeschmierten EM-Gastgebers für möglich gehalten. Mit diesen beiden Siegen haben Nagelsmann und sein umgekrempelter Kader im letzten Moment eine EM-Vorfreude bei den Fans entfacht und den Glauben in die eigenen Reihen gestärkt.

TESTSPIELE IM MÄRZ

Wie schon in Frankreich präsentierte sich in Frankfurt eine Mannschaft, die Überzeugung ausstrahlte, die ballsicher war, die einen klaren Matchplan verfolgte und – ganz wichtig – die sich gegen Widerstände aufbäumte und diese überwand. Das galt im Allgemeinen für die gesamte Mannschaft, die in der zweiten Halbzeit mächtig unter Druck geriet, sich aber auch dank der Einwechslungen befreite und – wie es Nagelsmann treffend analysierte – am Ende mit den oft zitierten deutschen Tugenden das Spiel und die Fans auf ihre Seite zog.

Und das galt im Speziellen für Maximilian Mittelstädt, der mit einem bösen Fehlpass den frühen Rückstand einleitete, mit seinem ersten Länderspieltor umgehend die passende Reaktion zeigte und sich danach zu einem Aktivposten entwickelte.

Diese beiden März-Spiele haben viele Sieger, neben Mittelstädt natürlich den auch diesmal wieder überzeugenden Rückkehrer Toni Kroos oder dessen erneut verlässlichen Nebenmann Robert Andrich. Der größte Gewinner aber ist Nagelsmann. Der ob seiner Taktik und Personalauswahl im November noch heftig in die Kritik geratene Bundestrainer hat die richtigen Lehren gezogen, indem er die aktuell besten Spieler nominierte und seiner Mannschaft mehr defensives Denken und damit eine bessere Balance als im November eingeimpft hat. Und er hat damit das Vertrauen zurückgewonnen, dass er im November verloren hatte.