Woran Hütter scheiterte – Virkus' Aufgabe beim XXL-Umbruch

Das Aus von Adi Hütter ist die logische Konsequenz aus einem beiderseitigen Missverständnis. Der Sportdirektor muss eine Mammutaufgabe bewältigen und die Voraussetzungen schaffen, damit den Gladbacher Fußball wieder eine eigene Identität auszeichnet. Eine kommentierende Analyse von kicker-Reporter Jan Lustig.

Gehen getrennte Wege: Adi Hütter (li.) und Roland Virkus.

Gehen getrennte Wege: Adi Hütter (li.) und Roland Virkus.

imago images/picture alliance

Im Sommer stellte Max Eberl den aus Frankfurt losgeeisten Adi Hütter voller Überzeugung als “den am besten passenden Trainer für Borussia Mönchengladbach” vor. Es war, das steht nicht erst seit Samstag fest, ein gewaltiger Irrtum und eine für den Klub sehr kostspielige Fehleinschätzung des früheren Sportdirektors. Denn Hütter und die Borussia, das passte in zu vielen Bereichen überhaupt nicht. Die Trennung nach nur einem Jahr der Zusammenarbeit war nur die logische Konsequenz aus diesem beiderseitigen Missverständnis.

Dazu muss man festhalten: Sein Scheitern in Gladbach macht aus Hütter keinen schlechten Trainer. Die Erfolge auf seinen früheren Stationen bei RB Salzburg, YB Bern oder Eintracht Frankfurt sprechen für sich. Aber in Gladbach war der Österreicher zur falschen Zeit am falschen Ort. Zu diesem Borussen-Kader passte er eben nicht. Zu weit lagen Trainer und Mannschaft auseinander. In sportlichen Fragen genauso wie im zwischenmenschlichen Bereich.

Es gab zu viel Ballast für einen gemeinsamen Neuanfang

Letztendlich ist Hütter aber auch daran gescheitert, dass wesentliche Dinge nicht eingehalten wurden, die ihm Eberl für den Sommer versprochen hatte: eine Blutauffrischung des Kaders, um die verkrusteten Strukturen in der Gruppe nach zwei Jahren ohne nennenswerte Veränderungen aufzubrechen und dadurch neue Impulse zu setzen; Verstärkungen für den typischen Hütter-Fußball; Spieler mit viel Geschwindigkeit, Widerstandsfähigkeit und Mentalität.

Für ein zweites Hütter-Jahr war die Hypothek nach dieser verkorksten Saison zu groß und die Trennung folgerichtig. Zumal der Trainer einen Teil der Mannschaft, darunter Leistungsträger und Meinungsführer, nicht hinter sich hatte. Alles in allem zu viel Ballast für einen gemeinsamen Neuanfang, das sahen Hütter und die Verantwortlichen nach ihrer Saisonanalyse ein. Und zeigten am Samstag, wie man eine stilvolle Trennung hinbekommt.

Aber was muss jetzt passieren bei den Fohlen? Die Entscheider im Borussia-Park wären schlecht beraten, wenn sie sich von ordentlichen 26 Rückrundenpunkten und einer 5:1-Fußball-Party gegen Hoffenheim blenden ließen und zu sehr auf den Faktor Trainerwechsel setzen würden. Der Umbau des Kaders muss immer noch mit aller Konsequenz durchgezogen werden.

Nach eineinhalb Jahren mit viel Gemurkse auf dem Rasen braucht der Gladbacher Fußball wieder eine eigene Identität, einen Wiedererkennungswert, der sicherlich nicht in einem totalen Pressingansatz liegt. Nach zwei Spielzeiten mit insgesamt 117 (!) Gegentoren geht es vor allem um Stabilität. Die Mannschaft benötigt ein starkes Fundament, Zuverlässigkeit in der Defensive. Genügend gute Kicker werden auch nach dem Sommerumbruch noch im Kader stehen, um gleichzeitig die Gladbacher Sehnsucht nach ansehnlichem Offensivfußball erfüllen zu können.

Favre? Farke? Virkus steht vor einer Mammutaufgabe

Nicht umsonst befasst man sich im Borussia-Park bei diesen Anforderungen mit einem Trainer wie Lucien Favre. Der ausgewiesene Fachmann und Taktik-Experte hat nachgewiesen, dass er wacklige Teams ins Gleichgewicht bringen und ihnen eine feste Struktur verleihen kann. Die Fohlenelf gehörte unter seiner Regie (2011 bis 2015) zu den Mannschaften mit der besten Organisation auf dem Platz. Und er könnte der passende Fußball-“Lehrer” für die vielversprechenden Talente wie Manu Koné, Luca Netz, Joe Scally, Jordan Beyer oder Conor Noß sein, die Riege der Youngster auf die nächste Entwicklungsstufe coachen. Aber auch andere Trainer bleiben im Fokus. Dass es in der Vergangenheit Kontakt zu Daniel Farke (zuletzt Krasnodar) gab, kann der kicker bestätigen.

Ein neues Team und jetzt auch noch ein neuer Trainer – Roland Virkus muss bei der Borussia einen XXL-Umbruch bewältigen. Es wird eine Mammutaufgabe. Für Virkus, erst seit Februar auf der Bundesligabühne, bedeutet die Situation ist eine riesengroße Herausforderung. Zugleich bietet sie die perfekte Gelegenheit, die eigenen Vorstellungen einzubringen und umzusetzen. Virkus wird eine “neue Borussia” bauen und muss der Fohlenelf jetzt seine Handschrift verleihen.

Jan Lustig