Tivoli, Berlin, Sevilla: Als Aachen auf große Reise ging

Im Frühjahr 2004 stand Alemannia Aachen Kopf. Der damalige Zweitligist zog gegen Borussia Mönchengladbach ins Pokalfinale ein – und hinaus in die weite Welt.

Tollhaus Tivoli: Alemannia Aachen im Frühjahr 2004.

Tollhaus Tivoli: Alemannia Aachen im Frühjahr 2004.

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Von den Gladbacher Spielern ist nach 20 Jahren natürlich keiner mehr dabei, aber vielleicht hat sich ja mancher Fan “Schon wieder wir?” gefragt, nachdem man im DFB-Pokal-Viertelfinale gegen den 1. FC Saarbrücken hatte die Segel streichen müssen. Ein weiterer märchenhafter Durchmarsch eines Underdogs auf Kosten der Borussia.

In der Saison 2003/04 war Gladbach, klar in der Favoritenrolle, im Halbfinale am damaligen Zweitligisten Alemannia Aachen gescheitert, der wie Saarbrücken zuvor bereits den Meister FC Bayern eliminiert hatte. Es bahnte sich etwas an auf dem alten Tivoli, der an diesem 17. März 2004 schon zweieinhalb Stunden vor Anpfiff prall gefüllt war – was auch daran lag, dass Aachen durch den Final-Einzug des kommenden Deutschen Meisters Werder Bremen tags zuvor als unterlegener Pokal-Finalist gute Chancen auf die UEFA-Cup-Teilnahme hatte.

Mit Nürnberg-Trainer und Sky-Experte

Auf dem Platz fanden sich später im Trikot von Alemannia Zweitliga-Rekordspieler Willi Landgraf, Karlheinz Pflipsen, der heutige Nürnberg-Trainer Cristian Fiel oder Sky-Experte Erik Meijer ein, Bachirou Salou kam von der Bank. Gladbach trat mit Arie van Lent, Joris van Hout, Jeff Strasser, Thomas Broich oder Claus Reitmaier an, der im Tor seinen 40. Geburtstag feierte – und vor Anpfiff einen Wunsch äußerte: “Mit 40 den Pokal gewinnen, und dann auch noch mit meinem Lieblingsverein Borussia, das wär’s.”

Aachens Pokalreise 2003/04

Zunächst dürfte Reitmaier Hoffnung gehabt haben, die Gladbacher kontrollierten das Spiel. Dann traf Angreifer Vaclav Sverkos nach 20 Minuten den Innenpfosten. Doch genauer schoss kurz vor der Halbzeit Ivica Grlic, dessen direktes Freistoßtor schließlich den Unterschied machte. Wie auch ein ungeahndetes Handspiel von Aachens Verteidiger George Mbwando.

Der Tivoli tobte, Zweitligist Alemannia stand nach 1953 und 1965 wieder im großen Endspiel, doch Trainer Jörg Berger, 2010 verstorben, vermochte sich nicht bedingungslos freuen zu können. Weil die Doppelbelastung Aachens Aussichten im Aufstiegsrennen schmälerte. “Jetzt wird es sehr schwierig, Berlin wieder aus den Köpfen der Spieler zu bekommen”, mahnte Berger. “Wenn wir es schaffen, dass wir am letzten Spieltag gegen den KSC ein Endspiel um den Aufstieg haben, ist mir das mehr wert als Berlin.”

Sergio Ramos gegen Erik Meijer

Aachen international: Sevillas Sergio Ramos (li.) gegen Erik Meijer.
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Anders als Reitmaier bekam Berger seinen Wunsch, sein Endspiel eine Woche vor dem Pokalfinale in Berlin. Auf Platz drei, damals noch ein direkter Aufstiegsplatz, ging Alemannia in den letzten Zweitliga-Spieltag beim KSC – und verlor. Wie sechs Tage später auch in Berlin gegen Bremen, obwohl der Underdog beherzt dagegengehalten und nach 0:2-Rückstand fast noch mal auf 2:2 herangekommen wäre. Diesmal fehlte eben auch das Glück, Mbwando sah in Aachens Drangphase in der Schlussviertelstunde eine unberechtigte Rote Karte.

Mit Hecking durch Europa

So spielte der heutige Regionalligist in der Saison 2004/05 zwar weiterhin “nur” in der 2. Liga, ein großer Titel fehlt bis heute in der Vitrine. Aber – weil Werder nicht nur Pokalsieger, sondern auch Meister geworden war – Alemannia spielte auch gegen Lille, Zenit St. Petersburg, in Athen und beim FC Sevilla. Landgraf, Fiel und Meijer gegen Dani Alves, Jesus Navas und Sergio Ramos.

Darüber konnte sich wohl auch Jörg Berger freuen, wenn auch wieder mit einer Einschränkung: Aachens Trainer hieß inzwischen Dieter Hecking.

Niklas Baumgart